Kunst-Tiere im öffentlichen Raum
Wer sich in den Dschungel Berlins begibt, begegnet außerhalb der Zoos selten Bisons, Bären oder Pferden. Aber es gibt sie im öffentlichen Raum. Wer sich durch die Stadt bewegt und die Augen offenhält, kann sie entdecken. Von Julia Sie-Yong Fischer
Tiere werden von uns umsorgt, gegessen, auf Instagram gepostet, zu Weihnachten verschenkt, als Familienmitglieder betrachtet, in Käfigen gehalten, in Geschichten zu moralischen Wesen fabuliert, in der Therapie eingesetzt, aus dem Ausland gerettet, als Schädlinge bekämpft. So oder so: Das Tier ist fester Bestandteil des menschlichen Lebens und schon seit den Höhlenmalereien auch aus der Kunst nicht wegzudenken.
Eine kleine Safari durch Berlin zeigt eine fantastische Artenvielfalt, für die kein Eintritt bezahlt werden muss und bei der Streicheln unbedingt erlaubt ist.
Tierskulpturen sind meistens in Nähe von Zoo und Tierparks anzutreffen. So wurden im Berliner Zoo der Nilpferdlegende Knautschke und dem beliebten Gorilla Bobby individuelle Denkmäler gesetzt. Vor dem Tierpark in Friedrichsfelde, etwas abseits in der Nähe des Parkplatzes, steht das 1962 erschaffene, namenlose Bisonstier des Bildhauers Dietrich Rohde. Das Zusammenspiel aus dem typischen, überragenden Schulterbuckel, den stabilen Vorderbeinen und dem eichelförmigen Riesenkopf beeindrucken bei dieser Bronzeplastik sofort.
Trotz der mächtigen Proportionen hat der Bison eine friedliche Ausstrahlung, es geht eine große Ruhe von ihm aus. Wer sich neben den gigantischen Wiederkäuer stellt, fühlt sich gleich von ihm beschützt. Seine mit Flicken und Patina versehene Oberfläche lädt zum Anfassen und Umarmen ein. Er steht hier stellvertretend für eine der ältesten Arten und eine der über siebzig Kunstwerke im Tierpark - ganz still für sich. (Am Tierpark 125, Friedrichsfelde)
Durch seine Wappenbedeutung ist der Bär in Berlin wahrscheinlich der Tierskulpturen-Spitzenreiter. Abgesehen von der Überpopulation der touristischen Buddy-Bären ist er mit über hundert Artgenossen vor Ort durchaus gut vertreten. Schon bei der Einfahrt über die Autobahn nach Berlin-Zehlendorf zum Beispiel heißt die Bärenplastik von Künstlerin Renée Sintenis die Besuchenden willkommen. Bärenskulpturen finden sich auch an drei anderen Straßenübergängen von Brandenburg nach Berlin.
Die zeitgenössische Arbeit des in Berlin lebenden Künstlers Stefan Rink mit dem Namen "Why I Bear- Großer Lastenbär" (2021) zeigt einen auf allen Vieren stehenden Bären mit einem gigantischen Backstein auf dem Rücken. Seine Haltung ist kraftvoll, dabei ist sein minimalistisch dargestellter Gesichtsausdruck angestrengt und hochkonzentriert. Die Einritzungen in den hellen Elbsandstein geben der Skulptur eine Fellstruktur, auf den Backstein haben Unbekannte ein Graffiti-Tag gesprüht.
