+++ Preisverleihung im Liveticker +++
Die Neuverfilmung des Remarque-Klassikers "Im Westen nichts Neues" schreibt Filmgeschichte. Vier Oscars hat die deutsche Produktion geholt. Nach Elbe-Elster wird allerdings keine der Goldstatuen reisen. Die Oscarnacht zum Nachlesen.
Mit vier Oscars ist "Im Westen nichts Neues" nach "Everything Everywhere All at Once" der Film mit den meisten Auszeichnungen bei der diesjährigen Oscar-Verkeihung gewesen. Die Netflix-Produktion verpasste zwar die Chance, als erster deutscher Beitrag der Geschichte den Hauptpreis für den besten Film zu gewinnen. Die Neuverfilmung des gleichnamigen Antikriegsromans von Erich Maria Remarque gewann aber mehr Oscars als je ein deutscher Film zuvor.
"Im Westen nichts Neues" wurde als bester internationaler Film, für die beste Kamera, das beste Szenenbild und die beste Filmmusik ausgezeichnet. "Das bedeutet uns so viel", sagte Regisseur Edward Berger, als er den Auslands-Oscar entgegennahm.
Mit dem Drama über deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg gewann zum vierten Mal ein deutscher Beitrag den Oscar für den besten internationalen Film; beziehungsweise bester fremdsprachiger Film, so wie diese Kategorie bis vor wenigen Jahren noch hieß.
Bislang gewonnen hatten den Auslands-Oscar die Roman-Verfilmung "Die Blechtrommel" von Volker Schlöndorff im Jahr 1980, das Emigranten-Drama "Nirgendwo in Afrika" von Caroline Link im Jahr 2003 sowie das Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck im Jahr 2007.
Wie die Nacht verlief, können Sie in unserem Liveticker nachlesen:
In Los Angeles werden die Oscars verliehen. Zu den Favoriten gehört die Neuverfilmung von "Im Westen nichts Neues". In neun Kategorien geht dieser Film ins Rennen, in so vielen wie noch kein anderer deutscher Film zuvor. Je ein Preis könnte nach Berlin sowie in den Elbe-Elster-Kreis gehen. Maskenbildnerin Heike Merker und Soundmacher Markus Stemler gehören zu den Nominierten.
Wird es einen Durchmarsch für den Film geben, so wie vor wenigen Wochen bei den Bafta-Preisen in London? Wir sind natürlich absolut unparteiisch beim rbb heute Nacht. Bei weniger als neun von neun Oscars muss aber eventuell die Systemfrage bei der "Academy" gestellt werden. Jetzt mal ganz objektiv gesprochen.
Durch die Nacht begleitet Sie hier Oliver Noffke. Ich hoffe, Sie haben sich ausreichend Snacks bereit gelegt. Spreewaldgürkchen gehen ja immer.
Vorhang auf, Moderator Jimmy Kimmel wird durch den Abend führen. Der Mann ist Oscar-Krisen-erprobt. Als "La La Land" versehentlich zum Besten Film erklärt wurde, statt "Moonlight", versuchte Kimmel zu retten, was nicht mehr zu retten war.
Im Publikum scheint alles wie immer bei solchen Preisverleihungen. Menschen mit mehr oder weniger geschmackvollen Outfits sitzen dort, manche mit viel Frisur, andere mit zu viel Schmuck. Es gibt straffe Stirnbereiche in vielen Altersklassen.
Apropo straff: Die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Klassiker ist natürlich keine schlichte 1:1-Übertragung des Buches. Einige Figuren wurden hinzugefügt, anderes gestrichen. Die erste Verfilmung kam im Jahr 1930 nur zustande, weil die Filmemacher dem deutschen Autoren versprachen nichts zu ändern. Teilweise werden darin ganze Textpassagen aus dem Buch aufgesagt.
Die Neuverfilmung hält sich nicht an Remarques Wunsch. Warum das trotzdem etwas Gutes hat, hat die Youtuberin Be Kind Rewind in einem Videoessay aufgedröselt. Das ist wirklich sehenswert [in englischer Sprache: youtube.com].
Haben Sie schonmal zu lange in ihre Waschmaschine geschaut und sich dabei gefragt, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn Sie sich für die Karriere als Kung-fu-Meisterin entschieden hätten, statt für ihren Partner? Falls ja, dann wissen Sie, dabei können sich Welten auftun.
Ganz grob gesprochen ist das der Inhalt des Films "Everything Everywhere All at Once"; der große Favorit des heutigen Abends. Gleich zwei der wichtigsten Preise hat dieser Film direkt zu Anfang abgeräumt. Bester Nebendarsteller ist Ke Huy Quan, Beste Nebendarstellerin Jamie Lee Curtis.
Beste Kamera! Die erste Kategorie des Abends, in der die deutsche Netflix-Produktion einen Preis gewinnen konnte und direkt hat es geklappt. Der britische Kameramann James Friend hat den Oscar entgegengenommen.
Die besten Maskenbilder haben sich in diesem Jahr nicht mit Schmutz und Dreck in Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg beschäftigt, sondern für die enorme physische Verwandlung von Brendan Fraser im Film "The Whale" gesorgt. Heike Merker aus Berlin und ihre Kollegin Linda Eisenhamerová sind leider leer ausgegangen.
Bester animierter Spielfilm ist "Guillermo del Toros Pinocchio" geworden. Ebenfalls eine Netflix-Produktion. Vom Regisseur von Filmen wie "Hellboy", "Pans Labyrinth", oder "Hellboy II: The Golden Army" sollten sie jetzt kein fröhliches Kindermusical erwarten.
