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Audio: rbb24 Inforadio | 12.07.2023 | Silke Hennig | Quelle: dpa/Soeren Stache

Neue Nationalgalerie

Isa-Genzken-Ausstellung in Berlin: Das eigene Gehirn auf Empfang stellen

Zum 75. Geburtstag von Isa Genzken im November zeigt die Neue Nationalgalerie außergewöhnlicher Skulpturen der Künstlerin. "75/75" heißt die Schau. Sie kann für die Besucher eine sinnliche Gratwanderung werden. Von Marie Kaiser

Mehr als acht Meter hoch ist die pinke Rose, die seit Kurzem vor der Neuen Nationalgalerie am Berliner Kulturforum erblüht ist. Die Riesenblume aus bemaltem Aluminium ist eine der 75 Skulpturen einer Geburtstags-Ausstellung, mit der Isa Genzken für ihr Lebenswerk geehrt wird.

Die pinke, acht Meter hohe, Rose von Isa Genzken steht vor der Neuen Nationalgalerie. | Quelle: dpa/Soeren Stache

Die 75-Jährige ist eine dieser Künstlerinnen, die international ein Star sind, in Deutschland fragen aber viele: Isa wer? Das liegt vielleicht auch daran, dass Isa Genzken nie bei einem Prinzip oder Markenzeichen blieb, das gut funktionierte, sondern unglaublich vielseitig arbeitet.

Auch ein Pizzakarton kann Teil einer Skulptur sein

Genau diese Vielseitigkeit führt die Ausstellung "75/75" vor Augen: mit Skulpturen aus allen Schaffensphasen der Künstlerin von 1977 bis heute und aus den unterschiedlichsten Materialien. Manche sind aus Holz, Beton oder Plastik. Aber Isa Genzken erhebt auch Alltagsgegenstände zu kunstwürdigem Material. Da kann ein Pizzakarton, eine Grillzange, eine Cowboy-Spielfigur, ein Kleiderbügel oder ein kaputter Regenschirm Teil einer Skulptur werden.

Manche Arbeiten sind fast zwölf Meter lang, etwa die stabförmige rot- graue Holzskulptur "Ellipsoid", die nur an einem Punkt den Boden berührt. Andere sind sehr klein, wie die frühe Skulptur "Gehirn" – ein etwa brötchengroßes Gehirn aus weißem Gips – mit einer kleinen gebogenen Antenne als Verbindung zur Welt. Ein ungewöhnliches Selbstporträt der Künstlerin.

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"Ein bisschen gegen die Uhr gearbeitet"

Als eine der wichtigsten deutschen Gegenwartskünstlerinnen wurde Isa Genzken schon im Museum of Modern Art in New York mit einer Retrospektive gefeiert, war auf der Biennale in Venedig und immer wieder auf der Documenta zu sehen. Eine große Ausstellung im Gläsernen Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe (der Neuen Nationalgalerie also) sei aber schon lange ein Wunsch der Künstlerin gewesen, sagt der Direktor des Hauses, Klaus Biesenbach.

Sie selbst hat an der Ausstellung nicht mitwirken können. Isa Genzken geht es vor ihrem 75. Geburtstag gesundheitlich schlecht. Dass die Ausstellung mehr als vier Monate vor Genzkens Geburtstag eröffnet, hat auch damit zu tun. "Wir haben ein bisschen gegen die Uhr gearbeitet und wünschen uns, dass Isa Genzken einen luziden Tag haben wird, um die Ausstellung noch anzuschauen" sagt Biesenbach, der die Ausstellung gemeinsam mit Lisa Botti kuratiert hat.

Isa Genzken's "Weltempfänger" | Quelle: rbb/Marie Kaiser

Die Nofretete blickt aus dem Fenster

Biesenbach zeigt sich überzeugt, dass die Neue Nationalgalerie genau der richtige Ort ist, um ihre Kunst zu zeigen. "Isa Genzken hat gesagt: 'Jeder Mensch braucht ein Fenster.' Wenn man hier steht, fühlt sich das ganze Gebäude an wie ein Fenster."

Gerade in diesem gläsernen Raum kommen Isa Genzkens Fenster-Skulpturen besonders gut zur Geltung. Quadratische Rahmen aus Beton auf Stahlpodesten oder große Rechtecke aus Kunstharz, die direkt am Boden stehen und durch die wir hindurchschauen und andere Arbeiten der Künstlerin betrachten können.

Auch Genzkens berühmten Gipsabdrücke der ägyptischen Schönheit Nofretete mit trashigen Sonnenbrillen und Lippenstift wirken im Glaspavillon besonders gut. Die Nofretete schaut nicht uns an, sondern blickt aus dem Fenster, als würde sie die vorüber flanierenden Menschen beobachten. Als wäre sie eine Prophetin, setzte Genzken schon im Jahr 2015 einer Nofretete eine FFP2-Maske auf.

Eine Ausstellung wie eine Gratwanderung

In der großen gläsernen Halle der Neuen Nationalgalerie wirken alle Arbeiten im Zusammenspiel. "Es brauchte diesen Raum in seiner Höhe, in seiner Weite, aber auch als stützenlosen, zusammenhängenden Raum", erklärt Klaus Biesenbach. "Wenn Sie Skulpturen ausstellen, ist es oft so, dass Sie in Museen Raumfolgen haben, und dann hat man auch eine Denkfolge. Aber hier hatten wir die Freiheit, dass wir die Arbeiten gleichzeitig wahrnehmen können."

Wer möchte, kann mit einem Lageplan in der Hand einen chronologischen Parcours durch die Ausstellung absolvieren. Klaus Biesenbach ermutigt die Besucherinnen und Besucher jedoch die Chronologie beim Betrachten hinter sich zu lassen – und auch einfach mal den Mund zu halten.

"Sie können von 1 bis 75 bis zur Rose vor dem Eingang gehen", sagt er. "Aber wer hält sich da schon daran? Vor allen Dingen, wenn Sie angezogen werden von all diesen anderen Eindrücken." Die Ausstellung sie wie eine Gratwanderung: "Wenn Sie eine Gebirgswanderung machen und auf einem ganz schmalen Grat gehen, da müssen Sie aufpassen. Da unterhält man sich nicht, da passt man auf, dass man nicht irgendwo herunterfällt."

Den chronologischen Lageplan so schnell wie möglich zur Seite zu legen, ist wirklich die beste Idee, um immer neue Sichtachsen und Dialoge zu entdecken, die die Skulpturen miteinander eingehen. Wer seinen eigenen Sinnen vertraut und das eigene Gehirn auf Empfang stellt, kann diese ungewöhnliche Geburtstags-Ausstellung in alle ihrer Intensität erfahren.

Vom 13.7. bis 27.11.2023 zeigt die Ausstellung "Isa Genzken. 75/75" [smb.museum] in der Neuen Nationalgalerie 75 Skulpturen aus allen Schaffensphasen der deutschen Künstlerin von den 1970er Jahren bis heute.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.07.2023, 15:55 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

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