Berliner Verlag stoppt Auslieferung von Buch "Oh Boy"
Der Kanon-Verlag hat die Auslieferung des umstrittenen Sammelbands "Oh Boy" gestoppt. Auf Instagram und auf seiner Website teilte Kanon mit, dass man die Kritik an der Veröffentlichung ernst nehme. Das Buch, das sich mit unterschiedlichen Facetten von Männlichkeit beschäftigt, hatte ungewollt eine heftige Debatte über Täterschaft und den Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt ausgelöst.
"Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dessen Veröffentlichung ein Fehler war", so Kanon. Als Konsequenz habe man bereits am Freitag die Auslieferung gestoppt. "Alle digitalen Formate und eventuelle Nachauflagen von 'Oh Boy' wird es nur noch ohne 'Ein glücklicher Mensch' geben."
Verlag nennt Veröffentlichung "Fehlentscheidung"
Der Autor Valentin Moritz berichtet in dem Text darüber, wie er gegenüber einer Frau übergriffig geworden war und wie er anschließend damit umgegangen ist, Täter zu sein. Namen und Orte sind in dem Text nicht enthalten. Dennoch erkannte das mutmaßliche Opfer sich in der Darstellung wieder und machte vor Kurzem öffentlich - auch im Gespräch mit rbb|24 - dass sie Moritz explizit verboten hätte, den Fall für eine Publikation zu nutzen. Valentin Moritz ist nicht nur einer der Autoren, sondern auch Co-Herausgeber des Buchs.
In "Oh Boy" beschreibt Buchautor Valentin Moritz, wie er gegenüber einer Frau sexuell übergriffig geworden ist. Das mutmaßliche Opfer sagt rbb|24, dass das gegen ihren Willen geschehen sei. Eine Geschichte über den Umgang mit Täterschaft. Von Laura Kingston
Der erst 2020 gegründete Berliner Verlag verteidigte zunächst seine Entscheidung, den Text zu drucken; musste aber einräumen, bereits vor Veröffentlichtung darüber informiert gewesen zu sein, dass das mutmaßliche Opfer einer Veröffentlichung explizit widersprochen hatte. Daraufhin distanzierte sich etwa ein Dutzend weiterer Autor:innen, die an dem Buch beteiltigt waren; Kultureinrichtungen sagten Lesungen zu "Oh Boy" ab.
Den Text veröffentlicht zu haben, bezeichnet Kanon nun als "Fehlentscheidung". Im Vorfeld hätten Verlag und Herausgebende intensiv besprochen, "ob es nicht doch einen Weg geben könnte, dem Nein der Betroffenen zu entsprechen und einen Text über ein Tabuthema zu ermöglichen, in dem es um Scham, Reue und Prägungen geht", so Kanon. "Doch dieser Weg erweist sich als nicht richtig. Das ist uns, leider viel zu spät, klar geworden."