#musikistkeinhobby | Musikerin Maryam.fyi
Die Wahlberlinerin Maryam wächst behütet auf, mit einem iranischen Vater. Als im Iran die Demonstrationen gegen das Regime größer werden, wird sie zum musikalischen Sprachrohr der Solidaritätsproteste in Deutschland. Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag
In der rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.
Ich hatte schon sehr früh diesen naiven Kindertraum, ein Bühnenstar werden zu wollen. Aber ich hätte natürlich niemals eine Ausbildung dafür abgebrochen oder so, um mir das zu erfüllen. Meine Mutter hat immer gesagt: Geige spielen und singen kannst Du doch schon, lern doch lieber was Neues. Da hab ich gedacht, vielleicht hat sie recht – und habe später Medizin studiert.
Das Medizinstudium habe ich nach der Schule auch durchgezogen und abgeschlossen. Weil ich einfach dachte, dass man damit was Gutes tun kann und was Sinnvolles bewirken. Dass man als Ärztin den Menschen helfen kann.
Trotzdem habe ich entschieden, mich danach auf die Musik zu konzentrieren. Wenn ich vor dem Studium schon gewusst hätte, dass ich so viel Freude an der Musik habe und dass ich es tatsächlich schaffen kann, Musikerin zu werden – vielleicht hätte ich es dann gar nicht gemacht. Aber ich habe das erst während des Studiums gemerkt.
2020 habe ich dann meinen ersten Song veröffentlicht, am ersten Tag der Pandemie. In dem Jahr war ich viel in Studios mit Leuten und habe noch mehr Songs geschrieben. 2021 hatten wir noch ein Seuchenjahr, und da wurde es emotional ganz schön dunkel, da ist gefühlt gar nichts gut gewesen.
Im letzten Jahr aber habe ich dann angefangen mir viele Konzerte und Festivals zu buchen. Allein im letzten Sommer habe ich fast 40 Konzerte gespielt, viel gutes Feedback erhalten und dann gemerkt: Ok, es funktioniert.
Dann fingen die Proteste im Iran an. Meine Familien-Chat-Gruppe war voll mit Nachrichten, dass im Iran eine Revolution angefangen habe und es große Proteste geben würde. Mein Vater kommt aus dem Iran. Ich bin zwar in Deutschland geboren in, einem Dorf in Hessen, aber ich war sehr oft im Iran. Für mich ist die persische Kultur ein großer Teil meiner Identität. Ich sage nie, ich bin "halbe-halbe", ich sage immer, ich bin Iranerin und Deutsche.
Wir dachten erst, die Proteste hören bald wieder auf, das war immer mal wieder so. Aber es hat dann nicht aufgehört. Die Leute haben gesagt: Dieses Mal ist es anders. Die Menschen sind in Massen auf die Straße gegangen. Ich bin dann mit meinem Papa auch in Berlin auf Solidaritätsdemos gegangen. Da haben wir am Anfang noch Sonnenbrille und Kapuze getragen, weil wir Angst hatten, dass irgendwelche Spitzel rumlaufen und uns fotografieren.
Denn das ist echt ein Punkt: Man kann sich auch hier in Deutschland nicht frei gegen das iranische Regime äußern, ohne Sorge zu haben, dass der Familie im Land was passiert oder ohne dass du Gefahr läufst, dass Du bei der nächsten Einreise in den Iran festgenommen wirst.
Und dann habe ich in der Zeit bei einem Konzert in Berlin dieses iranische Lied "Baraye" gecovert (Im Original von Shervin Hajipour, der Musiker wurde nach Veröffentlichung des Songs im Iran festgenommen. Das Lied wurde zu einer Art Soundtrack der Proteste, Anm.d.Red.]. Das war eine kleine Bühne in Berlin, aber das haben Leute gefilmt und gepostet. Und dann dachte ich danach, ok, wenn das jetzt eh öffentlich wird, dann mache ich es richtig laut und groß.
Ein Kumpel von mir, der Musiker David Bay, hat gesehen, wie ich das Lied auf einer Demo in Hamburg gespielt habe. Er hat mich gefragt, ob ich das mit ihm bei einem seiner Auftritte singen könnte, weil er den Protest gerne unterstützen wollte. Dann hat mich auch die Band Kraftklub eingeladen, das Lied bei einem ihrer Konzerte zu spielen.
Kurz danach wurde der Song veröffentlicht und hat wahnsinnig viel Aufmerksamkeit bekommen, das ist richtig viral gegangen. Die zeitliche Abfolge war so gar nicht geplant, das war keine absichtliche Promotion, das hat sich alles so ergeben. Ich hab dann angefangen, für das Musikmagazin "Diffus" eine Kolumne über die Proteste zu schreiben. Das Interesse an dem, was im Iran passiert, war sehr groß. Und das Lied wird auch immer noch viel geklickt.
Ich kann jetzt erst mal nicht mehr in den Iran aus den genannten Gründen, mein Vater auch nicht und das tut unheimlich weh. Meinem Vater geht es sehr schlecht damit. Meine Tante ist schließlich noch im Iran, Cousinen von mir. Wir haben auch manchmal Kontakt, aber man muss da auch immer aufpassen, dass man nicht zu viel schreibt oder sagt. Denn man weiß nie, ob die überwacht werden und wie sicher das ist.
Deswegen spüre ich jetzt eine Verantwortung, was zu machen. Weil ich eben diese Plattform habe und gehört werde. Man muss auch sagen: Ich bin nur deswegen so sicher aufgewachsen, weil mein Vater sich entschieden hat, hierzubleiben und nicht zurück in den Iran zu gehen. Das bringt Verantwortung für mich mit sich.
Ich möchte aber nicht, dass meine komplette Musik jetzt politisch wird oder politisiert wird. Wenn ich mich als ausschließlich politische Künstlerin sehen würde, würde ich vielleicht eher Rap machen. Jetzt gerade bereite ich meine zweite EP vor. Die erste hatte ich dann schon relativ eindeutig politisch gebrandet, weil ich dachte, jetzt ist es auch egal, ich kann eh nicht mehr in den Iran einreisen, solange sich da nicht wirklich was verändert.
Die zweite wird aber ein bisschen anders. Die kommt in diesem Jahr noch raus und dann gibt es auch wieder Konzerte von mir. Mit den neuen Songs fühle ich mich gerade richtig wohl. Ich hab das Gefühl, langsam richtig reinzuwachsen in die Künstlerin, die ich gerne sein möchte, und einfach keine Anfängerin mehr zu sein.
Sendung: Radioeins, 18.07.2023, 15:00 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schrag
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