Interview | DJ Tomekk
Einen Song mit Frank Zander, Auftritte bei alkoholfreien Tanzabenden in der Kirche und Sport als fester Bestandteil des Alltages: Deutschlands Hip-Hop-DJ der 2000er hat seinen Lebensstil grundlegend geändert - und seine pädagogische Ader entdeckt.
rbb|24: Sie sind in Berlin-Gesundbrunnen und am Plötzensee aufgewachsen. Nach Jahren in Schöneberg sind Sie jetzt wieder dort, wo Ihre Reise in Berlin angefangen hat?
DJ Tomekk: Genau, ich wohne mit meiner Frau am Gesundbrunnen und habe mein Büro und Tonstudio am Plötzensee. Ich bin an beiden Orten meiner Kindheit zurück.
Da kommen sicher einige Erinnerungen hoch.
Immer! Ich habe am Gesundbrunnen mit meinem Vater zusammengelebt. Wenn ich heute einen schlechten Tag habe, denke ich an die Zeit zurück. Ich kannte meinen Vater nie richtig, weil er so krank war und nicht er selbst sein konnte. Wenn ich damals als Kind schon mit dieser verrückten Welt klarkommen konnte, dann geht das heute auch.
Nach dem Tod Ihres Vaters, wurden Sie in einem Kinderheim am Plötzensee untergebracht. Wie erinnern Sie sich an die Zeit?
Im Heim herrschten klare Regeln und eine Demokratie. Jeder war herzlich willkommen. Diese Willkommenskultur herrscht auch in meinem Studio, wo ständig neue Künstler rein- und zusammenkommen. Ich möchte alle willkommen heißen und gleichzeitig ist es mein Job, durch die Sessions zu führen. Ich habe viel gelernt.
War es eine bewusste Wahl, wieder nach Gesundbrunnen zu ziehen?
Nein, das ist einfach passiert. Ich wollte nie wieder zurück an den Gesundbrunnen ziehen. Aber genau dort bin ich nun gelandet.
Das ist aber letztendlich was Gutes?
Absolut. Das ist ein Full-Circle-Moment für mich.
(Anmerkung der Redaktion: Moment, der die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln beschreibt.)
In Gesundbrunnen haben Sie auch mit Hip-Hop angefangen. Heute lehren Sie Jugendliche an der "Berlin Hiphop Akademie" für lau.
Das hat damit zu tun, dass ich selbst als Jugendlicher einen Raum hatte, in dem ich kostenlos unterrichtet wurde. Das hat mich dazu bewegt, genau das an der "Hiphop Akademie" anzubieten und diese Bildung, die ich bekommen habe, weiterzugeben.
Was gibt Ihnen die Arbeit mit Jugendlichen?
Ganz viel Verständnis und Wachstum. Ich habe mir einen Lehrplan geschrieben. Das Lehramt erfordert das Eingehen auf die Bedürfnisse der Schüler. Ich habe eine soziale Ader, die ich durch diese Arbeit ausleben kann.
Werden Sie das weiter machen?
Wir haben das erstmal ein Jahr lang gemacht. Momentan sind keine weiteren Termine mit der Akademie geplant, aber das kommt sicher noch. Ich bin jetzt dabei, Leute privat zu coachen und ihnen Hip-Hop und das Produzieren näherzubringen.
Apropos Jugendliche: Sie reden an Schulen und in Ihrem Buch "Ich lebe für Hip Hop" sehr offen über Ihre Suchterkrankung. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Im Hip-Hop ist es egal, wer du bist und was du hast. Es zählt, was du machst. Ich bin nicht vollkommen. Aber das wird gerne mal vergessen, wenn darüber geschrieben wird, dass ich drei Millionen Platten verkauft habe, für einen Grammy nominiert war und seit 30 Jahren im Geschäft bin. Da denken Jugendliche schnell: Wow, das will ich auch. Dabei habe ich selbst meine Monster, um die ich mich kümmern muss.
