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Audio: rbb24 Inforadio | 06.07.2023 | Marie Kaiser | Quelle: dpa/J. Kalaene

Ausstellung | Eva Fàbregas im Hamburger Bahnhof

Diese Kunst besteht aus reiner Luft

Nicht nur Marmor oder Granit - auch Luft kann zu einem Material werden, aus dem sich Skulpturen formen lassen. Das zeigt die spanische Künstlerin Eva Fàbregas mit ihrer beeindruckenden Installation "Devouring Lovers". Von Marie Kaiser

In lieblichen Pastellfarben wie Orange, Rosa, Gelb und Flieder kommen sie daher. Die wunderlichen Wesen, die Eva Fàbregas aus dehnbarem Lycra-Stoff genäht hat. Doch die weichen Stoffgebilde, die sich auf dem Boden, an den Wänden und sogar bis unter die Decke schlängeln, haben eindeutig die Herrschaft im Hamburger Bahnhof übernommen. Sie sind riesengroß, beulen sich kugelrund aus und erinnern an vollkommen überdimensionierte Organe.

Der Bahnhofshalle mit ihrem Skelett aus imposanten Stahlträgern setzt die Künstlerin pure Weichheit entgegen. Sie geht wirklich in einen Dialog mit dem Gebäude ein, erweckt es zum Leben. "Ich habe mir diese Halle als Gebärmutter oder Bauch des Gebäudes vorgestellt und mich gefragt: in welchem Rhythmus würde die Architektur atmen, wenn sie einen Atem hätte? Wie und was würde sie verdauen?", erklärt Eva Fàbregas im Interview mit rbb|24.

So ist es nur konsequent, dass die Künstlerin ihre Wesen auch mit kleinen Motoren animiert hat. So scheinen sie wirklich zu atmen und zu verdauen und erbeben dabei wie Wackelpudding.

Quelle: dpa/J. Kalaene

Im Hamburger Bahnhof wuchert ein Tumor

Durch ihre organische Form und ihre rosa und orange Farbe haben die etwa 70 Skulpturen etwas sehr Fleischliches und auch sehr Verführerisches. Was ja schon der Titel der Installation "Devouring Lovers" nahe legt. Vielleicht sehen wir hier Liebende, die sich am liebsten gegenseitig auffressen wollen? Am liebsten möchte ich sie anfassen, doch das ist nicht erlaubt. Gerade durch dieses Berührungsverbot wächst das Verlangen nur umso mehr, sich in die Stoffskulpturen hinein zu kuscheln.

Doch diese Wesen strahlen auch etwas Beunruhigendes aus. So als müsse, wer sich ihnen zu sehr nähert, immer damit rechnen, selbst verschluckt werden. "Ich habe eine große Leidenschaft für Science-Fiction", bekennt Eva Fàbregas. "In dieser Installation steckt auch die Idee eines unkontrollierbaren Wachstums. Ein außerirdisches Wesen, das sich hier vermehrt. Oder ein Wesen, das wild vor sich hin wuchert. Als wäre das Gebäude selbst von einer Infektionskrankheit oder einem Tumor befallen".

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Kunst braucht Geheimnis und Magie

Eins steht fest: Eva Fàbregas "Devouring Lovers" ist eine Ausstellung, die nicht unseren Verstand, sondern unser Unterbewusstes anspricht, die sich nur intuitiv verstehen lässt. Doch was verbirgt sich eigentlich unter dieser Haut aus Lycra dieser unheimlichen Wesen? Aus den Zutaten ihrer Kunst macht Eva Fàbregas kein Geheimnis: "Diese Skulpturen bestehen im Grunde aus reiner Luft. Ich sage immer, da sind aufblasbare Bälle drin. Aber ich würde diese Bälle selbst nie zeigen. Denn Kunst braucht auch immer ein bisschen Geheimnis und Magie."

Doch diese Magie herzustellen, gelang der Künstlerin nicht mit einem Zaubertrick, sondern war ein körperlicher Kraftakt. Fünf Wochen lang war ein Team von fünfzehn Mitarbeitern um Künstlerin damit beschäftigt, Lycrahüllen zu nähen, unterschiedlich große Bälle aufzupumpen und in diese Stoffschlangen zu pressen. "Auch wenn Luft ein sehr leichtes Material zu sein scheint, waren die Bälle am Ende sehr schwer. Es war wie ein Workout, wir haben teilweise acht Stunden am Tag Bälle aufgepumpt und sie in die Stoffhüllen gestopft", erklärt Eva Fàbregas.

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Für mich sind die Skulpturen wie Kinder

Als Jugendliche hat Eva Fàbregas im Chor gesungen und am eigenen Leib die Erfahrung gemacht, dass Luft ein Material ist, dass sich formen lässt. "Ich habe damals auch verstanden, dass Atmen und Sprechen einander ähnlicher sind, als wir das oft denken. Beim Atmen formen wir die Luft mit Hilfe unserer Lungen. Auch beim Sprechen geht es darum, die Luft mit unseren Mündern und Zungen zu modellieren wie ein Bildhauer eine Skulptur. Deswegen war meine Überlegung, dass das Atmen eine vorsprachliche Form der Kommunikation ist, die uns mit nichtmenschlichen Lebensformen verbinden könnte." Während der Arbeit an der Ausstellung hat die Künstlerin selbst eine sehr enge Verbindung zu ihren Stoffskulpturen entwickelt. "Das sind meine Kreaturen, ich hänge sehr an ihnen. Aber wenn ich sie geformt habe, dann beginnen sie ein Eigenleben zu führen. Für mich sind sie wie Kinder."

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2023, 6.00 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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