Falls Sie etwas gemeinsam mit dem Nachwuchs schauen wollen, gäbe es da noch "Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch" - hat gegen Pinocchio unterlegen, ist ebenfalls ein Liebling vieler Filmkritiker. Ein wirklich ganz zauberhafter Animationsfilm über den Gestiefelten Kater, der leider acht seiner neun Leben verwirkt hat.
Falls Sie diesen Film mit ihren Kindern sehen möchten (FSK 6), legen Sie sich schonmal Antworten zu folgende Fragen bereit:
a) Mama, was ist Tod?
b) Ist unsere Katze auch feuerfest?
c) Papa, darf ich einen süßen Welpen haben?
Wirklich ganz drollig animiert. Lohnt sich, genau wie die Gruselvariante von Pinocchio.
Oscar Nummer 2: "Im Westen nichts Neues" ist der beste internationale Film des Jahres, bis vor einigen Jahren hieß diese Kategorie noch Bester fremdsprachiger Film. So sieht man das in Hollywood. Zum vierten Mal hat ein Film aus Deutschland diesen Preis gewonnen. Regisseur Edward Berger ist sichtlich gerührt.
Produktions-Designer Christian Goldbeck und Set-Designerin Ernestine Hipper bekommen einen Oscar für ihre Arbeit am Film "Im Westen nichts Neues". Im Dolby-Theatre in Hollywood werden die Schreie langsam lauter.
Bedrohliche Streicher, drückende Bläser: Komponist Volker Bertelmann hat die Angst an der Front in Noten gegossen. Er gewinnt den vierten Oscar für "Im Westen nichts Neues".
Diese Kategorie war das erste Aufeinandertreffen mit dem großen Favoriten "Everything Everywhere All at Once".
"Avatar: The Way of Water" ist ein Film, der die Frage stellt, wo hört Kunst auf und wann fängt Aquarium an? Beantwortet wird das von Regisseur James Cameron ("Titanic") und natürlich sieht das alles super aus. Gegen die blauen Außerirdischen vom Planeten Pandora hat "Im Westen nichts Neues" in der Kategeorie Beste visuelle Effekte gerade verloren.
Die Filmemacherin Sarah Polley gewinnt den Preis für das beste adaptierte Drehbuch für "Die Aussprache" (im Original: "Women Talking"). Der Film basieret auf dem gleichnamigen Roman von der Kanadierin Miriam Toews und erzählt von Übergriffen auf Frauen innerhalb einer mennoitischen Kolonie in Bolivien.
Für die Neu-Interpretation von Remarque hat es also nicht gereicht. Im Regal steht doch aber noch irgendwo ein...
...etwas verstaubtes Exemplar.
"Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde - auch wenn sie seinen Granaten entkamen."
Vor mehr als 94 Jahren geschrieben, immer noch aktuell.
Das Beste Sounddesign geht an einen anderen Film, der sich mit Krieg beschäftigt: "Top Gun: Maverick". Ein Film, für den Tom Cruise gelernt hat einen Kampfjet zu fliegen. Markus Semler aus Brandenburg geht leider leer aus.
Als zweite nicht-weiße Frau überhaupt erhält Michelle Yeoh einen Oscar als beste Hauptdarstellerin. Die sei ein Zeichen der Hoffnung für alle Jungen und Mädchen, die wie sie aussehen, sagte die malaiische Schauspielerin in ihrer Dankesrede. "Und an die Damen: Lassen Sie sich niemals von irgendjemandem sagen, Sie hätten ihren Zenit überschritten", so die 60-Jährige.
Das Multiverse triumphiert. Ein Kung-fu-Film über eine Waschsalonbesitzerin, die das Ende ihrer Welt verhindern muss, inklusive Endkampf im Finanzamt. Sieben Preise hat dieser unterhaltsame Indy-Film insgesamt abgeräumt.
Neben den sieben Oscars für "Everything Everwhere All at Once" und den vieren für "Im Westen nichts Neues" gab es folgende Gewinner:
Noch nie hat ein nicht-englischsprachiger Film mehr Oscars gewonnen. "Im Westen nichts Neues" hat Filmgeschichte geschrieben und steht nun auf einer Stufe mit den Filmen "Fanny und Alexander" von Ingmar Bergman (Schweden, 1982), "Tiger and Dragon" von Ang Lee (Taiwain, 2000) und "Parasite" von Bong Joon-ho (Südkorea, 2020).
Für Ang Lee sprang vor mehr als 20 Jahren Michelle Yeoh bereits über Bambuswälder. Auch sehr sehenswert.
Vier Oscars hat "Im Westen nichts Neues" erhalten.
Falls es Ihnen zu anstrengend erscheint, ein 147 Minuten langes Epos über den Ersten Weltkrieg auf dem Handy zu streamen, können Sie sich den Film auch noch im Kino ansehen.
In Berlin steht "Im Westen nichts Neues" heute unter anderem im Delphi Lux auf dem Programm, in der Astor Film Lounge und im Cinema in der Bundesallee. Im Verlauf der Woche wollen ihn weitere, vor allem kleinere Programmkinos auf der großen Leinwand zeigen.
In Hollywood knallen die Korken, in einer Berliner Redaktion sind die Spreewaldgurken alle: Hier werden jetzt die Kaffeeringe vom Schreibtisch gewischt. Eine gute Nacht und einen schönen Tag wünscht Oliver Noffke.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.03.2023, 19.30 Uhr
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