Jane Austens Klassiker wird im Theater am Potsdamer Platz zu "Stolz und Vorurteil *oder so". Schauspielerin Anna Maria Mühe gibt die widerspenstige Tochter Elizabeth Bennet. Ein schrilles, schräges und überdrehtes Spektakel. Von Silke Mehring
Vor mehr als 200 Jahren hat die britische Schriftstellerin Jane Austen mit ihrem Roman "Stolz und Vorurteil" einen Klassiker der Weltliteratur geschaffen. Verfilmt wurde der Roman schon häufiger, am Sonntagabend aber hat eine ganz besondere Theater-Adaption des Stoffes Premiere gefeiert: "Stolz und Vorurteil *oder so" – so heißt die Interpretation der Schottin Isobel McArthur für die Bühne.
Zu sehen gab es die Premiere im Berliner Theater am Potsdamer Platz, wo die Komödie am Kurfürstendamm gerade logiert. Besonders aufregend war die Premiere für die Berliner Schauspielerin Anna Maria Mühe, die in dem Stück ihr Theater-Debüt gab.
Die Dienstmädchen erzählen
Das Schicksal der fünf Bennet-Töchter scheint vorgezeichnet: Um die Familie vor der Verarmung zu retten, will Mutter Bennet ihre Mädchen meistbietend unter die Haube bringen. Das ist die Ausgangslage. Die Mädchen sind willig - nur Tochter Elizabeth Bennet ist frech, widerspenstig, überaus selbstbewusst – und unkonventionell.
Die Geschichte der Bennet-Töchter und ihrer adligen Verehrer wird auf der Bühne durch raffinierte Kniffe ins 21. Jahrhundert geholt: Es erzählen und spielen die, die in der Literatur wie im Leben unsichtbar blieben: Die Dienstmädchen – ausgestattet mit dem Wissen von heute. Und sie schlüpfen immer wieder auch in die Rollen der Bennet-Töchter. Das heißt: Nur fünf Schauspielerinnen schmeißen sich in Windeseile in wechselnde Kostüme, springen von weiblicher zu männlicher Rolle – und spielen so in rasantem Tempo an die 20 Figuren.
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Mit Inbrunst geschmettert
Das Bühnenbild besteht aus einem würfelförmigen Metallgerüst, fünf großen Kostümkisten, einer Diskokugel und einer Schaukel. Das ist alles. Aber sobald sich der Metallwürfel nur einmal dreht, entsteht durch winzige Veränderungen eine neue Kulisse – mal wird die Bühne unter der glitzernden Diskokugel zum Ballsaal, mal zum Haus der Bennetts vor einer Pergola aus blühenden Pflanzenranken.
Nur wenige Requisiten reichen aus, um Szenen- und Ortswechsel zu signalisieren. So zeigen ein Steckenpferd, ein Ast und ein Laubbläser vor blitzender Licht-Projektion an, dass Tochter Jane durch eine düstere Gewitternacht reitet.
Im temporeichen Bühnen-Spiel ist viel Musik: Schräge Song-Einlagen mit passendem 1980er Jahre-Potpourri machen das Stück zu einer ironischen, fetzigen Pop-Komödie. Da schmettern die Schauspielerinnen mit Inbrunst Liebeslieder von Wham, Chris de Burgh, Chicago und Cyndi Lauper. Als einziger Mann sitzt der Gitarrist mit auf der Bühne.
Bühnen-Neuling Mühe macht sich gut
Tiefgang und Poesie des ursprünglichen Romans lassen sich allenfalls erahnen, aber das macht gar nichts. Dafür liefern sich die Protagonisten witzige Wortgefechte am Stück, dafür ist es einfach trashig komisch, wenn die Bennet-Mutter mit Biegen und Brechen eine Hochzeit herbeizaubern will, die flapsige Tochter Elizabeth auf einen Heiratsantrag aber schlicht mit "Verpiss Dich" antwortet.
Bühnen-Neuling Anna Maria Mühe macht sich gut als schnoddrige Elizabeth Bennet. Meint man ihr die Aufregung anlässlich der ersten Theater-Premiere anfangs noch anzumerken, wird sie im Verlauf zunehmend souveräner in ihrer Rolle. Überhaupt wird man mitgerissen vom Übermut der Figuren – die Schauspielerinnen scheinen sich in der zweiten Hälfte der Aufführung selbst an der irrwitzigen Geschichte zu berauschen.
Das Patriarchat hat keine Chance in dieser feministischen Version von "Stolz und Vorurteil". Es ist die Party der Power-Frauen - ein schrilles, schräges und überdrehtes Spektakel. Dafür gibt es am Ende zu Recht tosenden Applaus und Standing Ovations. Man weiß es nicht, aber es ist gut möglich, dass auch Jane Austen ihren Spaß daran gehabt hätte.