Junge Leute lassen sich von Ihnen auch eher was erzählen als von Eltern oder Lehrern zum Beispiel.
Genau! Der Hip-Hop bietet Möglichkeit zur Identifikation. Wir begegnen uns im besten Fall auf Augenhöhe. Wir leben in einer Welt, in der man häufig suggeriert bekommt, perfekt sein zu müssen. Ich möchte zeigen, dass man verletzlich sein darf und seine Schwächen nicht verstecken muss. Das finde ich in unserer Gesellschaft und im Hip-Hop wichtig: sei verletzlich.
Sie waren schon immer fest in Berlin verankert. Den letzten Sommer haben Sie sehr viele Shows in Berlin und Brandenburg gespielt. Was macht die Hauptstadt so wichtig für Sie?
In meinem Leben waren Berlin und die USA immer von höchster Relevanz. In Berlin spiele ich die meisten Shows, die USA haben mich beeinflusst und fasziniert. In LA habe ich zuletzt an einem Filmprojekt mitgewirkt. Berlin ist aber meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen. Die Stadt ist so groß und bietet so viel. Ich fühle mich hier mit den Menschen sehr verbunden.
Am 11. November spielen Sie auf einer Party in der Heilandskirche in Tiergarten. Erzählen Sie mal.
Diesen Winter werden wir eine Soul- und R’n’B-Party in der Heilandskirche veranstalten, bei der kein Alkohol konsumiert wird, keine Drogen, keine Sexorgien. Wir möchten Menschen verbinden und Party- und Tanzkultur mit konstruktiven statt destruktiven Werten zusammenbringen.
Wie ist das zustande gekommen?
Ein Veranstalter hat sich das ausgedacht, Soul, Auflegen und Kirche zusammenzubringen. Ich fand das so gut, dass ich hingegangen bin und gefragt habe, ob ich Teil dessen sein darf. Wir möchten anhand von Liedern die Geschichte der Soulmusik erzählen. Diese Party ist eine besondere Möglichkeit, in einer inspirierenden Umgebung feiern zu gehen.
Im Sommer haben Sie sich mit einem anderen Berliner Urgestein zusammengetan: Frank Zander. Sie haben zusammen den Song "Sommer in Berlin" rausgebracht. Wie gut passen Ihre Welten musikalisch zusammen?
Man kennt sich in Berlin. Wir haben ein paar Mal miteinander gespielt. Ich finde es ganz toll, was er jedes Jahr mit seinem Weihnachtsfest für Obdachlose im Estrel Hotel macht. Daraufhin habe ich ihn gefragt, ob er "Sommer in Berlin" machen möchte. Frank Zander steht für Berlin und ich auch – das gehört also zusammen.
Wie sehen Ihre Pläne für das nächste Jahr aus?
Ich mache vor allem Musik. Ende November werde ich den Song "Ballin" mit Silla und Coolio rausbringen, er ist Teil des Soundtracks zum Film "Kobe - The Legend of the 81-Point Game". Der Film wurde in LA gedreht. Parallel bin ich in LA mit ein paar Projekten beschäftigt – vielleicht sogar ein Filmprojekt. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Hip-Hop wieder weicher und verletzlicher wird.
Auf Instagram zeigen Sie sich häufig beim Sport, was Sie essen und wohin Sie reisen. Das ist ein starker Kontrast zu den wilden Exzessen in den Nullerjahren. Wie leben Sie heute?
Ich lebe recht ruhig. Der Sport ist ein fester Bestandteil meines Tages. Er gibt mir die Möglichkeit, meine Energie auf gesunde Art und Weise zu kanalisieren. Ich lese morgens, meditiere, bete und schreibe. Dann gehe ich zum Sport, mach mir was zu essen und arbeite dann bis abends in meinem Studio. Spätabends gehe ich mit meiner Frau aus. Oder bleibe im Studio.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sebastian Goddemeier für rbb|24.
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