Neues Museum in Berlin
Lang schon ist es geplant: das Exilmuseum am Anhalter Bahnhof. Bis der Bau genehmigt und die Bauarbeiten abgeschlossen sind, wird es noch einige Jahre dauern. Bis dahin gibt es ab dem Wochenende die Werkstatt Exilmuseum. Von Maria Ossowski
500.000: eine halbe Millionen Menschen sind vor den Nazis aus Deutschland geflohen. Manche waren berühmt wie Bertolt Brecht, Thomas Mann oder Mascha Kaléko, an die meisten aber erinnert nichts. Deshalb will das Exilmuseum am Anhalter-Bahnhof Lebensgeschichten erzählen – digital, multimedial. Das Schicksal einer Frau ist dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Exilmuseum, André Schmitz, besonders in Erinnerung:
"Ich muss immer an eine Ärztin denken, die aus Charlottenburg nach New York gegangen ist und dort als Putzfrau arbeiten musste. Ihr Mann konnte wieder als Arzt arbeiten, die Frau hat es dann irgendwann als Assistentin an der Rezeption geschafft. Sie hat herzzerreißende Briefe geschrieben. Da putzte sie bei einer reichen New Yorkerin und schrieb: So haben wir unsere Angestellten in Berlin nicht behandelt."
Noch ist es nicht so weit, aber nach einem internationalen Architekturwettbewerb gibt es einen Entwurf für das Museum am Anhalter Bahnhof, vom Kopenhagener Büro Dorte Mandrup. Ein Halbrund umarmt die Ruine des ehemaligen Kopfbahnhofs, den Platz, an dem so viele Menschen Abschied von Deutschland nehmen mussten. Solange das Museum noch nicht gebaut ist, wird die Werkstatt Exilmuseum in der Fasanenstraße 24 über die Hintergründe, über den Entstehungsprozess und auch über heutige Exilerfahrungen informieren.
Auf vier Stockwerken präsentiert die Stiftung mögliche Inhalte des Museums, den Stand der Innenarchitektur und die Modelle der äußeren Hülle. Auch Videos werden gezeigt, die die Stiftung bereits mit Verfolgten aufgenommen hat, die damals ins Exil gehen mussten oder die heute Zuflucht in Deutschland gefunden haben. Zwei Schirmherren begleiten das Projekt und setzen sich für dieses Museum ein. Nobelpreisträgerin Herta Müller musste ihr Land, Rumänien, ebenfalls verlassen.
"Ich bin zwar nicht geflohen, aber ich habe auch erfahren, wie es ist, wenn man in ein anderes Land kommt, wenn man aus einer anderen Sozialisation kommt. Es ist immer etwas ganz anderes, wenn man gehen muss, als wenn man sich freiwillig entscheiden kann in ein anderes Land zu gehen", sagt Müller.
Warum hat Deutschland sich so lange gescheut, ein Exilmuseum bauen zu lassen? Für Joachim Gauck hat das psychologische Gründe. Viele Menschen, so der ehemalige Bundespräsident, "ertragen es nicht, dass sie so lange im Unrecht gelebt haben. Und dann sehen sie: Einige, die dann geflohen sind, haben es gewusst.
Die Menschen haben sich gesagt, oh Gott, warum habe ich davon nichts gehört? Bei diesem Erschrecken antwortet die Psyche mit Verdrängungsmechanismen oder die Themen werden bagatellisiert. Es gibt eine ganze Reihe von seelischen Schutzmaßnahmen, um das eigene Wegschauen nicht erkennen zu müssen."
20 Millionen Euro aus privaten Vermögen stehen der Stiftung bereits zur Verfügung. 60 Millionen soll der Bau kosten, der 2026 eröffnet werden könnte. Die öffentliche Hand muss 40 Millionen aufbringen, so André Schmitz. Auch, um die Gesellschaft zu sensibilisieren, soll die Werkstatt in der Fasanenstraße ein Zentrum für die Geschichte des Exils in der Nazizeit und für Exilfragen heute sein. An diesem Wochenende wird es eröffnet. Am Samstag um 14 Uhr geht es los mit Führungen.
"Um 17 Uhr wird es eine Theaterperformance mit ukrainischen Theatermacher:innen und Oliver Kraushaar vom Berliner Ensemble geben, um 19 Uhr dann den legendären Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" mit Burghart Klaußner. Klaußner wird persönlich da sein. Und am Sonntag gehts weiter mit Performance, Theater und einer Lesung mit Ilija Trojanow."
Nach Ostern wird die "Werkstatt Exilmuseum" am Standort des ehemaligen Käthe-Kollwitz-Museums dann jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr für alle geöffnet sein. Der Eintritt ist frei.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.03.23, 19:30 Uhr
Beitrag von Maria Ossowski
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