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Audio: rbb24 Inforadio | 23.01.2024 | Katja Preißner | Quelle: dpa/Karlheinz Schindler

Erfinder von Boney M.

Musikproduzent Frank Farian gestorben

Der Pfälzer Kochlehrling Franz Reuther zog aus, die Welt zu erobern. Er nannte sich Frank Farian und wurde zu einem der erfolgreichsten Pop-Produzenten. In West-Berlin erfand er die Band Boney M. Nun ist Farian im Alter von 82 Jahren gestorben.

Der deutsche Popmusik-Produzent und Ex-Schlagersänger Frank Farian ist tot. Er sei im Alter von 82 Jahren friedlich zu Hause in Miami gestorben, teilte die Agentur Allendorf Media am Dienstag im Namen seiner Familie mit.

Farian hatte seit den 1970er Jahren berühmte Popmusik-Klassiker produziert, darunter "Daddy Cool", "Ma Baker", "Rivers of Babylon" und "Rasputin". Er war der erfolgreichste deutsche Musikproduzent der 1970er und 1980er Jahre.

1976 gründete er in West-Berlin die weltweit erfolgreiche Gruppe Boney M. Auch das Duo Milli Vanilli war seine Erfindung. Anfang der 1990er Jahre war bekannt geworden, dass die beiden Mitglieder der Band Milli Vanilli nicht selbst sangen. Der Film "Girl You Know It's True" von Simon Verhoeven über den Aufstieg und Fall der Gruppe kam Ende 2023 in die Kinos.

Dauergast in Berlin

Farian wurde 1941 als Franz Reuther in Kirn in Rheinland-Pfalz geboren. Er wuchs in Armut auf, seine Mutter machte der Krieg zur Witwe. Mit Franz und seinen zwei Geschwistern zog sie nach Saarbrücken. Nach der Hauptschule machte er dort mit Auszeichnung eine Ausbildung zum Koch, Spezialität: französische Küche.

Aber viel wichtiger wurde ihm bald die Musik, die er im Dachgeschoss seiner Wohnung machte. Der Legende nach soll Farian als Koch in einem Luxemburger Hotel zum ersten Mal eine amerikanische Rock'n'Roll-Band gesehen haben. "An der Rezeption sagte ich, dass ich noch ein Bier trinken gehe - und kam nie wieder", erzählte er später dem "Spiegel" [spiegel.de].

Mit seiner Band "Franky Farian und die Schatten" nahm er 1963 in einem ehemaligen Kuhstall die erste Platte auf. Seine Idole waren damals afroamerikanische Soulsänger wie Sam Cooke und Otis Redding. Farian übernahm mehrere saarländische Diskotheken, daneben entwickelte er sich zu einem soliden Schnulzensänger: "Rocky" aus dem Jahr 1976 erreichte die Spitze der deutschen Single-Charts, der Schlager wurde sein größter Solo-Hit. Da war Farian schon 35 - und plötzlich Millionär.

Dauergast in Berlin

Zur gleichen Zeit entdeckte er sein viel größeres Talent: Songs schreiben und produzieren, von Bands, die er zusammenstellte. Farian bestimmte alles selbst, auch die Bühnen-Outfits wurden nach seinen Ideen geschneidert. "Bei Boney M. etwa habe ich gesagt, die Songs kriege ich mit zwei Studiosängern hin, der Rest ist Image und Verkaufe", erklärte er dem "Stern".

"Daddy Cool" war erst die zweite Single seiner Erfindung - und Farians weltweiter Durchbruch. Er komponierte und textete die meisten Hits der von ihm gecasteten Gruppe aus schwarzen Musikern: drei Frauen und ein Mann. Weil der Tänzer, aber beileibe kein Sänger war, lieh ihm Farian auf den Aufnahmen seine Stimme. Er nannte das wirklich so: "Leihstimme". Auch in Afrika und der Karibik hatte er mit der Band Erfolg.

"Rivers of Babylon" war ein Cover einer jamaikanischen Reggae-Band. An das Original dachte später niemand mehr. Farian verkaufte davon 20 Millionen Singles.

In Berlin war Farian insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren Dauergast. Zum einen gastierte er häufig mit seinen Bands in den ZDF-Sendungen "Disco" und "Hitparade", die in Berlin aufgezeichnet wurden. Zum anderen war hier der Sitz des Musikverlags Hansa, für den Farian arbeitete. In den Hansa-Studios an der Köthener Straße in Kreuzberg nahm er auch Platten mit Boney M. auf.

800 Millionen Tonträger verkauft

Als erste westliche Pop-Gruppe durften Boney M. zehn Konzerte in der UDSSR geben, die Erlaubnis kam von Breschnew persönlich. In London empfing Queen Elizabeth II. die Band. Während sich die bundesdeutsche Szene, vor allem Musikkritiker, höhnisch über Farian ausließen, machte der einfach weiter. Mit der Single "Mary's Boy Child" kam er 1978 ins "Guinness-Buch der Rekorde" - an nur einem Tag waren 175.000 Einheiten ausgeliefert worden. Im Laufe seiner Karriere war Frank Farian an den Verkäufen von mehr als 800 Millionen Tonträgern beteiligt.

