Konzertkritik | Kubanisches Jugendorchester
Wiener Klassik und kubanische Tänze waren am Donnerstag bei "Young Euro Classic" im Berliner Konzerthaus zu erleben. Hans Ackermann hat ein vorzügliches "Orquesta del Lyceum de La Habana" erlebt - und eine zu Tränen gerührte Philharmonikerin.
Beim "Schlussmambo" klatscht der ganze Saal mit - und die Berliner Philharmonikerin Sarah Willis weint. Gerührt davon, dass ihre eigene Begeisterung für ihre jungen Musikerinnen und Musiker aus Havanna das Berliner Publikum derart mitreißt.
Alle stehen, klatschen und tanzen auf der Stelle - nicht alltäglich, was sich da an diesem Abend im Konzerthaus am Gendarmenmarkt ereignet. Schuld sind Mambo und Son, Guaguancó und die Changüi - diese verzwickte "Rumba mit Schluckauf", wie Sarah Willis den afro-kubanischen Stil beschreibt, der an der Ostküste Kubas um 1860 entstand.
"Mozart y Mambo" heißt das Projekt, das Sarah Willis vor drei Jahren mit den jungen Musikern in Havanna gestartet hat. Mozart und Mambo werden dabei aber nicht einfach irgendwie zusammengerührt, sondern durchaus voneinander getrennt präsentiert: Erst der kubanische Song "El Bodeguero", bei dem die gut 30 Streicherinnen und Bläser zeigen, dass sie nicht nur ihre Instrumente exzellent beherrschen, sondern auch ganz wunderbar singen können. Danach der Konzertsatz von Mozart für Horn und Orchester in Es-Dur, den dieselben Musikerinnen und Musiker unter der Leitung des Dirigenten Jose´Antonio Mendez Padron stilsicher präsentieren.
"Die Kubaner lieben Mozart", schreibt Sarah Willis im Booklet der CD "Cuban Dances". Ein Album, das sie im vergangenen Jahr mit dem jungen Orchester in Havanna aufgenommen hat. Dort finden sich zwei komplette Hornkonzerte von Mozart und sechs kubanische Tänze - die auch an diesem Abend im Konzerthaus auf dem Programm stehen.
Die Tanz-Suite ist dabei eine Gemeinschaftsarbeit von sechs jungen kubanischen Komponisten, allesamt um das Jahr 1990 geboren. Drei von ihnen sind im Saal anwesend, werden jeweils im Anschluss von der Hornistin auf die Bühne geholt und dort gebührend gefeiert.
Im Auftrag von Sarah Willis haben sie traditionelle kubanische Musik bearbeitet - und auf diese Weise, erzählt Willis dem Publikum, nicht weniger als das "erste kubanische Hornkonzert" entstehen lassen. Mit Sätzen, die der Auftraggeberin gewidmet sind und "Sarahcha" oder "Un Changüi para Sari" heißen.
Besonders schön gelungen ist "Un Bolero para Sarah" von Jorge Aragon. Der Pianist hat auch die meisten Arrangements für das Orchester hergestellt hat und wird von Sarah Willis auf der Bühne mit besonders großem Dank bedacht. Aragons modernen Bolero spielt die Hornistin der Berliner Philharmoniker mit rundem und warmem Ton, zeigt damit ganz nebenbei, warum sie seit zwei Jahrzehnten in einem der besten Orchester der Welt ihren festen Platz hat.
Erschöpft, aber glücklich spielt Sarah Willis mit dem vorzüglichen kubanischen Jugendorchester die komplette Suite, gibt dann bei einer ausgedehnten Jazz-Improvisation über ein Thema von Chucho Valdés ihr Bestes und tanzt ganz am Schluss mit ihrer "zweiten Familie" - wie sie das junge Orchester aus Havanna nennt - in Salsa-Schritten über die Bühne.
Am Ende singt sie auch noch das bekannteste kubanische Lied mit - "Guantanamera" von Joseito Fernandez - wahrlich kein Wunder, dass bei soviel emotionalem Einsatz irgendwann die Tränen fließen.
Von "Guantanamera" bis "Buona Vista Social Club" - sie sei voll und ganz in die kubanische Musik verliebt, erzählt die Berliner Philharmonikerin dem Publikum am Schluss und erwähnt dann auch noch "La Bella Cubana". Diese dritte und letzte CD der "Mozart y Mambo"-Trilogie kommt eigentlich erst Anfang September in den Handel.
Mit dem Verkauf des Albums würden die jungen Musikerinnen und Musiker die noch "in der Nacht" in ihre Heimat zurückfliegen würden, unterstützt. Sie selbst, erzählt Sarah Willis nicht ohne Wehmut, bleibe in Berlin. Sie habe schließlich "dort drüben" - gemeint ist die Philharmonie - ihren Hauptberuf.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.08.2023, 7.00 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen