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Interview | Selma Selman im Hamburger Bahnhof
Zerlegte Autowracks und ausgeweidete Schrotteile: Die neue Installation von Selma Selman kommt nicht gefällig daher. Die Künstlerin thematisiert mit ihrer Arbeit auch den Alltag ihrer Familie in Bosnien-Herzegowina – und macht ihn damit sichtbar.
rbb24: Was bedeutet es für Sie, Teil der neuen Ausstellung im Hamburger Bahnhof zu sein?
Selma Selman: Es bedeutet mir viel. Vor allem, weil es meine neue Arbeit ist und sie hier zweieinhalb Jahre zu sehen sein wird. Die Idee für "Platinum" kommt aus meinem Dorf, dort, wo ich aufgewachsen bin. Sie kommt von dem Leben meines Vaters und meines Bruders und meiner ganzen Familie. Und jetzt wird es in diesem wunderschönen Gebäude präsentiert, das so ungefähr das Gegenteil meines Dorfes ist.
Worum genau geht es bei den Autowracks, die ausgestellt sind?
Die Autos, die wir zuhause hatten, von denen mein Vater das Metall verkauft hat, benutze ich jetzt als meine Skulpturen. Da vermischen sich zwei Lebenswelten. Das, was mein Vater in seinem Dorf macht, landet jetzt im Museum. Das Schöne daran: diese Arbeit, die so wenig respektiert wird, wird nun in einer der privilegiertesten Gesellschaften anerkannt.
Was inspiriert Ihre Arbeit?
Ich bin irgendwie inspiriert von nicht-inspirierenden Dingen. Das heißt, kleine Details oder Worte. Es reicht schon, wenn jemand ein paar Worte sagt - und schon kreiere ich eine Idee. Ich frage mich: Was bedeutet das für mich? Meine Werke und Ideen kommen aus dem alltäglichen Leben.
Geht es in Ihren Arbeiten um Identität?
Ich würde meine Arbeit nicht in eine einzige Kategorie stecken, die sich nur mit Identität beschäftigt. Ich denke, meine Arbeit hat so viele Schichten, es geht um so viele Dinge. Ich gebe keine Antworten. Ich bin hier, um Fragen zu stellen. Ich mag es, wenn Leute in meine Ausstellung kommen und sie diejenigen sind, die die Antworten geben.
Aber Sie beschäftigen sich in Ihren Arbeiten auch mit Ihrer Herkunft als Roma – jedoch ohne sie zu nennen. Ist der Rassismus gegen Sinti und Roma etwas, das Sie mit Ihrer Arbeit bekämpfen wollen?
Ich habe nie versteckt, dass ich eine Roma bin. Warum sollte ich? Aber ich bin zuerst Künstlerin - und erst danach alles andere. Wenn ich über Kunst spreche, spreche ich nicht vor dem Hintergrund, dass ich Roma bin. Ich spreche aus der künstlerischen Perspektive. Ich denke, das ist etwas, was Menschen verstehen sollten, sie sollten mich als Künstlerin sehen. Aber ich fliehe nicht vor meiner Identität als Roma. Es ist eines meiner Instrumente, mit denen ich meine Kunst mache.
In Ihrer jetzigen Arbeit geht es um Ihren Vater. In der Vergangenheit haben Sie auch schon Ihre Mutter zum Thema gemacht. Was war das Wichtigste, was Ihre Mutter Ihnen mitgegeben hat?
Meine Mutter ist eine sehr ruhige Frau und sie hat ein großes Herz. Allein die Tatsache, dass sie mich irgendwie beschützt hat, dass sie mir beigebracht hat, eine unabhängige Frau zu werden und nicht so zu sein wie sie, war für mich genug.
Nicht so zu sein wie sie, das klingt irgendwie traurig.
Ich finde nicht, dass es traurig ist. Für mich ist das sehr heldenhaft. Sie ist eine heldenhafte Mutter und sie hatte ein Ziel im Leben: Dass ich mehr aus mir machen sollte, als nur einen Mann und Kinder zu haben und auf andere Menschen zu hören. Sie wollte, dass ich auf mich selbst höre. Und das habe ich gemacht.
Das Interview führte Petra Dorrmann. Übersetzung aus dem Englischen von Marie Röder.
Sendung: rbb Kultur, 17.06.2023, 18:30 Uhr
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