Interview | Projekt "Mozart y Mambo"
Bei ihrem Konzert mit dem "Havana Lyceum Orchestra" wird die Hornistin Sarah Willis am Samstag im Kammermusiksaal Mozart und kubanische Tänze kombinieren. Im Interview erzählt die Berliner Philharmonikerin, was sie an der Musik begeistert.
Schon im August konnte man im Berliner Konzerthaus beim Festival "Young Euro Classic" einen ganz besonderen Mozart-Abend erleben: klassische Hornkonzerte des Salzburger Komponisten, dazu traditionelle kubanische Tänze, am Ende dann die Uraufführung von "Cuban Dances", dem ersten kubanischen Hornkonzert. Die Solistin Sarah Willis, Hornistin bei den Berliner Philharmonikern, wurde an diesem umjubelten Abend vom "Orquesta del Lyceum de La Habana" begleitet. Junge kubanische Musikerinnen und Musiker, mit denen die britisch-amerikanische Musikerin und Moderatorin vor drei Jahren ihr Projekt "Mozart y Mambo" gestartet hat.
rbb|24: Frau Willis, Sie spielen jetzt am Samstag mit dem kubanischen Orchester in der Philharmonie. Wiederholen Sie da einfach nur das Konzert aus dem Sommer?
Sarah Willis: Natürlich nicht (lacht). Und bei diesem Konzert ist sowieso alles anders als im Sommer, weil wir es diesmal einfach nicht geschafft haben, das ganze Orchester aus Kuba herzubringen, das war aus verschiedenen Gründen zu schwierig. Deshalb wird der größte Teil des Abends von meiner "Sarahbanda" gestaltet, meine Salsa-Band, die aus dem "Havana Lyceum Orchestra" entstanden ist.
In welcher Besetzung spielt die Band ?
Horn und Saxophon, dazu Bass, Geige, Klavier und zwei Schlagzeuger. Dazu muss man wissen, in einer Salsa-Band gibt es eigentlich gar kein Horn, denn das Horn "pustet" nach hinten. Posaunen und Trompeten dagegen, die pusten nach vorne und sind deshalb viel geeigneter. Denn eine Salsa-Band fängt ja laut an und hört noch lauter auf. (lacht). Aber in meiner "Sarahbanda" gibt es sogar Dynamics - laut und leise - und ich stelle mich auch immer so auf, dass mein Schalltrichter in Richtung Publikum zeigt.
Im Konzerthaus haben Sie am Ende des Konzerts im August geweint - warum?
Dieses Projekt "Mozart y Mambo" haben wir against all the odds - gegen alle widrigen Hindernisse - zustande gebracht. Wir mussten viele Probleme lösen, sind dadurch aber auch eine richtige "Familie" geworden. In der Covid-Zeit war "Mozart y Mambo" für viele der kubanischen Musiker das Einzige, was sie hatten. Es gab ja keine Livemusik und das Projekt hat sie am Leben gehalten. Nach Covid haben wir es geschafft, wieder zusammenzukommen in Berlin, trotz der vielen Probleme - deshalb war ich an diesem Abend etwas emotional.
…und im Publikum war dann auch noch Simon Rattle, der ehemalige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, der Sie 2001 als Hornistin in sein Orchester geholt hat. Wie findet er Ihren musikalischen "Ausflug in die Karibik"?
Simon war begeistert, allerdings kenne ich auch niemanden, der die kubanische Musik nicht liebt. Simon und seine Frau Magdalena (Anm.: die Sopranistin Magdalena Kožená) tanzen auch gern Salsa, ich war mit den beiden schon Salsa tanzen. Ich sehe Simon relativ oft, aber für meine kubanischen Musiker war das ein Traum, ihn im Konzert zu haben. Also, ich habe da am Schluss zwar geweint, aber das waren Glückstränen.
Sie haben das Salsatanzen erwähnt - stimmt es eigentlich, dass Sie ursprünglich über das Tanzen nach Kuba und zum Projekt "Mozart y Mambo" gekommen sind ?
Am Anfang wollte ich tatsächlich nur nach Kuba fahren, um Salsa zu tanzen. Dann hat mich jemand gefragt, ob ich dort eine Horn-Masterclass geben könnte. Bei diesem Meisterkurs war ich dann total begeistert von der Art und Weise, wie die Kubaner Horn spielen, so toll und so musikalisch - aber auch auf so schlechten Instrumenten. Später habe ich Kuba noch ein paar Mal besucht, habe dort eine Dokumentation für die Deutsche Welle gedreht und immer gedacht, dass ich irgendwie noch mehr machen muss - vor allem bessere Instrumente für diese kubanischen Musiker anschaffen. Und so entstand diese verrückte Idee von "Mozart y Mambo".
Wie denkt man denn auf Kuba über Mozart ?
In Alt-Havanna steht sogar eine Büste von Mozart und die Kubaner sind davon überzeugt, Mozart wäre ein guter Kubaner gewesen. Sie finden, in seiner Musik ist viel Charme, viel Witz und viel Tanz. Wenn mein Orchester Mozart spielt, dann tanzt diese Musik.
