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Audio: rbb24 Kulturradio | 14.12.2023 | Tomas Fitzel | Quelle: Tomas Fitzel

Umstrittene Veranstaltung

Berliner Kulturzentrum Oyoun klagt wegen Ende von staatlicher Förderung

Ein Israel-kritischer Verein hält eine Veranstaltung im Kulturzentrum Oyoun ab. Dann wird Oyoun mitgeteilt, dass staatliche Gelder gestrichen werden. Das Haus klagt nun gegen den Senat, wird aber mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert. Von Efthymis Angeloudis

Eine Veranstaltung, die auf den ersten Blick nicht so wirkt, als könnte sie Aufsehen erregen, scheint dem Kulturzentrum Oyoun in Neukölln nun zum Verhängnis zu werden. Wegen der "Trauer- und Hoffnungsfeier" der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten", einem Israel-kritischen Verein von Jüdinnen und Juden, die am 4. November in den Räumen des Kulturzentrums in der Lucy-Lameck-Straße stattfand, soll dem Oyoun nun die staatliche Förderung gestrichen werden - so sehen es wenigstens seine Betreiber.

Kulturverwaltung: Förderung läuft regulär aus

"Es war eine Trauerfeier", sagt die Geschäftsführerin des Oyoun Louna Sbou rbb|24. "Es war zu dem Zeitpunkt unglaublich wichtig, dass diese Stimmen, diese Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam zu trauern, nach jüdischer Tradition. Was soll daran verwerflich sein?"

Nichts, sagt seit Kurzem auch die Senatsverwaltung für Kultur. "Die Förderung des Oyoun läuft zum Jahresende regulär aus. Die Aussage des Oyoun, dass dies aufgrund einer Veranstaltung der "Jüdischen Stimme" passiert, ist nicht zutreffend", antwortet die Pressestelle auf Anfrage von rbb|24.

Zu Oyoun

Verbot von Nutzung von Räumen nicht rechtmäßig

Anfang November war die Position des Kultursenators Joe Chialo (CDU) noch eine andere. "Die Reaktionen, die seit dem 7. Oktober seitens Oyoun erfolgt sind, in Verbindung mit Vorfällen aus den Vorjahren, hat unser Haus in der vergangenen Woche zum Anlass genommen, die Förderung Oyouns grundsätzlich zu überprüfen", ließ er mitteilen. "Es ist meine Absicht, hier schnell zu einem Ergebnis zu kommen und zu handeln."

"Die "Jüdische Stimme" unterstützt laut ihrer Satzung die BDS-Bewegung. Oyoun wurde bereits von der vorangegangenen Hausleitung unter Klaus Lederer (Die Linke) mehrfach darauf hingewiesen, dass öffentlich finanzierte Räume nicht an Organisationen zur Verfügung gestellt werden dürfen, welche die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren", antwortete die Senatsverwaltung für Kultur auf Anfrage des rbb am 15. November. "Auch die neue Hausleitung steht hinter dem Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention. Die Fortsetzung der Förderung wird derzeit geprüft", sagte eine Sprecherin.

BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" und ist eine internationale Bewegung, die Menschen dazu aufruft, Unternehmen und Institute, denen BDS nachsagt, "Israels Politik der Besatzung, Kolonisierung und Apartheid" zu unterstützen, zu boykottieren. Sie fordert zudem internationale Sanktionen gegen Israel.

Es gibt eindeutige historische Gründe für das Unbehagen gegenüber Boykottaufrufen, die viele als vergleichbar mit den Nazi-Boykott-Aufrufen jüdischer Geschäfte betrachten. Ein Verbot der Nutzung von landeseigenen oder vom Land geförderten Räumen für Veranstaltungen zum Thema Israel-Boykott ist allerdings nicht rechtmäßig. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht im Januar vergangenen Jahres [bverwg.de] unter Verweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

Terror-Angriff als "Gefängnisausbruch" bezeichnet

Auf eine Frage der Abgeordneten Manuela Schmidt (Die Linke) vom 7. November, welche Veranstaltungen eine Prüfung der staatlichen Zuwendung veranlasst hätten, antwortete der Kultursenat mit zwei Angaben: Eine Veranstaltung unter Mitwirkung von "Palästina spricht" am 11. Mai 2022 und die "Trauer- und Hoffnungsfeier" der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.", am 4. November 2023. "Diese Veranstaltungen gaben Anlass zur Prüfung der Zuwendung an die Kultur NeuDenken gUG", antwortete die Senatsverwaltung.

