Interview | 50 Jahre "Paul und Paula"
Die Liebesgeschichte "Die Legende von Paul und Paula" war ein Kassenschlager in der DDR und entwickelte sich später zum Kultfilm. Premiere war vor 50 Jahren – nach schwierigen Dreharbeiten, wie sich "Paul"-Darsteller Winfried Glatzeder erinnert.
rbb: Herr Glatzeder hätten sie Anfang der Siebziger beim Filmdreh gedacht, dass sie ein halbes Jahrhundert später immer noch über diesen Film sprechen?
Winfried Glatzeder: Nee, so hellsichtig war ich nicht. Ich habe beim Drehen aber das Gefühl gehabt, dass wir mit Heiner Carow, Ulrich Plenzdorf, Peter Gotthardt und den Puhdys tolle Leute hatten. Dazu kamen noch Angelica Domröse und Heidemarie Wenzel. [Anm.d.Red.: Carow: Regisseur, Plenzdorf: Drehbuchautor, Gotthardt und Puhdys: Filmmusik, Domröse und Wenzel: Schauspielerinnen].
Es war eine außergewöhnliche Mischung von hochkarätigen Leuten. Das ist aber noch lange keine Garantie, dass ein Film so lange überdauern kann und mehrere Generationen sagen: Ist das abgefuckt! Die Geschichte ist ganz gut, aber die Tapeten sehen ja Scheiße aus, und die Kleider sehen blöd aus. Und wie sprechen die denn? Aber es ist ein Zeugnis einer vergangenen Zeit, Anfang der Siebzigerjahre, wo der Aufbruch war in der DDR - nach dem 11. Plenum sechs Jahre zuvor, wo alle intelligenten Leute, im wesentlichen die Künstler, rausgetrieben wurden aus ihren Berufen. Und da war ein Aufbruch. Das hat Ulrich Plenzdorf grandios geschrieben. Dieser Film ist keine Ideologie-Bebilderung, sondern er hat zum Gegenstand seiner Geschichte die Liebe zweier Menschen gemacht, die eigentlich wie bei Shakespeare zunächst nicht zusammenkommen. Das Neue an dem Film ist – und deswegen hat er wahrscheinlich so lange überdauert – dass die Liebe ein wesentlicher Punkt im Leben der Menschen ist, dass es sich dafür lohnt, zu kämpfen.
War Ihnen die Rolle des Paul sofort nahe?
Ich war Paul. Paul war ein Karrierist, und ich war sozusagen geil darauf, in der Volksbühne viele interessante Rollen an Land zu ziehen. Und bei jeder Arbeit war ich geil auf Erfolg und habe versucht, jede Arbeit so ernst zu nehmen, dass die Regisseure, die mich interessierten, sagen: Mit dem lohnt es sich vielleicht zu arbeiten.
Und es gab noch eine schicksalhafte Fügung. Ich bin nicht gläubig, aber ich bin schicksalsergeben. Es war so, dass die eigentliche Regisseurin dieses Films, Ingrid Reschke, sechs Wochen vor Drehbeginn, wo alles schon geplant war, wo die Schauspieler engagiert waren, wo der Drehplan fertig war, wo die Bauten fertig waren, bei einem Autounfall auf dem Adlergestell starb. Und dann bekam Heiner Carow die Aufgabe, den Film zu realisieren. Und da hat er gesagt: Wie das geplant ist, kann ich es nicht machen. Wir machen eine Legende, und bei einer Legende haben wir die Möglichkeit, die Wirklichkeit zu überhöhen.
Was ist Ihnen denn von den Dreharbeiten besonders in Erinnerung?
Es war ein hartes Arbeitspensum. Nicht nur für Angelica, die nämlich nebenbei noch eine Theaterproduktion hatte und, glaube ich, noch einen anderen Film drehte. Auch für mich, weil ich am Theater auch schon wieder probte.
Diese Drehzeit 1972 fand unter unsäglichen, schwierigen Bedingungen statt, weil auch alles relativ schnell zusammengeknallt wurde. Ich kann mich besonders erinnern an das abgefahrene Bild in der Stralauer Bucht, wo die abgewrackten Spreekähne der Schalck-Golodkowski-Truppe lagen und nach und nach Richtung Holland und Westdeutschland verkauft wurden. Und in diesem Müllplatz haben wir gedreht. Wir haben also den Kahn aufs Wasser rausgezogen, vor das Glaswerk und haben darauf gedreht.
Viele Szenen sind sehr oft wiederholt worden – auch diese berühmte Szene, wo Sie mit der Axt die Wohnungstür einhauen, Paula ihnen das Hemd zerreißt und sie sich versöhnen. Wie oft musste die gedreht werden?
Wenn ich jetzt nicht übertreibe, waren das sieben, acht Mal. Nach den hoffnungslosen Versuchen von Angelika, mir das Hemd auf dem Rücken zu zerreißen – es war aus Leinen – musste die Kostümbildnerin heimlich einen Faden ziehen, damit sie das schafft.
Aber es gab noch eine andere schöne Szene, und zwar die erste Liebesszene zwischen Paul und Paula, wo er noch mit seiner Frau lebt und immer heimlich in seine Wellblechgarage geht, wo so ein kleiner Oldtimer steht. Und da steht auch ihr Liebesnest, eine russische Liege, wie das früher hieß, eine Campingliege mit ganz vielen Scharnieren. Und da haben wir auch sieben oder acht Mal gedreht.
Irgendwann hat Heiner Carow gesagt, diese Szene auf der russischen Liege stimmt nicht. Ich kann auch nicht genau sagen, warum. Nach einem sieben oder acht Mal holte er den Requisiteur, und der musste dann eine Angelsehne durch die ganzen Füße der Campingliege legen. Und auf ein Lichtzeichen hin sollte er ziehen, damit die Liege wegkracht, wir das Gleichgewicht verlieren und in der Liebesszene Bewegung drin war. Ich weiß gar nicht, ob diese Szene zum Schluss nicht doch dem Schnitt zum Opfer gefallen ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Magdalena Bienert, rbb24 Inforadio. Dieser Beitrag ist eine gekürzte und redaktionell bearbeitete Fassung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 29.03.2023, 10:45 Uhr
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