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Techno-Parade in Berlin

Der Rave hängt durch

Auch drei Tage vor der zweiten Auflage von "Rave the Planet" in Berlin ist völlig unklar, ob die Techno-Parade am Samstag wirklich durch die Stadt ziehen wird. Einen privaten Sanitätsdienst könnten sich die Veranstalter aktuell nicht leisten. Von John Hennig

"Die Zeit wird immer knapper. Das macht natürlich alle Lösungswege nicht einfacher, eher schwieriger", sagt Timm Zeiss. Drei Tage bleiben ihm und dem Organisations-Team von "Rave the Planet" um den Love-Parade-Erfinder Dr. Motte noch, die zweite Auflage der neuen Techno-Parade in Berlin zu sichern.

Hinter Zeiss liegen drei Tage, in denen der Rave schon vorab ordentlich zu wackeln begann. "Rave the Planet" fehlt ein Sanitätsdienst, um den Sicherheitsanforderungen an eine Großveranstaltung mit angemeldeten 300.000 Menschen gerecht zu werden.

Techno-Parade in Berlin

"Rave the Planet" droht auszufallen - weil Sanitätsdienst fehlt

Die Techno-Parade "Rave the Planet" soll am Samstag stattfinden. Ob sie das wirklich kann, ist unklar. Die Veranstalter haben eigenen Aussagen zufolge keinen Sanitätsdienst finden können. Die Malteser seien kurzfristig abgesprungen.

Privater Sanitätsdienst übersteigt Budget

Weil sich die Veranstalter mit den ehrenamtlich tätigen Hilfsorganisationen wie den Maltesern, Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz nicht einigen konnten, müsste "Rave the Planet" nun einen privaten kommerziellen Sanitätsdienst bezahlen.

"Momentan sind wir dazu wirtschaftlich definitiv nicht in der Lage", sagt Zeiss deutlich. Dienstleister würden zur Verfügung stehen und man habe Angebote eingeholt. Die würden alle im Bereich von etwa 250.000 Euro liegen - bei einer kompletten Abdeckung der Veranstaltung. Dabei hat "Rave the Planet" für die gesamte Organisation mit einem Budget von 100.000 Euro geplant, nicht ganz die Hälfte davon für den Sanitätsdienst.

Die Veranstalter geben sich trotzdem kämpferisch. Einerseits haben sie eine Funding-Aktion gestartet, bei der in den ersten 20 Stunden aber gerade einmal rund 10.000 Euro zusammen gekommen sind. Laut Zeiss hat "Rave the Planet" insgesamt 30.000 Euro Spenden beisammen.

Andererseits bemüht das "Rave the Planet"-Team auch noch den Rechtsweg. Mit einem Eilantrag will es sich gegen Auflagen der Versammlungsbehörde wehren, einen Sanitätsdienst bezahlen zu müssen. Die Polizei betont, mit den Auflagen die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu wollen. "Der Einsatz eines den zu erwartenden Risiken angemessenen ausgestatteten und eigenfinanzierten Sanitätsdienstes gehört dazu", schreibt die Polizei dem rbb, auch mit Verweis auf die Versammlung im Vorjahr.

Die Polizei begleitet einen Rettungswagen durch den "Rave the Planet"-Zug 2022. | Quelle: imago images/V.Garfunkel

Hilfsorganisationen wehren sich gegen Blockade-Vorwurf

Im Vorjahr hatten die Johanniter federführend und ehrenamtlich die Techno-Parade mit rund 200.000 Menschen abgesichert. Unterstützt hatten dabei Arbeiter-Samariter-Bund und Malteser. Das habe reibungslos geklappt, teilten die Johanniter noch am Montag auf rbb-Anfrage mit.

Eine Sprecherin der Johanniter betont, in diesem Jahr habe ihre Organisation zuletzt bereits die Special Olympics World Games und erst am Wochenende die Radsport-Veranstaltung Velocity verantwortet.

Dabei gab es Berichte, wonach der Sanitätsdienst im Vorjahr an seine Kapazitätsgrenze gekommen sei. Die Techno-Parade musste am Ende auch vorzeitig aufgelöst werden, weil es zu voll wurde. Viele Besucher mussten behandelt werden, auch wegen der Einnahme von Rauschmitteln. Mehr als 100 Transporte in Kliniken wurden nötig, durchgeführt von privaten Sanitätsdiensten mit Unterstützung der Berliner Feuerwehr. Insgesamt verlief der große Umzug aber "überwiegend störungsfrei", so die Polizei damals.

Die Berliner Feuerwehr könnte theoretisch auch eine akute Unterstützung anfordern - dafür wiederum stehen die ehrenamtlichen Hilfsorganisationen bereit, betonen sie alle auf Nachfrage des rbb.

Dem Vorwurf, die Veranstaltung gezielt und abgesprochen zu blockieren, dementieren die Hilfsorganisationen vehement. "Wir verwehren uns aber ausdrücklich gegen den von 'Rave the Planet' erweckten Eindruck, die Berliner Hilfsorganisationen hätten sich zu einer 'Blockade' der Veranstaltung zusammengeschlossen", sagte etwa eine Sprecherin der Malteser. Die waren als federführende Hilfsorganisation eingeplant, hatten "Rave the Planet" laut Zeiss aber final am 21. Juni darüber informiert, nicht zur Verfügung zu stehen. Einen Vertrag über eine Zusammenarbeit habe es dabei nie gegeben, betonen die Malteser.

Auch die anderen angefragten Hilfsorganisationen hätten danach abgesagt, so Zeiss.

Mindestens 140 Sanitäter werden benötigt

Gebraucht werden wohl um die 300 helfenden Menschen, das ist nach übereinstimmenden Angaben der Hilfsorganisationen eine realistische Zahl für Veranstaltungen dieser Größenordnung. Auf einen Sanitäter oder Arzt kommen demnach rund 1.000 Teilnehmende.

Die Polizei hat in ihrem Auflagen-Bescheid einen personellen Mindeststandard benannt: Demnach würden 140 Helfende mit verschiedenen Qualifikationen (Rettungs- und Notfallsanitäter:innen sowie -ärzt:innen oder Sanitätshelfer:innen) benötigt, um die Anforderungen zu erfüllen.

Dabei gehen Beobachter davon aus, dass es weit mehr als 300.000 Menschen werden dürften, die zur zweiten Auflage der Techno-Parade nach Berlin kommen - wenn der Rave denn stattfindet.

Sendung: rbb24 Abendschau, 05.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von John Hennig

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