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Video: rbb24 Abendschau | 31.03.2023 | C. Titze | Quelle: dpa/J. Carstensen

Gerhard-Richter-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie

"Ein ungeheures Geschenk für Berlin"

"100 Werke für Berlin" - unter diesem Titel präsentiert die Neue Nationalgalerie erstmals die Arbeiten, die Gerhard Richter Berlin als Dauerleihgaben überlässt. Im Mittelpunkt steht der "Birkenau"-Zyklus, der auf Fotos von KZ-Häftlingen beruht. Von Marie Kaiser

Wenn über Gerhard Richter gesprochen wird, dann meist in Superlativen: Richter ist einer der größten, der teuersten, der berühmtesten Künstler unserer Zeit. Bei der Präsentation der "100 Werke für Berlin" stellte ihn der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, nicht als deutschen, sondern als "Weltkünstler" vor: "Wenn es einen Künstler gibt, der Weltbedeutung hat, dann ist es Gerhard Richter." Dieser Weltkünstler hat sich entschlossen, Berlin "ein ungeheures Geschenk" zu machen, wie Biesenbach es nennt.

Es geht um insgesamt 100 Arbeiten, die der 91-Jährige nicht für Rekordpreise auf den Kunstmarkt werfen wollte, sondern Berlin großzügig als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. Diese "100 Werke für Berlin", in denen sich die ganze Vielfältigkeit von Gerhard Richter offenbart, präsentiert die Neue Nationalgalerie nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit.

Quelle: dpa/J. Schreiner

"Ein neues Zuhause" für Gerhard Richter

"Gerhard Richter bekommt ein neues Zuhause in Berlin", so emotional drückt es Joachim Jäger, der Leiter der Neuen Nationalgalerie und einer der Kuratoren der Ausstellung aus, die in enger Zusammenarbeit mit Gerhard Richter entstanden ist. Zu sehen sind Foto-Editionen bekannter Gemälde aus den 1960er Jahren wie "Tante Marianne" oder "Onkel Rudi". Ölgemälde, die auf Grundlage von Familienfotos entstanden sind. Um dem direkten Abbild auszuweichen, verwischte der Künstler die noch frische Ölfarbe und erschuf so seine berühmte Technik der Unschärfe.

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Gezeigt werden aber auch viele großformatige und abstrakte Ölgemälde, für die Richter mit dem Rakel Farben aufgetragen, gemischt und dann wieder teilweise abgeschabt hat. Andere Arbeiten hat Richter ausschließlich am Computer erstellt und ausgedruckt. So wie "Strip", das zehn Meter breite Bild, das die Ausstellung eröffnet und sich aus unzähligen dünnen horizontalen Streifen in vielen verschiedenen Farben zusammensetzt - ein Digitaldruck auf Aluminium, mit dem Richter erforscht, wie ein Gemälde im digitalen Zeitalter aussehen kann.

"Das ist das Herausragende an Gerhard Richter, dass er über Jahrzehnte sehr um Malerei ringt und frisch und jung bleibt", so beschreibt es Joachim Jäger. "Es gibt in der Ausstellung Werke aus den letzten Jahren wie '4900 Farben' oder auch 'Strip', da würde man denken, das hat ein junger Künstler oder eine junge Künstlerin gemacht."

In einem recht engen Raum wird der "Birkenau-Zyklus" ausgestellt | Quelle: rbb/M. Kaiser

Das Herzstück der Ausstellung ist der "Birkenau-Zyklus"

Das Herzstück der Ausstellung ist der recht enge Raum, in dem Richters "Birkenau"-Zyklus von 2015 zu sehen ist. In den Ecken hängen vier kleine schwarz-weiß Fotos. Es handelt sich die vier einzigen überlieferten Fotos, die Häftlinge 1944 heimlich im Konzentrationslager in Birkenau gemacht haben und anschließend herausschmuggeln konnten.

Verwackelte Bilder des Grauens - zu erahnen sind die Leichen ermordeter Juden in einem Waldstück und nackte Frauen auf dem Weg in die Gaskammer. Gerhard Richter hat die Fotos zunächst mit Kohle und Ölfarbe auf vier große Leinwände übertragen, dann aber festgestellt, dass er diese Bilder so nicht stehen lassen kann. Nach und nach hat er die figurativen Bilder mit Schwarz, Weiß und Grau übermalt, an manchen Stellen leuchtet es auch Grün und Rot auf.

"Wie gehen wir mit dem Grauen und der Schuld um?"

In der Neuen Nationalgalerie wird den vier "Birkenau"-Bildern ein großer vierteiliger grauer Spiegel gegenübergestellt, in dem sich nicht nur die Gemälde, sondern auch die Besucherinnen und Besucher reflektieren. "Der Spiegel bringt uns und die Gegenwart ins Bild", erklärt Joachim Jäger. "Wir stehen zwischen der Malerei und dem Spiegel und müssen uns selbst damit beschäftigen. Berlin ist eine Stadt, von der sehr viel ausging in den 1930er und 1940er Jahren", so Jäger. "Der Krieg und der Holocaust wurden hier geplant. Ein Werk wie 'Birkenau' stellt jetzt dauerhaft in Berlin die Frage, wie gehen wir mit dem Grauen und der Schuld um?"

Infos im Netz

"100 Werke für Berlin" in der Neuen Nationalgalerie

Mit dem Holocaust und der Frage, wo die Grenzen des Darstellbaren liegen, beschäftigt sich Gerhard Richter schon seit Jahrzehnten. Gerhard Richters "Tante Marianne", auf deren Schoß der vier Monate alte Gerhard Richter in dem weltberühmten Gemälde sitzt, wurde Opfer der NS-Euthanasie. Sie wurde als "Geisteskranke" diagnostiziert, zwangssterilisiert und 1945 ermordet. Richters Gemälde "Herr Heyde" von 1965, das in der Ausstellung als Foto-Edition zu sehen ist, zeigt Werner Heyde, eine der zentralen Figuren bei der Umsetzung des Euthanasieprogramms der Nazis. Dass gerade Arbeiten wie "Tante Marianne", "Herr Heide" oder der "Birkenau"-Zyklus nun in Berlin ein Zuhause gefunden haben und eine dauerhafte Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit ermöglichen, ist in der Tat ein "ungeheures Geschenk" für die Hauptstadt.

Sendung: rbbKultur, 01.04.2023, 10:00 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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