rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Audio: rbb24 Inforadio | 07.07.2023 | rbb kultur | Quelle: dpa/Alamode Film

Interview | Weltbekannter Graffiti-Künstler

"Banksy sagte mir noch, dass er wieder zurückkommen werde nach Berlin"

Vermutungen über die Identität des weltbekannten Graffiti-Künstlers Banksy gibt es viele. Vor 20 Jahren traf die junge Journalistin Mia Raben ihn persönlich in Berlin. Im Interview erinnert sie sich an einen zugänglichen und freundlichen Menschen.

rbb|24: Frau Raben, seit Jahrzehnten rätselt die Welt, wer Banksy ist. Ihnen hat er sich dabei schon längst zu erkennen gegeben. Im Podcast "Banksy - Rebellion oder Kitsch?" [ardaudiothek.de] wird nun auch die Geschichte Ihres Treffens erzählt - wie Sie als Praktikantin einen damals bekannten, später dann sogar weltbekannten Graffiti-Künstler begleitet haben. Was glauben Sie, warum hatten ausgerechnet Sie das Glück, ihn zu treffen?

Zur Person

Mia Raben: Weil ich das Vertrauen der Graffiti-Szene hatte. Ich war damals Volontärin an der Berliner Journalistenschule und habe ein Praktikum beim "Tagesspiegel" gemacht. Ich brauchte ein Thema für meinen ersten Artikel dort und 2003 fing es allmählich an, dass Banksy bekannt wurde. Ich hatte gute Freunde in der deutschen Graffiti-Szene. Einer von ihnen war ein angesehener Sprayer und kannte schon lange Zeit einen Sprayer in London - einen engen Freund von Banksy. So kam die Verbindung zustande. Nur durch sein Wort, dass ich okay bin, hat Banksy sich wahrscheinlich überhaupt mit mir abgegeben.

Sie haben sogar einen ganzen Tag mit Banksy in Berlin verbracht. War Ihnen damals klar, dass ein persönliches Treffen mit Banksy eine besondere Ehre war?

Ja, schon. Er hatte damals schon einen gewissen Fame. Ich habe ihn im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg getroffen. Er hat dort im Sommer 2003 bei der Graffiti-Gruppenausstellung "Backjumps - The Live Issue" ausgestellt und an die Wand gesprayt. Die Organisatoren und Graffiti-Artists der Ausstellung wussten, dass Banksy seine Anonymität wahren möchte. Aber in der Graffiti-Szene gehörte das damals sowieso dazu, dass niemand verraten hat, wer wer ist, weil ja alle eine Strafverfolgung fürchten mussten.

Wie lief das Zusammenkommen mit Banksy ab?

Im Bethanien lief das über zwei Leute, die ihm Bescheid gegeben haben, dann stand er plötzlich vor mir. Ein Mann, damals um die 30. Er hat gleich gesagt, ich solle bitte nicht sein Aussehen beschreiben - das war ihm ganz wichtig. Und dann durfte ich den Tag mit ihm verbringen.

Wie haben die anderen Graffiti-KünstlerInnen auf Banksy reagiert?

Die haben ihn lieber in Ruhe gelassen, wollten nicht den beginnenden Hype um diesen Menschen anfachen. Einige internationale Graffiti-Künstler haben ihn allerdings damals schon etwas kritisch betrachtet, à la "Naja, so toll ist der doch gar nicht". Ich weiß nicht, ob das Neid war oder der Vorwurf, den es damals schon gab, dass Banksy Schuld ist am Ausverkauf der Subkultur. Oder ob sie wirklich fanden, dass Banksy nicht so viel draufhatte.

Was haben Sie an dem Tag mit Banksy erlebt?

Am Anfang hat er mir erstmal die Ausstellung gezeigt und ich habe ganz fleißig in meinen Notizblock geschrieben. Danach wollte er noch eine Ausstellung von japanischen Street Artists in Mitte anschauen. Dorthin sind wir in der U-Bahn gefahren. Und da ist noch etwas Witziges passiert: Er hat gesagt, dass seine Hose rutscht, und mich gebeten, dass ich ihm meinen Gürtel schenke. Das war so ein roter billiger Gürtel. Das habe ich dann auch gemacht.

Tausende Fälle auch in der Region

Bahn beklagt Millionenschaden durch Graffiti an Zügen

Billig, für ihn aber wichtig: Mit rutschender Hose hätte er eine seiner illegalen Aktionen nicht starten können. Geplant hatte er ein Graffiti im Berliner Elefantengehege. Die Aktion war ein Flopp. Wie ist er mit der Niederlage umgegangen?

Ich habe ihn danach in Kreuzberg getroffen - da hatte er keine gute Laune. Die Zoo-Aktion war gescheitert - er konnte sein Kunstwerk nicht fertig sprayen. Genau 65 Sekunden hatte es wohl gedauert, bis der Nachtwächter kam. Banksy sagte, er habe etwas von "Polisai" gesagt. Dann ist er mit seinem Freund, mit dem er die Aktion zusammen durchziehen wollte, schnell abgehauen.

Banksy sagte aber noch zu mir, dass er wieder nach Berlin zurückkommen werde. Soweit bekannt, ist er dann aber wohl doch nie wieder nach Berlin zum Sprayen zurückgekehrt, und mittlerweile sind die Ratten, die er während der Zeit der Ausstellung illegal in den Straßen von Berlin gesprayt hatte, schon lange übermalt.

Banksys Aussehen haben Sie aber dann doch beschrieben. Einen silbernen Ohrring haben Sie erwähnt und eine Goldkette, die Sie in der Vermutung bestätigt hat, dass er in einem Arbeiterviertel in Bristol aufgewachsen ist.

Ich weiß noch, dass ich mich damals beim Schreiben des Artikels dauernd gefragt habe: "Was ist okay, was ist nicht mehr okay zu beschreiben?"

Wenn Sie also auch 20 Jahre später Ihr Versprechen halten und nicht sagen, wer Banksy ist und wie er aussah - verraten Sie vielleicht doch, wie er charakterlich so kurz vor dem ganz großen Fame und Hype war?

"Happy Go Lucky"-Hostel in Berlin-Charlottenburg

Diese Geschichte und Interessen stehen hinter der bunten Smiley-Fassade

Seit Jahren streiten sich Bezirksamt und der Eigentümer des "Happy Go Lucky" Hostels über seine bunt gestrichene Fassade. Grau soll sie werden, urteilte jetzt ein Gericht. Doch bisher hat niemand zum Pinsel gegriffen. Von Bernadette Huber

Er war ein ganz typischer Graffiti-Sprayer für die Zeit damals. Einer, der das Ethos der Szene hochgehalten hat, den Zusammenhalt - und der systemfremd war irgendwie. Es war Teil seiner ganzen Aura, dass er so sein eigenes Ding macht. Aber an sich so im Umgang war er total nett, zugänglich und freundlich.

War dieser Artikel für Sie ein Wendepunkt in Ihrer Karriere?

Nur, weil ich meinen ersten Artikel im Lokalteil im "Tagesspiegel" veröffentlichen durfte. Das hat mir damals als junge Journalistin Selbstbewusstsein gegeben. Dafür bin ich Banksy dankbar. Danach bin ich nach Polen gegangen, habe über Polen geschrieben und hatte mit Graffitis eigentlich gar nicht mehr viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ortrun Schütz.

Hintergrund zu Banksy

Sendung: radioeins, 7.7.2023, 9:10 Uhr

Beitrag von Ortrun Schütz

Artikel im mobilen Angebot lesen