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Quelle: Alexander Hildebrand

Premierenkritik | "Così fan tutte" an der Komischen Oper

Sexy, wild und amüsant

Der russische Starregisseur Kirill Serebrennikow lebt seit dem russischen Angriff auf die Ukraine in Berlin. In Moskau wurde sein Theater geschlossen. Nun hat er Mozarts "Cosi" an der Komischen Oper inszeniert. Maria Ossowski war bei der Premiere dabei.

Wer glaubt denn sowas? Zwei Männer, verliebt und verlobt, verkleiden sich, um zu prüfen, ob ihre Herzensdamen treu sind. Und die Frauen merken gar nichts, flirten und lassen sich schließlich rumkriegen und wissen immer noch nicht, wer sie da verführt? Damit die Kerle zum Schluss klagen können: "cosi fan tutte". So machen's die Frauen.

Die Verkleidungsstory in Mozarts Hit-Oper gehört zu den kompliziertesten Aufgaben für jede Regisseurin, jeden Regisseur. Kirill Serebrennikow, der seelensezierende russische Theatermaniac, weiß um das Ewiggültige von Mozarts Figurenreigen und seiner Musik. Während seines zweijährigen Hausarrests mit Fußfessel auf 40 Quadratmetern, von Putinschergen streng bewacht, hat Mozarts "Cosi" den ehemaligen Direktor des Gogoltheaters überleben lassen. Dank Mozart ist Serebrennikow nicht verrückt geworden, wie er sagt. Vielleicht hat die Einsamkeit und die Konzentration geholfen, um 2018 ein Meisterwerk mit Videoschalten und vom Anwalt rausgeschmuggelten Szenenbeschreibungen in Zürich auf die Bühne zu bringen.

Quelle: Alexander Hildebrand

Die Prüfung der Frauen ist kein Spiel

Seit dem Überfall auf die Ukraine lebt Serebrennikow in Berlin und konnte hier an der Komischen Oper seine Inszenierung selbst betreuen, in der Züricher Fassung, aber mit neuen Sängern, Schauspielern und Ideen. In Fitnessstudios und Edellofts leben die beiden Pärchen mit Selfies und Sexappeal die üblichen Rituale unserer Zeit. Die Bühne ist zweigeteilt, oben praktizieren die Mädels den Sonnengruss, unten pumpen die Jungs und boxen und stemmen Gewichte. Die Welten scheinen verschieden und doch gleichsam hedonistisch. Bis die Prüfung der Frauen beginnt. Sie ist kein Spiel. Die Jungs werden eingezogen in den Krieg und … Idee Serebrennikow: sterben dort sofort.

Russischer Regisseur Kirill Serebrennikow

"Sie begehen da gerade Selbstmord mit diesem Krieg"

In Russland wurde der Regisseur Kirill Serebrennikow verfolgt, verhaftet, in Hausarrest gesteckt und sein Theater geschlossen. Seit dem Überfall auf die Ukraine lebt er in Berlin und inszeniert jetzt an der Komischen Oper. Von Maria Ossowski

Brillante Sänger

Dorabella und Fiordiligi trauern mit Urnen im Arm. Auftritt zweier strammer Muskelmänner, Marke Türsteher oder Bodyguard, bei Mozart sind sie Albaner. Sie markieren und spielen jetzt die verkleideten Verführer, während die Gefallenen als Avatare, als Geister, oben oder an den Seiten mit ansehen müssen, wie die Frauen dem Werben der knackigen Kerle erliegen.

Das ist höchst unterhaltsam, spannend, amüsant, außerordentlich vielschichtig und sensationell geplant und gespielt. Mozart hätte seine helle Freude gehabt. So sexy, so ironisch und tiefsinnig ist seine Musik, ist da Pontes Story. Hier finden sie ihren Regiemeister und eine brillante Sängertruppe.

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Wie erzählt die Kunst vom Krieg?

Zum fünften Mal zeigt das Deutsche Theater in Berlin mit "Radar Ost" neues Theater aus Ost-Europa. Bislang waren immer auch Produktionen aus Russland zu sehen, für die aktuelle Ausgabe hat man sich für einen Ukraine-Schwerpunkt entschieden. Von Barbara Behrendt

Serebrennikow hasst den Krieg

Zum Niederknien erotisch und bildschön nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen sind Nadja Mchantaf als sich zierende Fiordiligi und Susan Zarrabi als Partymaus Dorabella. Die zwei Intrigantinnen, die alles inszenieren, Günter Papendell als Don Alfonso und Alma Sadé als Despina, stehen ihnen in nichts nach, an ihrer Seite die Verlobten und Enttäuschten Ferrando und Guglielmo. Caspar Singh und Hubert Zapiór werden ebenso frenetisch gefeiert. Am Pult steht Katharina Müllner. Fein die Sänger begleitend, manchmal etwas konturlos, was vielleicht auch an der veralteten Verstärkertechnik lag.

Diese Cosi ist mithin ein Must. Wild, tiefsinnig, sexy, nie vulgär, nie platt aktualisierend. Die eingespielten Kriegsvideos sind zeitlos. Einmal, während der Kleiderprobe in einer Boutique, ziehen sich die trauernden Frauen ein blaues und ein gelbes Kleid an. Ukraine-Farben? Möglich. Serebrennikow hasst den Krieg. Er liebt Menschen und ihre Seelenschichten. Wenige Buhrufe für die Regie gingen unter im Jubel für einen grandiosen Opernabend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.03.2023, 8:55 Uhr

Beitrag von Maria Ossowski

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