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Audio: rbb24 Inforadio | 06.12.2023 | B. Dietel | Quelle: IMAGO / Carsten Thesing

Konzertkritik | Betterov in Berlin

Abgekämpfte Klagelieder vor halbvoller Halle

Weil er als Kind in der Thüringer Heimat viel "Olsenbande" geguckt hat, heißt der Musiker Manuel Bittorf "Betterov", eine Nebenfigur der Kultserie. Seit 2020 werden die Bühnen für den Indierocker immer größer. In Berlin war das Publikum nun etwas kleiner. Von Bruno Dietel

Die Ausgangssituation an diesem Abend in Berlin könnte besser sein für Betterov, der dieser Stadt nach eigener Aussage die Inspiration zu seinem Debütalbum "Olympia" zu verdanken hat. Die Columbiahalle am Tempelhofer Feld hat Platz für 3.500 Menschen, am Dienstagabend sind es nur 1.400 verkaufte Karten. Die Halle ist höchstens halbvoll, der Rang an den Seiten abgehängt.

Es ist schon nach 21 Uhr, als Betterov und seine Band nach einem etwas zu langen, dramatischen Intro die in dunkles Blau getauchte Bühne betreten. Betterov ist komplett in Schwarz gekleidet, nur ein weißes T-Shirt blitzt unter dem Hemd hervor.

Betterov | Quelle: radioeins/Jochen Saupe

Aus der Autoindustrie ins Theater

Der leicht verschroben wirkende 29-jährige Betterov alias Manuel Bittorf wäre fast in der Autoindustrie gelandet – kein Wunder bei seiner Heimat: Groß geworden ist er in der Nähe von Eisenach. Doch die Ausbildung zum Industriemechaniker bei einem großen Autoteilezulieferer bricht er ab, macht Abitur – und vor allem Kultur, es zieht ihn zum Landestheater. Dort ist er in einer Theatergruppe aktiv und für die Musik zuständig.

2015 wird ihm die Thüringer Autostadt offenbar zu klein, er zieht nach Berlin, spielt Support-Shows unter anderem für die Kaiser Chiefs und Milliarden. Der melancholisch-graue Dauerschleier der Stadt ist es wohl, der Betterov zu der 2020 erscheinenden, tristen ersten EP "Viertel Vor Irgendwas" inspiriert. Dann kommt Corona – und die Karriere mit dem 80er-Sound zwischen Indie-Rock und Post-Punk steht on hold, er schreibt in den Lockdowns weiter. 2022 erscheint sein Debütalbum "Olympia" und er spielt eine erste mit über 15.000 Tickets ausverkaufte Tournee.

Ein später Ice-Breaker am Klavier

Der prägnante, klagende Gesang von Betterov geht in der Columbiahalle hinter viel zu lauten Gitarren und Drums unter, das versucht er zu retten: Er reißt die Arme nach oben, als ob er seinen wohlig-trüben Texten wenigstens mit Gesten Ausdruck verleihen will. Betterov verliert über mehrere Songs hinweg kaum Worte. Dabei sind doch heute die Menschen da, die ihn sonst bei nächtlichen Busfahrten auf dem Ohr haben, die in der gleichen grauen Stadt wie er zuhause sind. Und die seinen detailverliebt in Text und Ton verwandelten Kampf gegen die Berliner Alltagseinöde nur so aufsaugen. Es braucht aber in der Columbiahalle erstaunlich lange, bis das Eis zwischen Betterov und Fans gebrochen ist – bis zu dem Moment, als er sich allein ans Klavier setzt und seine Hymne auf ein großes Berliner Kulturkaufhaus anstimmt.

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Ein "Vorbild der Nachhaltigkeit" soll es werden. So kündigt Grünen-Kulturstaatsministerin Claudia Roth das neue Museum für moderne Kunst im Kulturforum an. Im Februar soll der Grundstein gelegt werden. Einen neuen Namen hat es auch schon.

Adventssingen in der Columbiahalle

Ein paar Songs ist Betterovs Klavierspiel wie ein Adventssingen in der Columbiahalle: Ein riesiger Chor aus 1.400 Menschen, frisch verliebte Pärchen hier, sehr erwachsene Paare da – und erstaunlicherweise viele mittelalte Männer, die man beim ersten Anblick eher bei härteren Gitarrenbands vermuten würde. Nach nur 50 Minuten fragt Betterov, ob Berlin noch Reserven habe – allerdings hat sich bis dahin noch niemand überhaupt so richtig verausgabt.

Jetzt wäre der Moment, auch mal etwas persönlicher zu werden, das durchaus vorhandene Wohlwollen des Berliner Publikums zu nutzen, um Geschichten und Anekdoten loszuwerden, die er nur in Berlin erzählen kann. Aber Betterov hält sich kurz, dankt knapp und pflichtbewusst den anwesenden Menschen, die ihm beim Debütalbum "Olympia" geholfen haben. Bis auf ein paar obligatorische Mitklatsch- und Mitsingmomente ist da wenig spontane Interaktion mit einem eigentlich vertrauten Publikum, vor etwa einem Jahr hat er im ausverkauften Huxleys gespielt.

Passender Sound, falsche Halle

Bei den Zugaben spielt Betterov Songs zum zweiten Mal, dieses Mal nicht mehr leise am Klavier, sondern mit Band und ausschweifenden, psychedelischen Instrumental-Parts. Und er springt, als ob er nochmal alle Reserven zünden würde. Seine Stimme rutscht zum Schluss mehrfach nach unten ab, er wirkt abgekämpft, angespannt – vielleicht ist es der Blick von der Bühne auf einen leeren Oberrang. Schade, denn eigentlich ist Betterovs Sound ja wie gemacht für diese Jahreszeit, für Schneematsch, eisigen Wind und graue Nachmittage.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.12.2023, 8.00 Uhr

Beitrag von Bruno Dietel

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