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Audio: Fritz | 15.06.2023 | Interview mit Jeremie Tille | Quelle: rbb

Interview | Organisator CSD Prignitz

"Auf dem Berliner CSD ist mir der politische Teil zu kurz gekommen"

Nach großem Zulauf bei dem ersten Christopher Street Day (CSD) in der Prignitz 2022 soll es in diesem Jahr einen nächsten geben. Die Organisatoren veranstalten am 17. Juni in Wittenberge eine große Kundgebung mit Demo-Zug durch die Stadt.

rbb: Letztes Jahr haben etwa 1.000 Leute gemeinsam beim Christopher Street Day in der Prignitz gefeiert. Was geht in diesem Jahr in Wittenberge?

Jeremie Tille: Ich freue mich wahnsinnig, dass es auch in diesem Jahr wieder einen CSD in der Prignitz geben wird. Eigentlich ist alles ähnlich wie im letzten Jahr. Dennoch, finde ich, haben wir uns in diesem Jahr noch ein bisschen mehr selbst übertroffen. Wir haben einen riesengroßen Paradetag in diesem Jahr – und wir haben noch mehr Künstler auf unserer Showbühne.

Zur Person

Jeremie Tille

Welche Künstler werden erwartet?

Wir dürfen uns freuen auf Micaela Schäfer, Julian FM Stöckel, Lars Tönsfeuerborn und Davin Herbrüggen und noch viele, viele mehr aus Berlin und sogar international. Es kommen auch Künstler aus Mallorca. Ich freue mich richtig drauf.

Gehen Sie selbst auch auf den Berliner Christopher Street Day?

Ich war tatsächlich da, muss aber sagen, dass ich ein wenig enttäuscht war. Auf dem Berliner CSD ist mir der politische Teil zu kurz gekommen. Das hat mir einfach gefehlt. Ich weiß nicht, ob ich in den nächsten Jahren noch dabei sein werde.

Was unterscheidet Ihren CSD von dem in Berlin?

Ich glaube, es ist der politische Teil, der in Berlin oft untergeht. Für mich ist Berlin eine riesengroße Party - und das ist der CSD in der Prignitz eben nicht. Er ist auch eine Party – klar, feiern wir auch unsere Erfolge und uns und sind stolz. Aber wir haben eben auch einen großen Teil an politischen Reden, an Statements, an Interviews.

Kooperieren die CSDs in Brandenburg - also beispielsweise Sie, Potsdam und Cottbus - miteinander?

Wir haben regelmäßige Treffen organisiert vom CSD Deutschland e. V. Da treffen wir alle aufeinander. Aber ich würde sagen, wir kooperieren wenig mit den anderen. Ich finde das aber nicht weiter schlimm.

Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit Kommunen?

Die Organisation beispielsweise mit der Stadt Wittenberge und auch mit dem Landkreis Prignitz funktioniert einwandfrei. Und wir sind da sehr, sehr dankbar, dass wir dort so gute Rückendeckung bekommen und die Stadt auch hinter uns steht.

Es ist ja immer wieder zu hören, dass es in Berlin nicht immer leicht ist als queere Personen auf den Straßen. Wie ist es in der Prignitz?

Ich glaube, dass es in der Prignitz noch zehnmal schwerer ist als in Berlin. Ich glaube schon, dass ich in Berlin mit einen Pelzmantel durch die City laufen kann - in der Prignitz eben nicht. Hier findet Diskriminierung oft an Schulen statt, am Arbeitsplatz, aber auch eben auf offener Straße. Da reicht es, einfach in der Öffentlichkeit zu stehen, so wie ich. Da werden einem Sachen hinterhergerufen, das reicht dann oft schon aus.

Queere Veranstaltung an der Grenze

Etwa 150 Menschen demonstrieren beim ersten deutsch-polnischen CSD des Jahres

Sie haben gerade gesagt, dass queer sein in einer Großstadt ein bisschen "normaler" ist und nicht so sehr für Aufmerksamkeit sorgt. Ist das vielleicht auch ein Grund, warum viele Richtung Stadt ziehen wollen?

Ich glaube schon, dass es – wie gesagt – in Großstätdten einfacher ist. Ich verlasse zum Beispiel in diesem Jahr auch die Prignitz und ziehe in eine größere Stadt. Ich glaube, das hat auch tatsächlich etwas mit der Partnersuche hier in einer ländlichen Region zu tun. Es ist natürlich für homosexuelle Menschen schwieriger, Partner zu finden.

Die Prignitz schmeißt nun den zweiten CSD in Wittenberge. Am Samstag um 12 Uhr geht es los mit der Demo. Wer die queere Community in der Prignitz unterstützen will: auf nach Wittenberge. Warum sollten alle kommen?

Damit wir zusammen einen wunderbaren CSD feiern können. Damit alle die prominenten Persönlichkeiten hautnah erleben können - und damit wir auch klar ein Statement setzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führten Tolga Akar und Laura Fliegenschmidt, Fritz

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.06.2023, 08:30 Uhr

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