Konzertkritik | Sharon Brauner & "The Goy Boys"
Schauspielerin und Sängerin Sharon Brauner ist seit den 90er Jahren musikalischer Stammgast in der "Bar jeder Vernunft". Am Dienstag ist die Berlinerin dort mit ihrem neuen Musik-Programm aufgetreten - ein sehr persönlicher Abend. Von Magdalena Bienert
"Willkommen hier im Zelt, auf dem schönsten aller Parkdecks in Wilmersdorf…" singt Sharon Brauner als Erstes. Das Eröffnungslied lässt keinen Zweifel daran: hier in der Schaperstraße, unweit vom Zoologischen Garten, ist Sharon Brauner zu Hause. Sie strahlt mit ihren Pailletten um die Wette. Die Abwesenheit von Unglück sei schon Glück, sagt sie und besingt sogleich das Mazel, ein jiddischer Begriff fürs Glück.
Die Ur-Berlinerin kam als Kind zweier Holocaustüberlebender im Westen der Stadt zur Welt und hat nach eigenen Angaben zufolge diesmal die Kernaussage der jiddischen Kultur in ein neues Bühnen-Programm gepackt: "Lache, wenn Dir nach Weinen ist, tanze, wenn Du auf der Stelle trittst, und singe, wenn Dir die Worte fehlen!"
Mit einer energiereichen, aber auch sehr wilden Song-Mischung sorgt die Sängerin nicht nur dank ihres Glitzer-Anzugs und späteren Paillettenkleids genau damit für funkelnde Show-Momente: Ob Udo Jürgens Cover oder weitere bekannten Lieder aber mit jiddischen Texten versehen, ob eigene Kompositionen oder jiddische Lieder ihrer Kindheit - Tango, Jazz, Klezmer und Chanson geben sich an diesem Abend die Klinke in die Hand.
Begleitet wird die Sängerin (übrigens die Nichte des verstorbenen Berliner Filmproduzenten Artur Brauner) dabei von den "Goy Boys". Vermutlich ein Wortspiel, denn Goi bedeutet auf jiddisch soviel wie Nichtjude. Und ihre Boys können was: Klavier, Bass, Trompete und überraschenderweise Beatbox, statt Schlagzeug.
Doch warum Beatboxer Paul Brenning plötzlich "In the Air Tonight" von Phil Collins in diesen Abend einbringt? Keine Ahnung. Vermutlich einfach, weil er es kann. Und das ist vielleicht die einzige Schwachstelle dieses ansonsten zauberhaften Abends: Man sucht den roten Faden vergeblich. Sharon Brauner erzählt viel vom so prägenden Vater, von der Freundschaft zu Rolf Eden oder über ihren ersten Kuss. Das ist mal lustig und interessant, aber auch mal etwas langatmig. Aber okay, es ist ihr, Sharon Brauners Abend, auch noch zu Hause, vor vielen Freunden, wer wollte das kritisieren.
Mit ihrer Stimme, die einen umhüllt, wie eine irre kuschlige Decke an einem kalten Wintertag, könnte Sharon Brauner einem eh alles erzählen und vorsingen. Von daher: an diesem Mittwochaben, gibt es nochmal die Chance sich einwickeln zu lassen: um 20 Uhr in der Bar jeder Vernunft.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.04.2023, 6 Uhr
Beitrag von Magdalena Bienert
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