73. Deutscher Filmpreis
Mit zwölf Nominierungen hat Edward Bergers "Im Westen nichts Neues" größte Chancen bei der Lola-Preisverleihung am Freitag. Doch die Auswahl der Deutschen Filmakademie führte schon vorab zu Kritik. Der Abend könnte spannend werden. Von Ula Brunner
Wirklich überraschend ist es nicht: Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises an diesem Freitagabend in Berlin dominiert der Kriegsfilm "Im Westen nichts Neues" die Nominierungen. In zwölf Kategorien ist die Romanadaption für die Lolas vorgeschlagen, unter anderem als bester Spielfilm, für die beste Regie und die Darstellerrollen (Felix Kammerer und Albrecht Schuch).
Zuvor hatte Edward Bergers Film über Soldaten im Ersten Weltkrieg schon in Hollywood vier Oscars abgeräumt (Bester internationaler Film, Kamera, Filmmusik, Szenenbild). Auch bei den diesjährigen British Academy Film Awards (BAFTA) wurde er vielfach ausgezeichnet.
"Im Westen nichts Neues" ist nach Angaben der Filmakademie die erste Produktion eines Streaming-Anbieters, die für den Deutschen Filmpreis nominiert ist.
Fünf weitere Produktionen sind in der Königskategorie Bester Spielfilm aufgestellt. Das Drama "Das Lehrerzimmer" mit Leonie Benesch in der Hauptrolle kommt auf insgesamt sieben Nominierungen. Regisseur Ilker Çatak erzählt darin vom Streit an einer Schule, der außer Kontrolle gerät. Leonie Bensche wurde in diesem Jahr bereits als Berlinale-Shooting-Star ausgezeichnet und hat auch gute Chancen auf eine Lola als beste Hauptdarstellerin.
"Sonne und Beton" von David Wnendt erzählt eine raue Geschichte über Jugendliche in Berlin-Gropiusstadt, ein Milieu, das man sonst im deutschen Kino selten sieht. Für die Verfilmung seines gleichnamigen autobiografisch geprägten Romans schrieb Autor Felix Lobrecht mit David Wnendt das Drehbuch, dafür sind sie ebenfalls für eine Lola nominiert.
Die Gangsterstory "Rheingold" von Fatih Akin, Ali Abbasis Thriller "Holy Spider" über einen Frauenmörder im Iran und die Verfilmung "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" (Regie: Sonja Heiss) nach einem Buch von Joachim Meyerhoff komplettieren die Kandidaten für den besten Spielfilm.
Fest steht bereits, dass Regisseur Volker Schlöndorff mit dem Ehrenpreis und "Die Schule der magischen Tiere 2" von Sven Unterwaldt als besucherstärkster Film ausgezeichnet werden.
Mit insgesamt drei Millionen Euro sind die Lolas der höchstdotierte Kulturförderpreis, den Deutschland zu vergeben hat. Alleine die Spitzenklasse Bester Spielfilm bringt jeder nominierten Produktion 250.000 Euro. Der Gewinnerfilm bekommt noch einmal die gleiche Summe on top dazu, erhält also eine halbe Million Euro. Auch deswegen führen die Entscheidungen der Filmakademie häufig zu erbitterten Debatten.
Vor der diesjährigen Preisverleihung kritisierte unter anderen die AG Kino, der Verband deutscher Programmkinos, die intransparenten Auswahlpraktiken der Filmakademie. Mit "Im Westen nichts Neues" sei eine originäre Produktion des Streaming-Anbieters Netflix vielfach nominiert worden. Christian Petzolds neuer Kinofilm "Roter Himmel" hingegen, der bei der diesjährigen Berlinale mit dem Großen Preis der Jury geehrt wurde, sei in keiner einzigen Kategorie vertreten.
"Während die Filmfestivals in Berlin und Cannes immer wieder Haltung zeigen und sich klar zum Kinofilm und den unabhängigen Filmschaffenden bekennen, fehlt der Deutschen Filmakademie bei der Vergabe des höchstdotierten deutschen Kulturpreises ein klarer Kompass", so die AG Kino. Regisseur Petzold nannte im Februar in der "B.Z." [www.bz-berlin.de] die Filmakademie "eine Katastrophe" und kritisierte, sie verteile Mittel der kulturellen Filmförderung, "also Geld von uns allen", als privater Verein.
Das Führungsduo der Deutschen Filmakademie, Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, kündigten derweil an, das Wahlverfahren für den Deutschen Filmpreis zu überarbeiten und es dem Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vorzulegen, denn dort liege das letzte Wort.
Derzeit gibt es ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Zunächst trifft eine kleinere Kommission eine Vorauswahl, daraus werden dann die offiziellen Nominierungen bestimmt. Die rund 2.200 Akademiemitglieder können dann über die Gewinnerinnen und Gewinner abstimmen.
Ein weiteres Thema dürfte bei der Lola-Verleihung ebenfalls nicht unerwähnt bleiben: Machtmissbrauch und Arbeitsbedingungen in der Filmbranche. Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Filmbranche hatten in einem "Spiegel"-Bericht anonym Vorwürfe erhoben mit Blick auf mögliche Vorfälle bei Dreharbeiten. Dabei ging es vor allem um den Film "Manta Manta -Zwoter Teil" von Regisseur Til Schweiger. Von einem "Klima der Angst" war die Rede. Nun will die Produktionsfirma Constantin mögliche Vorfälle am Set aufklären lassen. Es sei "unumgänglich, dass wir das Thema Machtmissbrauch in der Kulturbranche offen und gemeinsam angehen", sagte Constantin-Chef Martin Moszkowicz der "FAZ" [Artikel hinter Bezahlschranke].
Die Deutsche Filmakademie hat sich zum Ziel gesetzt, den deutschen Kinofilm zu fördern, "sich für den Filmnachwuchs einzusetzen sowie sich film- und gesellschaftspolitisch zu engagieren". Man darf also gespannt sein, wie sich der Verband auch zu diesen Vorwürfen bei der Gala im Theater am Potsdamer Platz positioniert.
Für Diskussionsstoff werden bei dieser 73. Filmpreis-Verleihung wohl nicht nur die Lolas sorgen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 12.05.2023, 19:30 Uhr
"Holy Spider" (Produzenten: Sol Bondy, Jacob Jarek)
"Im Westen nichts Neues" (Produzent: Malte Grunert)
"Das Lehrerzimmer" (Produzent: Ingo Fliess)
"Rheingold" (Produzenten: Nurhan Şekerci-Porst, Fatih Akin, Herman Weigel)
"Sonne und Beton" (Produzenten: Fabian Gasmia, David Wnendt)
"Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" (Produzent:innen: Janine Jackowski, Jonas Dornbach, Maren Ade)
Beitrag von Ula Brunner
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