Das Wortspiel mit dem englischen Wort "bear", das "ertragen" sowie "Bär" bedeuten kann, wurde bei diesem Werk sehr verständlich umgesetzt. Durchaus drollig steht er ein wenig verloren vor der Zionskirche, genehmigt ist er da angeblich nur bis November dieses Jahres. Aber vielleicht muss er dank einer Unterschriftenaktion seinen Standort noch länger ertragen. (Zionskirchplatz, Prenzlauer Berg)
Auch die vier Bären auf der Moabiter Brücke sind in einer untypischen Berliner Bärenpose festgehalten. Die Eisenplastiken des Bildhauers Günter Anlauf aus dem Jahr 1981 sind überzeichnet und ein wenig comic-haft, die gedrungene Statur verstärkt ihre ängstliche Haltung. Fast wirkt es so, als würden sie sich für ihre eigene Überhöhung entschuldigen und sich wundern, was sie da oben eigentlich verloren haben: Eine schöne Kombination aus Unsicherheit und Körpermasse. (Moabiter Brücke: Bartningallee/Kirchstraße, Tiergarten)
Bei diesem öffentlich zugänglichen Werk spielen Tiere nur eine Nebenrolle: das Giebel-Wandbild "Nicaraguanisches Dorf – Monimbó“ (1978) von Manuel García Moia am gleichnamigen Monimbóplatz zeigt, wie die diktatorische Somoza-Garde den Widerstand der indigenen Bevölkerung des Dorfes mit brutaler Gewalt niederschlägt. Gefertigt wurde es im Auftrag des Ostberliner Magistrats.
Die dargestellten Tiere sind im ganzen Bild verteilt, Viele von ihnen fliehen aufgeschreckt, andere liegen bereits am Boden. Außer Nutztieren wie Hunden, Pferden, Gänsen und gefleckten Schweinen gibt es auch einige frei fliegende Vögel, die die Szenerie betrachten.
Die vielen einzelnen Teilszenen auf einer einzigen großen Fläche, festgehalten auf dem wahrscheinlich weltweit größten naiven Mural, machen es zu einem faszinierenden Wimmelbild. Seit seiner Fertigstellung wurde es bereits zweimal erneuert. Und Fans scheint dieses Bild viele zu haben: Ein Bürgerverein unterstützte die Restaurierungen seit 2003 mit Spendenaufrufen. (Skandinavische Straße 26, Lichtenberg)
Eine sehr überraschende Ausstellungsform, die viele Tierdarstellungen quasi aus Versehen beinhaltet, ist das Schaulager "Zwischenablage" im begrünten Hinterhof des Sozialamts Hellersdorf. Das ganze Projekt ist eine etwa zehnjährige Zwischenstation für archivierte Objekte, deren baulicher Kontext nicht mehr existiert, die aber auch noch keinen neuen Standort in Aussicht haben. Das Ziel ist die Sichtbarmachung, die zu einem gesellschaftlichen Austausch über Wert und Platz der Arbeiten führen sollen.
Die Installation wirkt auf den ersten Blick etwas improvisiert, fast wie ein überdachter Flohmarktstand. Unter dem Welldach hängen Mosaiken wie das schon abstrakt wirkende Bild von Peter Hoppe "Der Esel im Löwenfell (La Fontaine)" (1980), das vorher an einem Schulhaus am Teltower Ring befestigt war. Zu den Öffnungszeiten des Sozialamtes können die Exponate neben anderen Skulpturen im Innenhof besichtigt werden. (Amt für Soziales, Marzahn-Hellersdorf, Risaer Straße 94)
Das Kunstwerk "Liegendes Pferd" (1966) von Bildhauer Hans Mettel ist nicht leicht zu finden in dem Park am Karlsbad in unmittelbarer Nähe zur Neuen Nationalgalerie. Das kleine Granitpferdchen kniet neben einem Spielplatz und lädt mit seinem langgestreckten Rücken dazu ein, auf ihm Platz zu nehmen. Der Kopf mit den verkürzten Ohren und den großen Augen wendet sich der betrachtenden Person freundlich zu. Besonders Kinder mögen das graue Tier, auf das sie ohne Fallhöhe klettern und mit ihm spielen können. Spätestens dann sollten sich noch bestehende Berührungsängste mit Kunst ein klein wenig abgebaut haben. (Am Karlsbad, Tiergarten)
Beitrag von Julia Sie-Yong Fischer
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