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Audio: rbb|24 | 20.07.2023 | Paul Weber | Quelle: Tim Löbbert

#musikistkeinhobby | Musiker Paul Weber

"Ich weiß gar nicht, was ein normales Arbeitspensum ist"

Paul Weber lebt seinen Traum: Er ist Musiker, führt ein Leben zwischen Aufnahmen und Konzerten. Eine Pause gönnt er sich nicht, bis er am Steuer seines Autos einschläft. Er überlebt, schreibt den Song "110km/h" und schwört: Ab jetzt mache ich alles anders. Von H. Schröder und C. Schrag

In der rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.

Meine Eltern wollten gerne, dass ich ein klassisches Instrument lerne, obwohl sie selbst gar keins gespielt haben. Deswegen habe ich in der dritten oder vierten Klasse mit dem Cello angefangen. Das hat mich zwar nicht so interessiert, aber ich hatte zwei tolle Lehrerinnen, die mich auch rockige Sachen haben machen lassen. Ich habe mir dann selbst Gitarre beigebracht und das Cello irgendwann zur Seite gelegt und mit 16 angefangen, meine eigenen Songs zu schreiben.

Berliner sind nicht unfreundlich - sie kommunizieren nur anders

Ich bin in Köln geboren und aufgewachsen, das ist für mich auch immer noch Heimat. Eigentlich wollte ich da auch immer bleiben, aber irgendwann habe ich gemerkt: Ich muss noch mal etwas anderes sehen. Und da war musikalisch gesehen Berlin natürlich die große, weite Welt. Also auf nach Berlin, zufällig zu Beginn der Pandemie.

Das war natürlich seltsam, weil die Stadt ziemlich leer und entschleunigt schien. Berlin kam mir am Anfang so riesig vor, aber nach einer Weile habe ich auch gelernt, die Stadt zu lieben und vor allem zu lesen. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass die Leute gar nicht wirklich unfreundlicher sind als in Köln. Sie haben nur, sagen wir, eine andere Art zu kommunizieren.

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Die Tiefe deutscher Texte

Musikalisch bin ich mit Bruce Springsteen und den Rolling Stones aufgewachsen. Beide hat mein Vater sonntags beim Frühstück machen so laut gehört, dass ich immer davon wach geworden bin. Dann gab es noch Bob Dylan und das war‘s. Dementsprechend war für mich auch immer klar, dass ich englische Texte mache. Deutschsprachige Musik habe ich für mich eigentlich erst um die Jahrtausendwende mit "Wir sind Helden" entdeckt.

Ich hatte wirklich einen riesigen Respekt davor, selbst deutsche Texte zu schreiben. Das hat echt seine Zeit gedauert, bis ich mich das getraut habe. Durch den Wechsel auf Deutsch haben die Texte aber bei mir eine ganz andere Bedeutung bekommen, eine ganz andere Tiefe. Außerdem entstehen seitdem auch Songs ausgehend vom Text. Das war vorher nie so.

Bauzeichner oder Musiker?

Nach dem Abitur hatte ich erst eine Ausbildung zum Bauzeichner gemacht. Und dann habe ich da so im Büro gesessen und aus dem Fenster geguckt und immer öfter gedacht: "Lieber würde ich jetzt Songs schreiben, Musik machen und unterwegs sein." Ich habe dann gesagt: "Ok, ich mache die Ausbildung noch zu Ende - und danach konzentriere ich mich voll auf die Musik."

Jetzt gibt es auch eigentlich keinen Weg mehr zurück. Wer sich der Musik so richtig verschreibt, der macht das aus einem ganz dringenden Bedürfnis heraus und nicht, weil er nächsten Monat eine Million scheffeln möchte. Dafür ist das nicht lukrativ genug. Und so ist das auch bei mir. Ich möchte mit der Musik meine Lebenszeit verbringen, mit nichts anderem.

Und das ist auch ein Vollzeitjob. Auf der einen Seite bist Du kreativ, schreibst die Songs, dann bist Du im Studio und nimmst das auf, dann fährst Du durch die Gegend und spielst Konzerte. Und gleichzeitig muss man noch den ganzen Social-Media-Apparat bedienen, da muss man aktiv sein, um seine Leute mitzunehmen. Mich überfordert Social Media zwar regelmäßig, aber ich versuche meinen Umgang damit zu finden.

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Woher kommt das Geld als Independent-Musiker?

Ich bekomme von der Plattenfirma keine riesigen Vorschüsse, ich bin ja Independent-Musiker, deswegen muss ich zusätzlich neben der Musik auch noch irgendwo Geld verdienen. So wirklich planen kann man so vielleicht über ein Jahr, länger nicht. Das ist immer ein großer Kampf, seine Kunst zu machen und trotzdem seine Miete zahlen zu können. Gerade in Berlin mit den horrenden Mieten ist das schon immer ein echter Drahtseilakt. Mit dabei ist natürlich immer die Hoffnung, dass man damit irgendwann irgendwo ankommt. Man hört das glaube ich in meiner Musik, dass ich ein sehr suchender Mensch bin. Langfristig hauptberuflich Musiker sein zu können, das ist aber mein Ziel.

Der schwere Unfall

Mein Song "110km/h" beruht auf einer wahren Begebenheit und auf einem der Schlüsselmomente meines Lebens. Das war Ende 2019. Da haben wir sehr, sehr viele Konzerte gespielt. Mein Körper hatte damals schon längt signalisiert, dass ich mal eine Pause brauche, aber ich habe gesagt: Nein, jetzt werden hier gerade Träume wahr, ich mache das, was ich immer wollte, ich mache weiter. Leider war ich dann so erschöpft, dass ich auf der Autobahn am Steuer eingeschlafen und auf der A2 zwischen Köln und Berlin in eine Leitplanke gefahren bin.

Einfach eingeschlafen. Bumm.

Ich hatte riesiges Glück, dass niemandem etwas passiert ist. Aber der Unfall hat mich lange nicht losgelassen. Ich hatte das erst alles verdrängt, um weitermachen zu können. Aber zwei Jahre später hat mich das total eingeholt. Wenn das anders gelaufen wäre, hätte ich auch tot sein können. Und dann habe ich den Song darüber geschrieben.

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Ein Pensum, was man durchhalten kann

Der Unfall hat mich auch noch mal über unsere Arbeitskultur nachdenken lassen - über das Arbeiten bis zur Erschöpfung, diese "Hustle-Culture". Seitdem versuche ich mich dem zu widersetzen und Pausen zu machen, wenn ich sie brauche. Auch wenn das nicht immer einfach ist.

Manchmal habe ich dabei das Gefühl, dass ich gar nicht weiß, wie man "normal" arbeitet, was ein gesundes Pensum ist. Es wäre doch eigentlich auch ganz klug, ein Pensum zu finden, was einen langfristig durchhalten lässt, statt zu arbeiten bis zum Umfallen. In den kommenden Monaten werde ich auf jeden Fall eine neue Platte schreiben. Und gucken, was konzerttechnisch noch so geht. Und dann ist das Jahr auch schon wieder um.

Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schrag

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