Anfang der 1980er Jahre ebbte die Disco-Welle ab. Farian verlor das Interesse an Boney M. und löste die Band kommentarlos auf. Als die Gruppe unter dem Namen später eine eigene Single ohne ihn veröffentlichte, nahm er die Platte vom Markt. Die Boney-M.-Sängerin Marcia Barrett warf Frank Farian später vor, die Band ausgebeutet zu haben [spiegel.de]. Ein früheres Bandmitglied verklagte ihn mit der gleichen Begründung.

Farian versuchte sich in diesen Jahren vor allem an Rockmusik, arbeitete mit Meat Loaf zusammen, coverte Led Zeppelin. Stevie Wonder besuchte den bekennenden Provinzler Farian in dessen Studio. Im hessischen Nest Rosbach nahmen die beiden "I Just Called to Say I Love You" auf.

1988 konzipierte Frank Farian wieder eine Band am Reißbrett: das Pop-Rap-Duo Milli Vanilli. Es erreichte nicht nur in der Bundesrepublik und anderen europäischen Ländern die Spitze der Charts, sondern hatte auch in den USA drei Nummer-Eins-Singles. "Girl You Know It's True" war wieder ein Cover - von dem die Urheber des Originals zuerst nichts wussten. Dafür gab es sogar einen Grammy - und Farian wurde als erfolgreichster Produzent in den USA ausgezeichnet.

Not true

Am Vorabend der Grammy-Verleihung, so erzählte es Farian mal dem "Spiegel", ging er auf eine Party. "Mein Name war in der Musikbranche ein Begriff, mein Gesicht unbekannt. Musiklegende Clive Davis, der Entdecker von Whitney Houston, stellte mich dem Produzenten Babyface vor. 'Das ist Frank Farian, der Producer von Milli Vanilli.' - 'Mein Gott, der ist ja weiß!', entgegnete Babyface völlig entgeistert. Damit hatte er nicht gerechnet. Für mich, der schwarze Musik liebt, war seine Reaktion fast ein Kompliment", sagte Farian.

Dann kam heraus, dass Milli Vanilli ein Fake war. Die Geschichte geht heute so: Die beiden gesanglich eher überschaubar begabten Teile von Milli Vanilli, Robert Pilatus und Fab Morvan, sollen versucht haben, Farian immer mehr Freiheiten abzupressen. Sie überschätzten sich, so die Darstellung von Farian. Das war der Machtmensch im Hintergrund nicht gewohnt - und er mochte es nicht.

Im November 1990 war er es selbst, der bekanntgab, dass Pilatus und Morvan die Songs nie selbst gesungen hatten, sondern drei Profis im Studio. "Er war der Teufel. Wir hatten einen Pakt mit dem Teufel", sagte Morvan damals über seinen Boss. Der Grammy wurde ihnen aberkannt. Enttäuschte Fans zerstörten Milli-Vanilli-Platten mit Straßenwalzen.

200.000 Euro Tantiemen pro Jahr - für einen jahrzehntealten Hit

Farian war kein Typ, den so etwas lange kümmerte. Er streckte die Fühler aus Richtung Eurodance, das Anfang der 1990er als nächste Welle aufbrandete. Ab 1994 arbeitete er mit dem Duo La Bouche zusammen, dessen Album "Sweet Dreams" verkaufte sich mehr als drei Millionen Mal, "Be My Lover" war Farians nächster Nummer-Eins-Hit in Deutschland.

Die Sparte Latin Pop griff er mit dem Trio No Mercy ab, für deren Hit "Where do you go" reichte es immerhin noch für die vorderen Plätze in Deutschland, England und den USA. Nach 35 Jahren im Geschäft erkenne er Marktlücken womöglich besser als andere, sagte Frank Farian damals.

Zugleich war er auch immer ein großer Recycling-Meister seiner eigenen Erfolge, coverte und remixte mehrere Boney-M.-Nummern.Seit Mitte der 1990er lebte Farian vor allem in Miami - die weiterhin sprudelnden Tantiemen hatten ihm längst jede materielle Sorge genommen. "Ich verdiene an 'Rasputin' heute noch 200.000 Euro im Jahr", sagte er der "Bild" kurz vor seinem 80. Geburtstag. Da war das Lied bereits 43 Jahre alt.

Im Frühjahr 2007 feierte Farians Musical "Daddy Cool" in Berlin Deutschlandpremiere. Es floppte. Eine Ehe und andere Beziehungen scheiterten. Zuletzt lebte Frank Farian zurückgezogen in seinem Apartment in Miami. 2022 musste ihm eine künstliche Herzklappe eingesetzt werden, er war auf den Rollstuhl angewiesen. Er hinterlässt vier erwachsene Kinder in den USA und Deutschland. Dort soll er nun auch begraben werden - wie es sein Wunsch war.

Worauf er stolz sei, wurde Frank Farian vor wenigen Jahren vom rbb gefragt. "Dass ich, glaube ich, viele Menschen glücklich gemacht habe mit meiner Musik", antwortete er.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.01.2024, 13:30 Uhr

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