Berliner Vokalsextett
Die Comedian Harmonists wurden in den 1930er Jahren zu Weltstars. Trotz ihres Erfolges musste sich die Gruppe auflösen: Die drei jüdischen Mitglieder des Sextetts mussten vor den Nazis fliehen. An sie erinnern nun drei Stolpersteine in Wilmersdorf.
Für die drei jüdischen Mitglieder der Gesangsgruppe Comedian Harmonists werden am Donnerstag in Berlin-Wilmersdorf Stolpersteine verlegt. Die kleinen Messingplatten werden von der Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf vor den Häusern ihrer letzten Wohnungen in den Gehweg eingelassen.
Sie erinnern in der Paulsborner Straße an den Gründer und Tenor Harry Frommermann, in der Xantener Straße an den Bariton Roman Cycowski und in der Landhausstraße an den Tenor Erich A. Collin.
Die Comedian Harmonists wurden ab 1928 bekannt. Unter den Nationalsozialisten erhielten die drei jüdischen Mitglieder Collin, Frommermann und Czycowski im Jahr 1935 ein Berufsverbot. Sie emigrierten daraufhin zuerst nach Wien und schließlich in die USA, wo sie anfangs noch erfolgreich mit einem neuen Ensemble auftreten konnten. Nach dem Krieg konnten sie nicht mehr an ihre alte Karriere anknüpfen. Die Steine in Wilmersdorf sollen an ihr Schicksal erinnern. Die Idee für die Stolpersteine hatte Martina Wunsch.
rbb|24: Frau Wunsch, wo und wann begann Ihr Interesse für die Comedian Harmonists?
Martina Wunsch: Im März 2020 besuchte ich im Karlsruher Kammertheater das Musical über die Comedian Harmonists. Das war die letzte Vorstellung vor dem Lockdown. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Intendant mit Tränen in den Augen am Ende vor den Vorhang getreten ist. Bis dahin kannte ich die Comedian Harmonists nur vom Namen her und Lieder. Aber ansonsten wusste ich eigentlich nichts über sie. Dann begann der Lockdown und ich fing an, über sie Bücher zu lesen und fand das alles so interessant. Das hat mich dann einfach nicht mehr losgelassen. So fing es an. Als nächstes stieß ich auf eine sehr gute Webseite über die Comedian Harmonists. Über diese fand ich dann sehr schnell Kontakt zu einer Gruppe von Enthusiasten. Die haben ihr Wissen und ihre Musik mit mir geteilt. Und so bin ich quasi angesteckt worden.
Von wem ging die Idee für die drei Stolpersteine aus?
Die Idee war meine, aber Paten sind wir alle zusammen. Die Finanzierung haben wir alle zusammen gemacht.
Was gab den Anstoß dazu?
Die Comedian Harmonists sind zwar sehr bekannt, dazu hat auch der Film von Joseph Vilsmaier beigetragen. Aber dieser Film endet im Januar 1935 mit der Trennung des Sextetts. Wie ihr Leben weiter verlief, das weiß eigentlich außer ein paar Enthusiasten niemand. Und dies wieder in Erinnerung zu rufen, war mir sehr wichtig. Alle drei haben zwar im Exil überlebt, wie viele von den anderen Künstlern und Künstlerinnen, die rechtzeitig emigrieren konnten. Aber die Zielländer haben sie alles andere als mit offenen Armen empfangen. Für sie und viele andere Immigranten war das Exilleben geprägt von ständigen Existenzängsten, Existenznot und dem Kampf ums Überleben.
Wie erging es den Immigranten im Exil?
Es haben wirklich nur wenige im Exil geschafft, sich wieder eine Existenz als Künstler aufzubauen. Das finde ich sehr traurig. Von den drei Comedian Harmonists war es nur Harry Frommermann, der das einigermaßen schaffte. Er kehrte auch als einziger nach Deutschland zurück. Roman Cycowski wurde Kantor in einer Synagoge in Los Angeles und Erich A. Collin arbeitete zuletzt in den USA in einem Flugzeugwerk. Seine Geschichte hat mich am meisten berührt. Seine Frau war Halbfranzösin. Er hat sie deshalb zusammen mit seiner Tochter zu Verwandten nach Frankreich geschickt. Und das traurige Ende war, dass sie sich zehn Jahre nicht mehr gesehen haben. Erst 1947 konnte dann seine Frau und seine Tochter in die USA zu ihm einreisen. Die Unterhaltungskünstler, die vor den Nazis fliehen mussten, kommen immer zu kurz. Es wird an die klassischen Komponisten, Dirigenten, Dichter, Denker, Maler und auch Schauspieler erinnert, aber die Unterhaltungskünstler fallen immer irgendwie so unten durch. Und das finde ich schade.
Auch für Olga Kardos-Varadi und ihren Ehemann Istvan Kardos werden in Berlin Stolpersteine verlegt. Um wen handelt es sich hier?
Istvan Kardos ist der Gründer der Kardosch-Sänger. Dessen sehr faszinierende Geschichte finde ich persönlich fast noch spannender und noch tragischer. Istvan Kardos war Komponist und Dirigent und kam in den 20er Jahren, wie viele andere Ungarn auch, nach Berlin, um hier zu arbeiten und zu leben. Er hat dann die beiden großen Konkurrenzensembles zu den Comedian Harmonists geleitet.
Die Kardosch-Sänger bestanden aus zwei Ungarn, einem Rumänen und zwei Deutschen, darunter der bekannte Schlagersänger Rudi Schuricke. Nach 1933 waren die Kardosch-Sänger die einzige verbliebene bekannte Jazz-Vokalgruppe im Deutschen Reich, da ihre Konkurrenten der Rassenpolitik der Nazis zum Opfer fielen. Was niemand wusste: Auch Kardos war jüdischer Herkunft. 1935 verschwand die Gruppe unter rätselhaften Umständen von der Bildfläche. Kardos floh mit seiner Frau nach Ungarn. Sie mussten sich, als dort die Deportation der Juden begann, verstecken und wurden von einem Netzwerk gerettet, zu dem unter anderem die bekannte Dichterin Ágnes Nemes-Nagy gehörte. Das ist mein Projekt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tomas Fitzel.
Sendung: rbbKultur, 31.08.2023, 09:10 Uhr
Beitrag von Tomas Fitzel
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