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Audio: rbb radioeins | 12.06.2023 | Michael Hoelzen | Quelle: rbb

Frühkritik | T.C. Boyle liest aus "Blue Skies"

Viel Spaß mit einem Weltuntergangsszenario

Blauer Himmel - das ist eine Art Sommersignal, verbunden mit Draußensitzen und langen Abenden mit Freunden. In T.C. Boyles "Blue Skies" künden die fehlenden Wolken von einer tödlichen Gefahr: von ausbleibenden Niederschlägen, Dürren, Ernteausfällen und Artensterben. Von Michael Hoelzen

Bereits die Anreise für seine Lesung im Großen Sendesaal des rbb hätte Teil seines neuesten Werks sein können: T.C. Boyle kam dafür aus New York. Dort aber waren die Flughäfen wegen dichten Rauchs zeitweise geschlossen und sein Flug führte dann über den Nordpol, weil es in Kanada immer noch brannte.

T.C. Boyle lebt in Kalifornien, dort ist er schon seit Jahren der tödlichen Gefahr massiver Waldbrände ausgesetzt. Dass es jetzt auch in Kanada brennt, kommentierte der Schriftsteller auf seiner Lesung nun sehr sarkastisch: "Kalifornien war schon immer Trendsetter: Lasst uns alles abfackeln!"

Willy beißt zu

"Blue Skies" entfaltet das Drama des Klimawandels als emotionales, familiäres Kammerspiel. Wir lernen die Familie der "Rivers" kennen, die Eltern Ottilie und Frank, die erwachsenen Kinder Cooper und Cat.

Tochter Cat hat nur einen Traum: Sie will eine einflussreiche Influencerin werden. Dafür besorgt sie sich – denn das verspricht gute Bilder und eine Menge Aufmerksamkeit – eine Riesenschlange, eine burmesische Tigerpython, und nennt sie liebevoll Willy. Sie hängt sich Willy um den Hals und posiert damit wie mit einer Feder-Boa in einer belebten Bar. Leider bescheidet Willy sich nicht mit der Rolle als Schmuckstück, verbeißt sich stattdessen in Cat’s Arm und nur mit Mühe gelingt es ihr, die Situation wieder zu entschärfen.

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Ebenso gefährlich wie Schlangen? – Zecken!

Für Boyle steht diese Episode des Romans für unsere Blindheit anderen Lebewesen und deren Bedürfnissen gegenüber, allerdings verzichtet er wie immer ganz bewusst auf den erhobenen Zeigefinger, arbeitet lieber mit sehr viel schwarzem Humor.

Cats Bruder Cooper arbeitet als Insektenforscher, aber auch sein Arbeitsfeld macht es ihm nicht unbedingt leichter, ein Verständnis für die Natur zu entwickeln: "Man beginnt mit einer Lebensform, die ihre Nahrung durch Photosynthese gewinnt, und schon hat man eine Nische für etwas, das diese Lebensform frisst, und das wiederum erzeugt eine Nische für etwas, dass die zweite Lebensform frisst, und irgendwann kommen die Parasiten und schließen den Kreis. Die Evolution in ihrer ganzen Herrlichkeit." Ausgerechnet der Biss einer Zecke - seinem Lieblingsforschungsobjekt - kostet Cooper fast das Leben.

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Mutter Ottilie scheitert mit den Insekten

Und auch die ökologisch denkende Mutter Ottilie scheitert mit ihren Bemühungen bei der Insektenzucht. Eigentlich will sie mit den Krabbeltieren eigene Lebensmittel herstellen und experimentiert dafür mit Cookies und Brownies aus Grillenmehl. Bei der Aufzucht der Tiere stößt sie aber immer wieder auf schier unüberwindbare Probleme.

Boyle ergänzt diese Episode mit eigenen Erfahrungen: "Ich hatte mal das Glück, sehr eng mit Insektenforschern zusammenarbeiten zu dürfen, da haben wir auch Burger aus Insekten Zutaten gegessen. Das Problem ist: Man bekommt davon Mundgeruch, der dann auch nach Insekten riecht!"

Die Katastrophe – nachvollziehbar beschrieben

Es reiht sich Katastrophe an Katastrophe im Leben der Rivers und damit drückt T.C. Boyle auch ganz konkret seine Weltsicht aus, die er bei der Lesung im Gespräch mit Thomas Böhm so formuliert: "Wir sind nur eine Spezies von vielen, und warum soll es nicht auch uns irgendwann mal erwischen?"

Mit "Blue Skies" hat T.C. Boyle ein sehr unterhaltsames Weltuntergangsszenario geschaffen, das uns nichts erspart und auch wenig Hoffnung macht. Aber selten ist die Klimakatastrophe und unser hilfloser Umgang mit ihr emotionaler und nachvollziehbarer beschrieben worden und macht außerdem noch sehr viel Spaß beim Lesen.

Sendung: 11.06.2023, Radioeins, 18 Uhr

Beitrag von Michael Hoelzen

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