Wilde Möhre und Prærie-Festival fusionieren
Während große Künstler die Hallen füllen, bleiben kleine Veranstaltungen oft leer, haben aber steigende Kosten. Diese gefährliche Dynamik geht auch an der Festivallandschaft in Brandenburg nicht vorbei. Zwei Veranstalter beschreiten nun neue Wege. Von H. Schröder und C. Schrag
Irgendwann Anfang des Jahres, so erinnert er sich, schaute der Festivalveranstalter Alexander Dettke auf die immer höher und höher steigenden Produktionskosten seiner Veranstaltung und dachte: "Das geht so nicht weiter".
Seit zehn Jahren gibt es das Wilde Möhre-Festival in Drebkau in der Nähe von Cottbus. Zuletzt war es pandemiebedingt aufgeteilt auf mehrere Veranstaltungen. Die Wilde Möhre ist kein Rock am Ring, kein Wacken. Es ist ein kleines, feines Festival mit einigen tausend Besuchern. Doch jetzt hatte Alexander Dettke ernsthaft Sorge, den Laden vielleicht zumachen zu müssen.
Die Personalkosten steigen, alles Material zum Bühnenbau wird teurer, Künstler:innen möchten höhere Gagen, dazu die Energiepreisexplosion. Was können wir tun, um die Kosten zu senken, die Ticketpreise zu halten?, fragte er sich. Dettke hörte sich bei anderen Festivalveranstaltern in der Region um. Wie ist die Situation bei euch? Was können wir machen? Bei den Macherinnen und Machern des Prærie Festivals stieß er auf offene Ohren.
Auch das Prærie ist ein eher kleineres, aber mit viel Herzblut gemachtes Festival, ursprünglich aus Brandenburg, genau wie die Wilde Möhre. Auch der Prærie-Booker Maurice Müller kämpfte damit, dass im Vorverkauf lange nicht so viele Karten weggingen, wie im Vorjahr.
Steigende Produktionskosten, weniger Ticketverkäufe. Wie sollte es weitergehen? Man hätte die Preise von 100 auf rund 200 Euro erhöhen müssen, um dem Kostendruck Stand zu halten, sagt Maurice Müller. Das Alternativszenario: "Entweder noch mehr ins Minus rutschen, Privatmittel reinstecken müssen oder sogar über eine Insolvenz nachdenken, weil man die ganzen Kosten nicht halten kann."
Aber die Ticketpreise massiv erhöhen, wie die großen Festivals das machen, würde am Ende nicht funktionieren. Das würde die Klientel nur noch weiter verschrecken, da waren sich beide Veranstalter sicher, sagen sie im Gespräch. Denn bei beiden Festivals geht es nicht um große Stars auf der Bühne. Dafür greifen die Besucher:innen schon mal tiefer in die Tasche. Doch bei der Möhre und dem Prærie-Festival geht es um das Gesamterlebnis. Und das muss bezahlbar bleiben.
Aufgeben wollten die Veranstalter nicht. Schließlich ging es nicht nur um die eigene Existenz. Es ging auch darum, wie die Festivallandschaft in Zukunft aussehen soll. Die aktuelle Entwicklung sorge dafür, dass sich durch den enormen Preisdruck viele kleine, neue Festivals nicht behaupten könnten und nach kurzem Anlauf schon wieder aufgeben, sagt Wilde Möhre-Mitveranstalter Alexander. Große Veranstalter mit ihren Megastars hätten eine ganz andere Preissetzungsmacht. Das Ergebnis: Die Vielfalt der Festivallandschaft werde immer kleiner. Dieser Entwicklung wollte man sich um jeden Preis entgegenstellen.
So kam die Idee auf, dass beide Festivals am selben Ort stattfinden und gemeinsam auf die Beine gestellt werden. Eine enorme Kostenersparnis, sagt Alexander Dettke, alleine schon im Hinblick auf die Infrastruktur.
Und so teilen sich beide Veranstaltungen in diesem Jahr erstmals das gut entwickelte Festivalgelände in Drebkau bei Cottbus, der Stammlocation der Wilden Möhre: Logistik, Infrastruktur, Sanitäranlagen, Garderoben, Personal, Behördengänge, Büro und vieles mehr.
Man müsse sich das vorstellen, wie eine Festival-WG, sagen die Veranstalter, in der Bad und Wohnzimmer zusammen genutzt werden, aber jeder gestalte sein eigenes Zimmer weiter so, wie er möchte. Ein Ort, mehrere Termine, zwei verschiedene Festivals, ein Team dahinter. So könnte man das neue Motto beschreiben.
Das Prærie-Festival zieht dafür im Juli aus dem Mecklenburger Exil nach Drebkau, die Wilde Möhre wurde auf den August gelegt. Wer schon Tickets für eines der beiden Festivals gekauft hat, kann sich aussuchen, auf welches er gehen möchte. Die Veranstalter sind sich jedenfalls sicher: Die Fusion sei für alle Beteiligten ein absoluter Gewinn.
Sendung: Radioeins, 24.05.2023, 13:10 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schrag
Artikel im mobilen Angebot lesen