Sie spielen mit dem Orchester Mozart, den Sie als klassisch ausgebildete Hornistin natürlich gut kennen, aber was mussten Sie selbst für die kubanische Musik erst noch lernen ?
Erstmal mussten wir überhaupt ein Repertoire für das Horn erschaffen - niemand hat zuvor auf Kuba etwas für Solohorn komponiert. Deshalb habe ich "Cuban Dances" in Auftrag gegeben. Ein kubanisches Hornkonzert, geschrieben von sechs jungen kubanischen Komponisten. Jeder hat einen Satz komponiert und dafür musste ich dann wirklich viel lernen. Denn ich konnte zwar die Töne spielen, aber ich habe die Musik nicht wirklich gespürt. Meine kubanischen Musiker haben dann gesagt, "Du musst es tanzen. Du kannst nur spielen, was du auch tanzen kannst." Also habe ich diese ganzen Tänze gelernt - Bolero, Cha-cha-cha, Mambo, Guaguancó.
Aus dem Hornkonzert werden Sie am Samstag drei Sätze spielen, einen "Danzón", den "Tamarindo Son" und den ziemlich komplizierten "Guaguancó sencillo". Das ist keine leichte Musik und bringt auch die Hornistin eines weltberühmte Orchesters ganz schön ins Schwitzen, oder?
Wenn jemand denkt, "Die Sarah geht da auf die Bühne, tanzt, singt und spielt ein bisschen Horn" - der hat wirklich keine Ahnung. Wenn man dieses Konzert hört, merkt man, wieviel Virtuosität benötigt wird und wieviel Kraft. Bei jedem Tanz muss ich einen "anderen Hut aufsetzen", muss unglaublich kräftig spielen und ewig lang, zwischendrin wunderschöne lyrische Nummern wie den "Bolero". Also, dieses Konzert spielen zu können, das ist für mich wirklich die größte Herausforderung meiner Horn-Karriere.
"Musik ist Tanz" - wie wirkt sich dieses musikalische Konzept eigentlich auf ihre normale Tätigkeit als Hornistin bei den Berliner Philharmonikern aus?
Auf Kuba ist man immer in Bewegung - wenn man mit jemandem spricht, wenn man in einer Schlange steht, wenn man Musik hört sowieso. Und ich merke, wenn ich jetzt Musik höre oder spiele, ob es Messiaen ist oder Mozart, ich bewege mich immer dazu. Und ich muss wirklich aufpassen, dass ich mich in der Philharmonie nicht zu sehr bewege. Da höre ich plötzlich einen beat oder einen Groove in der Musik und das hätte ich vorher nicht gehört. Neulich habe ich wirklich bei Messiaen so einen kubanischen Rhythmus entdeckt, das wäre mir früher nicht passiert.
Als "Anführerin" der Sahrabanda - haben Sie da eine andere Rolle, als wenn Sie in der Horn-Gruppe der Berliner Philharmoniker auf dem Podium sitzen?
Bei den Philharmonikern spiele ich im Tutti Horn. Ich mache, was der Dirigent sagt, was der Solohornist sagt - mein lieber Kollege Stefan Dohr - ich bin Teil der Gruppe. In Havanna leite ich das Projekt, zusammen mit José Antonio Méndez Padron, mein unglaublicher Unterstützer, mein Soulmate, ohne den das alles nicht zustande gekommen wäre.
Sie beide zusammen leiten das Orchester, das nach einer Musikhochschule in der kubanischen Hauptstadt benannt ist. Welche Bedingungen herrschen dort gegenwärtig?
Ich muss leider sagen, die Zeiten sind gerade so schwierig auf Kuba, dass viele von meinen Musikern ihr Land verlassen haben und woanders wohnen, um eine Chance zu haben. Die Kubaner, die mit mir zusammenspielen im Kammermusiksaal, stammen alle aus dem "Havana Lyceum Orchestra", aber viele von ihnen leben nicht mehr auf Kuba. Das hat sich in den letzten Jahren leider so entwickelt. Davor haben sie über viele Jahre in Havanna zusammengespielt, wie eine Familie.
Jetzt endlich im Kammermusiksaal der Philharmonie mit ihrem zweiten Orchester zu spielen - wie fühlt sich das für Sie eigentlich an?
Am Samstag in meinem eigentlichen musikalischen Zuhause zu spielen, das ist etwas ganz Besonderes für mich. Und dass meine Kollegen von den Berliner Philharmonikern vielleicht auch mal vorbeischauen, freut mich - macht mir aber natürlich auch ein bisschen Angst - ja wirklich! Natürlich bin ich stolz, mein Projekt zu zeigen. Das ist eine wunderbare Bestätigung für unser Projekt, dass es in Berlin so gut angenommen wird.
Und dass meine drei Kollegen von den Berliner Philharmonikern, die Solobläser Jonathan Kelly, Wenzel Fuchs und Stefan Schweiger mitgekommen sind nach Havanna, als wir dort das letzte Album "La Bella Cubana" aufgenommen haben, das war ein ganz besonderes Erlebnis. Und die drei haben sich bei dieser Gelegenheit natürlich auch gleich in dieses Land und in diese Musik verliebt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Hans Ackermann.
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