Konzertkritik | Berliner Domkantorei
Unter der Überschrift "Ode an den Sommer" hat der Chor der Berliner Domkantorei am Montagabend ein A-Capella-Konzert unter freiem Himmel veranstaltet. Auf den Stufen des Berliner Doms war dabei nicht nur Musik zu hören. Von Hans Ackermann
Mit einem Sommerkonzert unter freiem Himmel hat sich am Montagabend die Berliner Domkantorei in die Sommerpause verabschiedet. Gesungen wurde auf den Stufen des Berliner Doms, wo der 1961 gegründete Chor mit rund 150 Sängerinnen und Sängern in verschiedenen Gruppen einen der größten Berliner Laienchöre bildet.
Unter den hohen Arkaden des Doms singen sich etwa 70 Mitglieder der Berliner Domkantorei ein, genießen noch ein wenig den Schatten, bevor es gleich hinaus auf die warmen Stufen am Hauptportal der großen Kirche geht. Chorleiter und Domkantor Adrian Büttemeier freut sich, dass von den gut 150 Sängerinnen und Sängern mehr als die Hälfte an diesem immer noch sehr warmen Sommerabend auf die Museumsinsel gekommen ist. Das Konzert wird keine Stunde dauern, ist kein abendfüllendes Ereignis - wie das "Deutsche Requiem" von Johannes Brahms, das der Oratorienchor Ende des Jahres im Dom singen wird. "Heute wollen wir nur eine kurze "Chor-Intervention" vornehmen", sagt Büttemeier. "Einfach hineinsingen in den Lauf der Zeit hier am Lustgarten".
Wenn der Chorleiter beim Einsingen unter den Arkaden den Chor auf Silben wie "So" und "Oh" ein wenig in die Höhe treibt, werden auch die Spatzen unter dem hohen Dach immer lauter und "singen“ mit. Nun wird es Zeit für die Sängerinnen und Sänger aus allen Berufs- und Altersgruppen, die im Dom einmal pro Woche zu einer mehrstündigen Probe zusammenkommen, aus dem Schatten der Arkaden herauszutreten und sich auf den Stufen des Doms in den vier Stimmgruppen aufzustellen. Wenn die Soprane und Altstimmen, Tenöre und Bässe der Berliner Domkantorei dann im englischen Renaissance-Lied "Summer is icumen in" den markanten Ruf dieses Vogels mehrstimmig imitieren, spürt man beim "Cuckoo-Song" die Begeisterung für das gemeinsame Singen.
Bei Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn alle Welt" kann man dann erleben, wie professionell der vorzügliche Laienchor nicht nur mit Vogelstimmen, sondern auch mit weniger schönen Geräuschen umgeht - wenn mitten im Lied ein lautes Motorrad vorbeiknattert. Der Chor singt dabei völlig unbeeindruckt weiter und bringt für keine Sekunde die perfekte polyphone Intonation in Gefahr. Auch dann nicht, als derselbe Motorradfahrer wenig später gleich noch einmal "vorbeischaut" - so wie überhaupt der Straßenverkehr von und zum nicht weit entfernten Alexanderplatz für ein kräftiges "Grundbrummen" sorgt.
Ganz still ist es dagegen im Lustgarten, auf der großen "Wiese" vor dem Alten Museum. Während der Chor singt, versammeln sich dort am Rand der Grünfläche immer mehr Menschen und hören der Musik zu, die vom Dom herüberschallt. Nur wenige trauen sich allerdings über die Straße, ganz nach vorn, nah an die Domstufen - wo man den Gesang aber am besten hört. Für Adrian Büttemeier, seit einem Jahr Domkantor in Berlin, ist diese Zurückhaltung ein Grund, weitere "Chor-Interventionen" zu planen. "Man hat diesen dicken Dom im Hintergrund und ich glaube, dass ist für viele Menschen eine Hemmschwelle. Aber gerade dieses Publikum zu gewinnen, das im Lustgarten unterwegs ist, ist eine großartige Chance."
Das Publikum gewinnt die Berliner Domkantorei an diesem Abend mit einem gelungenen Programm aus geistlicher und weltlicher Chormusik, mit Liedern von Mendelssohn, Bruckner und Johannes Brahms, aber auch mit zwei schwedischen Chorsätzen. Denn Adrian Büttemeier hat nach dem Kirchenmusikstudium in Detmold auch eine Zeit lang in Stockholm studiert. Und von
dort das bekannteste schwedische Chorlied, den "Sommerpsalm" des schwedischen Komponisten Waldemar Åhlén mitgebracht. Zuende geht die "Chor-Intervention" - die in Wirklichkeit ein zauberhafter Chor-Sommerabend ist - mit Heinrich Isaacs "Innsbruck, ich muss dich lassen". Schön, dass in diesem Moment sämtliche Motorradfahrer gerade anderswo unterwegs sind.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2023, 7:55 Uhr
Beitrag von Hans Ackermann
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