Ganz so belanglos, wie die Kulturverwaltung behauptet, scheint die Veranstaltung vom 4. November also doch nicht gewesen zu sein. Verboten ist der Verein "Jüdische Stimme" nicht, ebenso wenig die Organisation "Palästina spricht". Allerdings stehen beide Organisationen in der Kritik, nachdem sie den Terror-Angriff der Hamas vom 7. Oktober als "Gefängnisausbruch" bezeichnet hatten [juedischestimme.de].

Vorwurf von Antisemitismus

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Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Oyoun

Auch in der Vergangenheit habe es Druck gegeben, Veranstaltungen der "Jüdischen Stimme" abzusagen, sagte Oyoun-Geschäftsführerin Sbou dem rbb. Das Kulturzentrum hätte aus Angst vor der Streichung von Mitteln, diesem Druck nachgegeben. Dieses Mal habe man sich anders entschieden, auch weil man sich nicht länger habe anmaßen wollen, welche jüdischen Menschen das Haus mitnutzen und mitgestalten könnten und welche nicht. "Wir möchten uns nicht an antisemitischem Handeln beteiligen und einer jüdischen Organisation Räume verbieten", sagte die Mitgründerin des Oyoun, Nina Martin auf einer Pressekonferenz des Kulturzentrums am Donnerstag.

Ob die "Jüdische Stimme" nach Einschätzung der Kulturverwaltung eine Israel-feindliche oder antisemitische Gruppierung sei, ließ die Pressestelle unbeantwortet. Wohl auch weil es mehr als gewagt wäre, einem jüdischen Verein wie der "Jüdischen Stimme" Antisemitismus vorzuwerfen.

Sbou und die Leitung des Oyoun werden nun selbst mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert, wie der "Tagesspiegel" berichtete [Bezahlinhalt]. Unter anderem wird Mitarbeitern des Oyoun demnach vorgeworfen, einen Musiker, der zu Gast bei einer Veranstaltung war, unter antisemitischen Rufen aus dem Kulturzentrum verwiesen zu haben.

Nach einem Gespräch mit dem aus der Türkei stammenden Musiker berichtete rbbKultur, dass dies "kein antisemitischer Vorfall" gewesen sei, aber Fragen zum Pluralismus im Oyoun aufwerfe. Ein anderer Gast, mit dem der Musiker im Vorfeld eine Diskussion über Antisemitismus gehabt habe, habe dem Awareness-Team des Oyoun gemeldet, sich von ihm bedroht gefühlt zu haben, woraufhin der Musiker gebeten wurde zu gehen. Freunde dieser anderen Person sollen dem Musiker anschließend "Free Palestine" hinterhergerufen haben.

Vorfälle am Vortag

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Am Tag nach der pro-palästinensischen Besetzung eines Hörsaals kommt es an der FU Berlin zu erneutem Protest: Diesmal versammeln sich Studierende der Initiative "Fridays for Israel". Die Hochschul-Leitung äußerte sich ebenfalls.

Läuft die Förderung regulär ab?

Auch in Anbetracht dieser Vorwürfe scheint ein reguläres "Ablaufen" der Förderung, wie sie der Kultursenat beschreibt, angesichts der schriftlichen Vergabe der Förderung von 2022 bis 2025, die dem rbb vorliegt, unpräzise. "Es ist üblich, dass im Zuwendungsverfahren grundsätzlich sowohl auf Antrag als auch fortlaufend geprüft wird, ob die Fördervoraussetzungen (noch) vorliegen", antwortet die Senatsverwaltung für Kultur.

Ein heikler juristischer Fall, bei dem Chialos Verwaltung nicht gerade Kontinuität bewiesen hat. Deshalb hat das Oyoun am 7. Dezember Klage gegen die Kulturverwaltung eingereicht. Die Leitung des Kulturzentrums will damit erreichen, dass die Senatsverwaltung die Förderung von einer Million Euro pro Jahr bis 2025 fortführt.

Die Position der Kulturverwaltung allerdings bleibt: Die Förderung laufe regulär zum Jahresende 2023 aus. Ein neues Konzept für die Lucy-Lameck-Straße werde derzeit noch entwickelt. "Im Rahmen der folgenden Ausschreibung kann sich auch Oyoun wieder bewerben", heißt es auf Nachfrage des rbb. Ob die Aussichten auf Erfolg des Oyoun, sollte es sich nochmal bewerben, nach dieser Vorgeschichte hoch sind, ist mehr als fraglich.

Sendung: rbb Kultur, 14.12.2023, 16:10 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

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