Konzertkritik | The Pretenders im Columbiatheater
45 Jahre nach Band-Gründung gibt es die Pretenders immer noch. Immer noch schreiben sie gute Songs und spielen gute Konzerte. Nicht zuletzt dank einer starken neuen Besetzung. Hendrik Schröder erlebte es im Berliner Columbiatheater.
The Pretenders hatten mit Songs wie "Don't get me wrong" und "Brass in pocket" weltweite Hits. Allerdings war das in den 1970er und 80er Jahren. Schon lange ist von der Urbesetzung nur noch Sängerin und Gitarristin Chrissie Hynde übrig, die immer noch als Ikone der Rockmusik gilt. Als eine der ersten Frauen, die es in dem Genre als Bandleader nach oben geschafft hatten.
Enge schwarze Jeans, enges schwarzes T Shirt, Stiefel bis zu den Kniekehlen, dicke Goldkette, die Haare hochtoupiert, so kommt sie jetzt auf die Bühne. "Ach, hey Berlin, wir haben euch vermisst", sagt sie und greift lässig zur Gitarre. Man, ist die cool. 71 Jahre ist sie alt. Zweifache Mutter, zweifache Oma. Nicht zu glauben. Umso weniger, als die Musik dann losgeht und die Pretenders den Laden einmal von vorne nach hinten durchrocken.
Gleich am Anfang der Karriere der Pretenders waren zwei der Originalmitglieder an Drogen gestorben. Harte Zeiten damals, sagt Chrissie Hynde heute in Interviews und dass sie vor einer Weile schon den Drogen komplett abgeschworen habe. Die Besetzungen wechselten. Und was die Grand Dame des Soft-Punk da aktuell an Musikern an Land gezogen hat, ist echt grandios.
Der junge Bassist neben ihr sieht aus wie zwölf, der Drummer kommt aus Dänemark, so viel verrät sie dem Publikum - und er trommelt so derbe und hart und schnell, dass es einen bald wahnsinnig machen möchte. Und ihr Gitarrist James Walbourne ist ihr neuer kongenialer musikalischer Partner. Die beiden letzten Platten "Relentless" und "Hate for Sale" hat sie mit ihm geschrieben und beide sind richtig gut geworden.
Gitarrist Walbourne jedenfalls im schwarzen Cowboyhemd und mit nach hinten pomadierten Haaren, liebt diesen Sound und spielt seine Gitarre bis er zuckt vor Erregung, ok, absichtlich ein bisschen übertrieben, aber egal, sieht gut aus, klingt gut, yeah yeha. Die Pretenders haben gerade als Supportband für Guns n Roses gespielt, auf riesigen Bühnen, die sind so eng und nah beieinander, so eingespielt, auch wenn der Sound am Anfang wirklich nicht gut ist, der Gesang zu unpräzise, die zweite Gitarre kaum zu hören, mit dieser Band ist jeder Song ein Kracher, die neuen, die Coverversionen, die alten.
Nebenan in der Columbiahalle spielt eine blutjunge aisiatische Band für sehr junge Fans und Hynde erzählt, dass sie sich total gefreut hatten, als sie die alle nachmittags auf der Straße gesehen haben bis sie gemerkt haben, dass die gar nicht wegen ihnen hier sind. "Für uns kommen nur ein Haufen alter Männer", schnoddert sie ins Mikrofon, "aber hey, ich mag alte Männer". Witzig ist sie auch noch. "Aren't we awesome", ruft sie und die 800 nicht nur alten Männer, aber schon recht viele, sagen wir, ältere Leute, im ausverkauften Columbiatheater sind aufrichtig aus dem Häuschen und grooven ordentlich mit den silbrigen Häuptern, ein Konzert lang wieder jung und wild und überhaupt. Zurecht. The Pretenders und Chrissie Hynde kommen ihnen ganz nah. Da ist echt Verbundenheit und Wertschätzung zwischen Band und Fans. Und viel gemeinsam erlebte Zeiten, sehr berührend.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.09.2023, 8.00 Uhr
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