Theaterkritik | "Männerphantasien"
Klaus Theweleits Studien-Klassiker "Männerphantasien" ist am Deutschen Theater Ausgangspunkt für eine heutige Betrachtung von Männerbildern und Gewalt. Ergänzt um weibliche Perspektiven. Barbara Behrendt ist nur teilweise überzeugt.
Mit "Männerphantasien" legte der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit 1977 eine Studie über den "soldatischen Mann" vor, die zum Klassiker der Faschismus-, Gewalt- und Männerforschung wurde. Am Deutschen Theater Berlin haben drei Autorinnen sie um ihre eigenen Texte ergänzt. Am Freitag war Premiere. Was haben Faschisten der 1920er mit denen von heute zu tun?
Zum Beispiel Anders Breivik. Oder die Attentäter in Halle und Christchurch: Frauenhasser und Faschisten. Oder der AfD-Hetzer Björn Höcke: "Nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft", sagt er und zeigt damit das Männerbild und die Frauenverachtung, die Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit in seiner bahnbrechenden Studie collagiert hat.
Theweleits Verdienst war damals, dass er Körperbilder, Sexualität und Psychologie in die Faschismus-Forschung einbrachte. Faschistische Gewalt ist bei ihm das Ergebnis eines gestörten Körperzustands. Vereinfacht gesagt: Die faschistischen Männer des Freicorps der 1920er Jahre sind in ihrem Körper derart verunsichert, dass sie eine übersteigerte Angst beherrscht, von der Außenwelt überflutet und vom weiblichen Anteil in sich überwältigt zu werden. Daher muss alles Weiche und Fließende beherrscht werden.
Schaut man sich um in der Welt, sind zwar große feministische Bewegungen zu verzeichnen, doch ebenso eine starke Hinwendung nach Rechts, mit Körperbildern, die Theweleits Beobachtung ähneln. Man kann Theweleit durchaus an die Gegenwart andocken.
Der Theaterabend "Männerphantasien" nimmt Theweleits 1.200-seitiges Mammutwerk allerdings nur als Grundlage, als Ausgangspunkt für neue Sichtweisen dreier Dramatikerinnen. Ihre kleinen Texte werfen Schlaglichter auf das, wofür Theweleit kritisiert wurde: Frauen allein als Opfer vorkommen zu lassen.
Gerhild Steinbuch steuert den Monolog einer Tätermutter bei. Die Figur steht stellvertretend für alle Frauen, deren Söhne Frauen vergewaltigt oder ermordet haben – und gleichzeitig ihre "Mama" auf ein Podest heben. Der Text versucht, vererbte Traumata aufzugreifen, führt allerdings nicht besonders weit.
Im Monolog von Svenja Viola Bungarten erzählt dagegen eine "Trad-Wife", eine "traditionelle Ehefrau", von ihrer Abkehr vom Feminismus. Wie in einem Youtube-Clip spricht sie ihre "Followerinnen" an und begründet, warum es sich als "stay at home girlfriend" so viel glücklicher leben lässt: Ihr Freund finanziert ihr traditionelles Hausfrauen-Dasein, endlich muss sie kein Rädchen im Getriebe der erschöpften Leistungsgesellschaft mehr sein.
Daria von Loewenich spielt das komisch überzeichnet, und gleichzeitig wird deutlich: Es gibt diese Frauen heutzutage durchaus. "Trad-Wife" ist ein stehender Begriff, ein Tiktok-Trend, ebenso wie das "stay at home girlfriend".
Das dritte Textchen, Ivana Sokolas Männerchor-Szene, kann Theweleit dagegen kaum etwas Neues hinzufügen.
Auf die Bühne kommen die Texte zusammen mit einigen schwer verständlichen Theweleit-Theorien als Szenen-Collage – formal angelehnt an Theweleits mäandernde Bilder- und Zitate-Collage. Der Abend wird so zu einer eklektischen Zitatesammlung, die reichlich verschwurbelt bleibt.
Regisseurin Theresa Thomasberger rettet sich da in den Komödienton: Eine Cartoon-Version des frauenfeindlichen Kickboxers Andrew Tate springt aus einer Pappschachtel, ein Chor aus drei Frauen tritt als Inbegriff der Fascho-Männer-Klischees auf.
Da ist etwa der junge reiche Rechte mit dem Polohemd und den weißen Shorts. Oder der bodenständige Bierbauchträger im Camp-David-Hoody. Dazu tritt immer wieder der Countertenor Steve Katona mit Reifrock zwischen die abgeknickten schwarzen Säulen auf der kleinen Bühne und geht vor den deutschen Landschaftstableaus (Eismeer, Gebirge, romantische Ruine) umher – dass er eine Art "Engel der Geschichte" verkörpern soll, muss man allerdings erst nachlesen.
Der Männerchor mit Svenja Liesau, Daria von Loewenich und Abak Safaei-Rad ergibt da deutlich mehr Sinn, denn das belämmerte männliche Gehabe wirkt an ihren weiblichen Körpern schön ausgestellt. Vor allem Svenja Liesau als Fußball-Fan Jens, der fürs Publikum Würstchen grillt und dann, völlig entgegen dem Klischee, mit Theweleits Worten die Fascho-Welt analysiert, ist wirklich komisch. Verloren geht bei diesem Verlachen der Männer-Attitüden allerdings die bedrohliche Körperlichkeit.
Es gibt sie also noch, die faschistischen Männer, nur in anderen Uniformen. Über diese reichlich banale Einsicht gelangt der Abend allerdings nicht hinaus – trotz aller Theweleit-Zitate, die so verkopft daherkommen und ohne vorherige Textlektüre kaum zu dechiffrieren sind.
Falk Richter erzählt in seinem neuen Abend "The Silence" an der Schaubühne viel genauer und persönlicher vom "Soldatenkörper" seines Vaters und wie er sich auf das Leben des Sohnes auswirkt. Mit dieser Intensität kann "Männerphantasien" am DT nicht mithalten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 2.12.2023, 9:54 Uhr
Beitrag von Barbara Behrendt
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