"Achtung Berlin"-Filmfestival
Das Filmfestival "Achtung Berlin" steht seit fast 20 Jahren für junges deutsches Kino aus der Hauptstadtregion. Am 12. April wird es erstmals im historischen Kinosaal des Colosseum in Prenzlauer Berg eröffnet. Ein Ausblick. Von Corinne Orlowski
Achtung, Achtung: Es wird grün. Nicht nur draußen, auch die Filmindustrie soll es werden – dafür will das diesjährige "Achtung Berlin"-Filmfestival sorgen. "Green Filming" stehe in diesem Jahr im Fokus, erzählt Festivalkuratorin Regina Kräh. "Natürlich die Klima-Debatte."
Denn man wolle auch die jungen Leute wieder fürs Kino gewinnen, "die ja mehr am Handy und auf Social Media unterwegs sind und auch die Umwelt- und Klimabewegung ist mehr online." Als Kinomenschen glaube man an die Kraft des Kinos. Filme könnten laut der Kuratorin auch Veränderungen anstoßen.
Deshalb haben sich die Festivalmacher:innen auch eine besondere Retrospektive ausgedacht. In Kooperation mit der Defa-Stiftung greifen sie das Thema Umweltzerstörung und Naturschutz auf. Aber auch in den verschiedenen Filmprogrammen und bei den Branchentagen wird es um nachhaltiges Produzieren und um die Auseinandersetzung mit Umwelt- und Artenschutz sowie Protestbewegungen gehen.
Zu Beginn geht es dann erstmal an den Strand – nach Kuba, mit dem Roadmovie "Vamos a la Playa" von Bettina Blümner, die vor einigen Jahren mit "Prinzessinnenbad" viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Ihr Eröffnungsfilm sei spannend erzählt, sagt Kräh. "Ein Film, über drei junge Deutsche, die nach Kuba fahren, mit ihren Vorstellungen, Wünschen, Klischees, Projektionen, die da auf eine ganz schön harte Wirklichkeit treffen. Die eine will Sex für Geld, der andere verliebt sich", so Kräh. "In dem Freundeskreis gibt es auch Verstrickungen und Konflikte, die aufbrechen. Aber auch der Umgang mit den Kubanern und Kubanerinnen. Da verhalten die sich schon so, dass man sich ein bisschen schämt."
Im Wettbewerb konkurrieren insgesamt zehn Produktionen um die "New Berlin Film Awards". Allesamt Berlin-Premieren, darunter zwei Weltpremieren, die meisten hochkarätig besetzt. Wer Annette Frier mal ernst sehen will oder Pegah Ferydoni im roten DDR-Kajak auf der Mecklenburgische Seenplatte, der sollte sich das Programm mal näher anschauen.
Insgesamt 75 Filme aus und über Berlin und Brandenburg werden bis zum kommenden Mittwoch (19. April) in neun Kinos präsentiert - immer in Anwesenheit der Filmschaffenden. Im Programm sind Lang- und Kurzfilme, Dokus und Serien.
Denn in keiner anderen deutschen Stadt entstehen so viele wie in Berlin. "Im Spielfilm ist viel Berlin und Brandenburg, viel Deutschland, aber im Dokumentarfilm ist die ganze Welt. Wir haben ganz viele deutsch-afrikanische Biografien hier, ukrainische Biografien", betont Kräh.
Deswegen gibt es auch drei Filme im Programm, die in der Ukraine spielen. "Fortuna Valentyn" begleitet beispielsweise einen jungen Ukrainer von den Maidan-Protesten, bis er sich in der Politik engagiert, bei jener historischen Wahl, bei der Wolodymyr Selenskyj gewinnt.
Oder, im Wettbewerb zu sehen: "Drei Frauen" von Maksym Melnyk. Er hat vom Dorf Stuzhystya gehört. Es liegt in den Karpaten. Auf Ukrainisch bedeutet der Name des Dorfes etwas Kaltes. Er wollte wissen, wer da lebt, wie Kräh sagt. "Das Schöne und auch Charmante an dem Film: Melnyk ist Ukrainer, der in Babelsberg an der Filmuniversität studiert. Er befreundet sich mit den Frauen vor Ort an, vor allem mit einer Frau. Sie schenken ihr ein Schwein zum Abschied."
Beim "Achtung Berlin"-Filmfestival lassen sich die neuesten Trends des jungen Filmschaffens entdecken. Die Palette reicht von unterhaltsam bis künstlerisch anspruchsvoll. Dieser Jahrgang sei erstaunlich nachdenklich, stellt Regina Kräh fest: "Es gibt fast so eine neue Innerlichkeit, die aber auch in so eine magische Erzählweise mündet. Letztes Jahr hatten wir total rebellische Filme, Machtstrukturen niederreißen und so. Und dieses Jahr ist es ein ganz nachdenklicher Film. Es gibt viele Töchter-Mütter-Beziehungen oder es geht um eine Selbstvergewisserung: Wo komme ich her, was ist meine Zukunft?"
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 06:55 Uhr
Beitrag von Corinne Orlowski
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