Ex-Pink-Floyd-Star im Zwielicht
Antisemitismus wird ihm seit Jahren vorgeworfen, neuerdings auch Kreml-Propaganda: Die Diskussion um Auftrittsverbote für Roger Waters nimmt an Fahrt auf. Gegner und Unterstützer des Ex-Pink-Floyd-Stars bringen sich in Stellung. Von Matthias Pohl
Der Musiker Roger Waters, ehemaliges Mitglied der legendären Band Pink Floyd, kommt für einige Konzerte nach Deutschland. In Berlin soll er am 17. und 18. Mai auftreten. In Frankfurt und in München gibt es konkrete Bemühungen, seine dort geplanten Konzerte abzusagen. Auch in Hamburg und Köln laufen Proteste.
Der heute 79-jährige Musiker ist nach eigenen Angaben Teil der BDS-Bewegung. BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel. Der Deutsche Bundestag stuft die Kampagne nach einem Beschluss von 2019 [bundestag.de] als antisemitisch ein. Die hessische Landesregierung und der Magistrat der Stadt Frankfurt, die sich um eine Absage des Konzerts am 28. Mai in der Festhalle bemühen, nannten Waters einen der "reichweitenstärksten Antisemiten der Welt".
In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder auf ein fliegendes Gummischwein hingewiesen, das seit vielen Jahren Teil der Pink-Floyd- bzw. Waters-Bühnenshow ist. Neben anderen Symbolen prangt auf dem Schwein auch ein Davidstern.
Ja. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Waters klar Position für Putin bezogen. Der "Berliner Zeitung" [Bezahlinhalt] gab er vor wenigen Wochen ein Interview, in dem er zu den Gründen für die "militärische Spezialoperation" sagte: "Erstens will er (Putin, d. Red.) den potenziellen Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass verhindern. Zweitens: Er will den Faschismus in der Ukraine bekämpfen." Von den USA spricht Waters in diesem Konflikt als "Hauptaggressor". Der russische Ex-Präsident Dimitri Medwedew, der dem Westen gerne mal mit Atomwaffen droht, jubelte in den sozialen Netzwerken: "Pink Floyd forever".
Am 8. Februar 2023 sprach Waters in einer Videoschalte vor dem UN-Sicherheitsrat zum Ukraine-Krieg - auf Einladung Russlands. Zwar verurteilte er den russischen Angriff, bestand aber darauf, dieser sei "nicht unprovoziert" erfolgt. "Wie traurig für seine früheren Fans, dass er die Rolle eines weiteren Steins in der Mauer akzeptiert, einer Mauer russischer Desinformation und Propaganda", kommentierte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja unter Anspielung auf das Pink-Floyd-Album "The Wall".
Unter anderem Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Er warnt vor einem versteckten "Links-Antisemitismus" in der Kulturszene und verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Kunstausstellung documenta. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte, dass Antisemitismus in Kunst und Kultur nicht geduldet werden müsse. "Das Existenzrecht des Staates Israels ist nicht verhandelbar", mahnte Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle, der keinen Waters-Auftritt in München möchte.
Zu den Waters-Gegnern gehört auch sein ehemaliger Bandkollege David Gilmour und dessen Ehefrau Polly Samson, die Waters bei Twitter "antisemitisch bis in seinen verfaulten Kern" und einen "Putin-Apologeten" nannte. "Jedes Wort nachweislich wahr", ergänzte Gilmour.
Ja. Eine Reihe von Prominenten, darunter auch Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason, haben auf der Plattform change.org eine Petition pro Waters gestartet. Dort heißt es, dass man zutiefst besorgt sei über die Bemühungen deutscher Offizieller, Roger Waters "zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen". Die Extremisten seien die israelische Regierung, nicht ihre Kritiker, wird in dem Aufruf behauptet. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Musiker Eric Clapton, Peter Gabriel und Brian Eno sowie die Filmschaffenden Susan Sarandon, Ken Loach und Terry Gilliam.
In Frankfurt haben die Landesregierung und der Magistrat die Geschäftsführung der Messe per Gesellschafterbeschluss angewiesen, das für den 28. Mai in der Festhalle angekündigte Waters-Konzert abzusagen. In München soll eine Entscheidung über das für den 21. Mai in der Olympiahalle geplante Konzert am 22. März im Stadtrat fallen.
In diesen beiden Fällen hat das Waters-Management bereits juristische Schritte eingeleitet. "Als Ergebnis dieser einseitigen, politisch motivierten Aktion hat Herr Waters seine Anwälte angewiesen, sofort alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese ungerechtfertigte Entscheidung aufzuheben und sicherzustellen, dass sein grundlegendes Menschenrecht auf Meinungsfreiheit geschützt wird und dass alle, die ihn sehen wollen, dies in Frankfurt, München und in jeder anderen Stadt in jedem anderen Land tun können", heißt es in einer Erklärung, die am Mittwoch von einer Kölner Rechtsanwaltskanzlei verbreitet wurde.
Waters will in Berlin am 17. und 18. Mai in der Mercedes-Benz-Arena spielen, die wiederum Eigentum der Anschutz Entertainment Group ist. Anders als in Frankfurt oder München, gehört die Halle nicht der öffentlichen Hand - damit sind mögliche Handlungsspielräume des Senats sehr begrenzt.
Zu einem offenen Brief von 16 jüdischen Organisationen, die eine Absage der Berliner Konzerte fordern, erklärte die Anschutz Group Ende Januar gegenüber dpa, man wolle die vertraglichen Verpflichtungen mit dem Veranstalter trotz der Kritik erfüllen: Man sei sich der öffentlichen Äußerungen und der damit verbundenen Berichterstattung" von Rogers Waters bewusst und verurteile "jede Form des Antisemitismus", erklärte ein Sprecher. Grundsätzlich sei man jedoch "immer bemüht, Künstlern und Künstlerinnen eine offene Plattform und ein Umfeld zu bieten, in dem sie ihre Ansichten unzensiert und unvoreingenommen äußern können".
Gegen eine erzwungene Absage von Waters-Konzerten haben sich seine Anwälte bereits in Stellung gebracht. Der Kölner Rechtsanwalt Ralf Höcker sprach von einem "kalkulierten Rechtsbruch", sollten deutsche Städte die Auftritte kündigen. Er verwies auf die Kosten möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen - das würde "Millionen an Steuergeldern" kosten.
Sendung: Kulturradio, 16.03.2023, 6:18 Uhr
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Beitrag von Matthias Pohl
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