Konzertkritik | Lang Lang in der Berliner Philharmonie
In der Berliner Philharmonie hat der chinesische Pianist Lang Lang am Dienstag Beethoven gespielt - und Lieder aus der "Muppet-Show". Im ausverkauften Großen Saal erlebten die Zuhörer beide Male Weltklasse-Niveau. Von Hans Ackermann
Zum Auftakt des Konzertabends im Großen Saal der Berliner Philharmonie spielt das Mahler-Chamber-Orchestra unter der Leitung von Andris Nelsons die "Coriolan-Ouvertüre" von Ludwig van Beethoven. Danach gehört die Bühne dem chinesischen Superstar des Klaviers: Lang Lang.
Vor genau 20 Jahren debütierte der bald 41-jährige Pianist in der New Yorker Carnegie-Hall. Unterstützt von Dirigenten wie Christoph Eschenbach oder Daniel Barenboim legte der in Shenyang geborene Lang Lang eine beispiellose Karriere hin - mit Auftritten bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Peking oder bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama 2009 in Oslo.
An diesem Dienstagabend aber muß Lang Lang erst einmal gut drei Minuten warten, bis er seinen ersten Einsatz als Solist in Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 hat. Konzentriert hört er dabei dem Orchestervorspiel zu, schaut von seiner Klavierbank hinauf zu den Bläsern, läßt den Blick auch über Geigen, Bratschen und Celli schweifen und wiegt den Kopf musikalisch hin und her. Irgendwann dreht sich Dirigent Andris Nelsons dann leicht nach links zum Solisten hinter ihm - und Lang Lang, der nun seine Arme kurz in die Höhe streckt, damit die Ärmel seiner schwarzen Anzugjacke entschlossen zurückstreift, greift kraftvoll in die Tasten.
Es sind solche kleinen visuellen Momente, die ein Konzert mit Lang Lang zum Erlebnis machen. Eine perfekte, nie übertriebene Dramatik, mit der er sein perfektes, aber nie mechanisches Klavierspiel in Szene setzt. Keine große Show, sondern ein schönes Schauspiel- mit einer grandiosen Solokadenz am Ende des ersten Satzes. Und spätestens hier wird klar: Lang Lang ist zurück, hat die medizinischen Probleme mit der linken Hand, die vor einigen Jahren zu einer Zwangspause geführt haben, endgültig und hoffentlich für alle Zeiten auskuriert.
Wer an diesem ausverkauften Abend auch noch besonderes Glück bei der Platzwahl hat, kann im Saal gleich zwei Weltklasse-Pianisten beobachten: Lang Lang bei der Arbeit auf dem Podium und Igor Levit. Letzterer sitzt im Publikum und beugt sich beim langsamen Satz des Konzertes ganz weit vor. Sitzt buchstäblich "auf der Stuhlkante", um zu verfolgen, wie sein Kollege dieses Largo gestaltet. Levit erlebt - wie alle im Saal - größte Hingabe und eine äußerst fein abgestufte Dynamik. Lang Lang beherrscht ein Pianissimo, das seinesgleichen sucht, er kann im nächsten Moment aber mit seiner linken Hand den Flügel mit tief-donnernden Tönen auch fast zum Bersten bringen.
Lang Lang spielt in der Berliner Philharmonie ein Klavierkonzert von Beethoven, hat vor zwei Jahren in der Leipziger Thomaskirche Johann Sebastian Bachs "Goldberg-Variationen" aufgenommen - ist jetzt im Juli in der Berliner Waldbühne aber auch mit seinem "Disney Book" zu erleben: Variationen über berühmte Filmmusik-Themen aus "Pinocchio", "Cinderella" oder aus dem "Dschungelbuch", darunter eine rasante Paraphrase über den guten alten Bären-Song "Versuch’s mal mit Gemütlichkeit".
Lang Lang erweist sich auch schon an diesem Abend als Tausendsassa mit weitem musikalischen Horizont, wenn er nach stehenden Ovationen für seinen Beethoven-Vortrag mit dem "Glücksregenbogen" aus der "Muppet-Show" einen modernen Klassiker aus dem Disney-Programm anstimmt. Musik, die er am 22. Juli unter freiem Himmel in der Berliner Waldbühne in voller Länge aufführen wird. Begleitet vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin in einer Arena, die eigentlich auch groß genug sein sollte, um dann auch sämtliche Fans des Pianisten aufzunehmen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.06.2023, 6 Uhr
Beitrag von Hans Ackermann
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