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Ausstellung in Potsdam

Holocaust-Überlebende erzählen in 3D von ihren Erinnerungen

Wie bewahrt man die Aussagen von Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden, für die Nachwelt? In Potsdam ist am Dienstag eine Ausstellung eröffnet worden, in der man die Interviewten quasi "in Echt" vor sich sieht. Von Lisa Steger

Wer die Virtual-Reality-Brille aufsetzt, der sieht ihn direkt vor sich, als wäre er da: dreidimensional, lebensgroß. Kurt Hillmann, 90 Jahre alt, NS-Überlebender, berichtet über seine Verwandten. "Mein Onkel hatte versucht, die Familie aus Polen herauszubringen, aber es war zu spät", spricht der Überlebende in die Kameras. "Zehn oder elf Personen sind ermordet worden."

Der hochbetagte Kurt Hillmann ist einer der letzten Zeitzeugen, die über die Juden-Verfolgung während des Nationalsozialismus berichten können. Er nimmt teil an einem bundesweit bislang einmaligen Projekt. Für eine mobile Ausstellung haben sich Kurt Hillmann und andere Zeitzeugen von Studierenden der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf interviewen lassen. Diese Interviews sind dreidimensional zu erleben – in der Ausstellung "In Echt? Virtuelle Begegnung mit NS-Zeitzeug:innen" [stiftung-evz.de]. Sie ist seit Dienstag in Potsdam im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu sehen.

Mission Aufklärung

Auch Ruth Winkelmann hat sich befragen lassen. Sie ist schon 94, wirkt gut und gern 30 Jahre jünger, ist voller Leben und Energie. Die Berlinerin hatte sich in der NS-Zeit in einer Laube versteckt. 15 Angehörige wurden ermordet. Winkelmann war sofort bereit mitzuwirken: "Ich mache alles mit, was meine Geschichte weitertragen kann", sagt sie im rbb-Interview. "Ob das per Wort ist oder visuell per Film, das ist mir egal." Ihr Motiv: "Ich will dazu beitragen, den Hass etwas abzumildern."

Für die Interviews musste sie in ein Studio, wurde geschminkt, ausgeleuchtet, saß eine Stunde lang vor 26 Kameras. Sie zeichneten gleichzeitig auf, um einen dreidimensionalen Effekt zu erzeugen. Für Winkelmann kein Problem. "Ich will immer dazulernen, auch mit fast 95", erzählt sie. "Das ist neue Technik, es kommt bei Jüngeren an, es kommt bestimmt besser an als Bücher."

Ruth Winkelmann | Quelle: rbb/Lisa Steger

Der Dämon Erinnerung

Für Ruth Winkelmann war es ein großer Schritt, zu erzählen, was ihr passiert ist; überhaupt erzählen zu können. Jahrzehntelang schwieg sie. Sie sei nervlich und seelisch kaputt gewesen, sagt sie im Interview. Wenn sie davon sprach, endete es immer in Schrei- und Weinkrämpfen.

Das änderte sich erst vor rund zwanzig Jahren. Ruth Winkelmann war da schon über siebzig und gebeten worden, vor Schulkindern von ihrem Leid zu berichten. In Baden-Baden in einer Klosterschule war das. Sie fuhr hin. Es war eine Qual. "Ein Weinen war es, ein Schluchzen", erinnert sie sich. Doch sie hat es geschafft. Und hat ein Buch geschrieben: "Plötzlich hieß ich Sara."

Sie spricht seither mindestens zweimal im Monat vor Kindern und Jugendlichen, meist in Schulen. "Ein Drittel ist intensiv dabei, ein weiteres Drittel hört zu, ein Drittel nicht", berichtet sie im Interview. "Zum großen Teil Menschen, die zuhause anders erzogen wurden, Gleichgültige." Doch auch die halten sie nicht ab. "Da gilt es welche, die fühlen sich eigentlich ganz besonders stark; aber wenn sie rausgehen, dann haben sie ein Taschentuch", berichtet Winkelmann. "Dann weiß ich, dass ich das erreicht habe, was ich erreichen wollte."

Attacken in Berlin

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Reden, bevor man schweigen muss

Ausstellungs-Kuratorin Katalin Krasznahorkai ist an die NS-Überlebenden herangetreten, um sie für das Videoprojekt zu gewinnen. Das habe sofort geklappt. "Es ist der letzte Moment, wo diese Aufnahmen noch gemacht werden können, das wissen die Mitwirkenden", sagt sie. "Wichtig ist ihnen der Zugang zu einer jungen Generation."

In Kyritz in Ostprignitz-Ruppin wird die Ausstellung auf dem Marktplatz gezeigt. Katja Melzer, Direktorin im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, glaubt aber nicht, dass die Exponate gestohlen oder demoliert werden: "Das kann natürlich passieren, aber bisher ist das Interesse sehr groß, es gibt auch Workshops und die sind alle ausgebucht", sagt Melzer. "Da sind wir optimistisch, dass das respektiert wird."

Sieben Stationen in Brandenburg

Die mobile Ausstellung ist noch bis zum 2. September im Kutschstallhof am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam zu sehen. Nächste Stationen sind vom 4. bis 7. September die Bibliothek im Kontor in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin), vom 8. bis 12. September der Marktplatz von Kyritz (Ostprignitz-Ruppin), vom 13. bis 17. September die Museumsfabrik Pritzwalk (Prignitz) und vom 20. bis 24. September das Kulturquartier Mönchenkloster in Jüterbog (Teltow-Fläming). Danach wird sie vom 25. bis 30. September im Piccolo Theater Cottbus und vom 10. bis 14. Oktober in der Kunstweberei Finsterwalde (Elbe-Elster) präsentiert.

Sendung: rbb24, 29.08.2023, 16 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

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