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Audio: rbb24 Inforadio | 12.01.2024 | Anja Caspary | Quelle: dpa/Koall

Blixa Bargeld wird 65

"Ich würde mich als musikalischen Erfinder bezeichnen"

Seit mehr als 40 Jahren ist Blixa Bargeld Musiker, Autor, Schauspieler. Zur Ruhe setzen will sich der Frontmann der Einstürzenden Neubauten und langjährige Gitarrist von "Nick Cave & The Bad Seeds" aber noch lange nicht. Von Anja Caspary

Eine Ikone steht barfuß vor mir im Berliner Loft mit Fußbodenheizung: Blixa Bargeld ist groß, wie immer ganz in Schwarz gekleidet und hat leuchtend blaue Augen. Er ist der Mann, der internationale Musikgeschichte geschrieben hat, der 20 Jahre lang mit "Nick Cave & The Bad Seeds" spielte und 1980 in Berlin die Einstürzenden Neubauten gründete. Am 12. Januar 1959 wurde Blixa Bargeld in Berlin als Hans-Christian Emmerich geboren, jetzt feiert er seinen 65. Geburtstag.

Seine Stimme kann einem durch Mark und Bein gehen - wie beim Epilog von "Haus der Lüge" (1989) oder bei den erotischen Gedichten von Bertolt Brecht (2006). Seinen Körper kann er einsetzen wie ein Instrument. Mit seiner Band wurde er zum Avantgarde-Liebling der Theaterhäuser und auch das Feuilleton fand schnell Gefallen an ihm.

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"Studieren bot sich nicht an"

Der West-Berliner aus Friedenau hat eine erstaunliche Entwicklung vollzogen, denn: "Ich bin ja von der Schule geflogen, da gibt es verschiedene Geschichten drüber: Die eine beinhaltet den Satz Brandstiftung, die andere sagt politische Betätigung. Ich habe nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Insofern bot sich für mich nicht das Studieren an, alles, was ich werden konnte, ist Künstler in irgendeiner Form."

Sein Elternhaus verließ er mit 17 und brach den Kontakt zu seinen Eltern ab. "Ich brauchte das, brauchte den klaren Bruch eher als eine verlängerte Erziehungsmaßnahme."

"Raum, durch den etwas hindurchfließt"

Mit 20 Jahren gründete Blixa Bargeld die Einstürzenden Neubauten. Seit damals, 1980, kann er "Channeln": Wenn er die Bühne betritt, ist fast ein Sprung in der Atmosphäre zu spüren, die Luft lädt sich auf, das Publikum reagiert. Der Konzertbesucher fängt an zu pogen, der Theaterzuschauer erstarrt im Plüschsessel wie das Kaninchen vor der Schlange.

Die Bühne sei für ihn ein heiliger Bezirk, sagt Blixa Bargeld. "Bevor ich auf die Bühne gehe, ziehe ich mir Schuhe und Socken aus, gehe barfuß auf die Bühne und verlasse das normale Raum-Zeit-Kontinuum", schildert er es. "Ich öffne über mir einen Raum, durch den etwas hindurchfließt und das gebe ich nach außen weiter. Das hat nichts mit mir zu tun, das ist einfach eine Fähigkeit, ohne die ich nicht leben könnte", so der Musiker. "Wenn ich dann die Bühne verlasse und meine Schuhe wieder anziehe, dann bin ich wieder Blixa Bargeld und dann kann man sich auch wieder mit mir unterhalten - falls ich nicht innerlich so aufgewühlt bin, dass ich eine Weile brauche, um mich wieder zu beruhigen."

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Crowdfunding schon vor zwei Jahrzehnten

Die Einstürzenden Neubauten waren in den 80ern mit ihrem Industrial-Krach der Anfänge Vorbild von Depeche Mode und wurden im Ausland schnell als etwas Besonderes aus Deutschland wahrgenommen. Italien ist noch immer eine Hochburg, aber auch Briten, US-Amerikaner und Japaner folgen der Band seit fünf Jahrzehnten treu und finanzieren ihre Arbeit. Denn seit 2002 nutzte Blixas Frau Erin Bargeld das Crowdfunding. Sie nannten es damals "Supportermodell" und ließen sich damit über 20 Jahre ihre Alben-Produktionen von den Fans finanzieren.

20 Jahre lang hat Blixa Bargeld parallel zu seiner Berliner Band auch bei Nick Caves Band Gitarre gespielt und die zweite Stimme gesungen. Ihre Begegnung fand 1984 in Kreuzberg statt: "Ich glaube, ich bin Gitarrist bei den Bad Seeds geworden, weil ich mal nachts an der Mauer in einem kleinen 8-Spur-Studio mit Nick eine Session gemacht habe, wo ich so unglaublich laut gespielt habe, dass er für den Rest seines Lebens beeindruckt war. Wenn er mich gefragt hätte, ob ich Klarinette in seiner Band spiele, hätte ich das auch gemacht", sagt Blixa Bargeld. "Ich selbst bezeichne mich aber nicht als Gitarristen, ich würde mich eher als musikalischen Erfinder bezeichnen. Ich war bei den Bad Seeds mehr für die musikalischen Sonderzustände zuständig."

"Nicht das Gefühl, dass ich mit allem fertig bin"

Der 65-Jährige, der sich vor 50 Jahren entschloss, Künstler zu werden, blieb auch immer jenseits der Musik kreativ. Er spielte in Filmen mit, aber sagt: "Ich wollte nie Schauspieler sein, ich respektiere dies als ein Handwerk, das ich nicht kann. Was ich kann, ist sprechen - nicht spielen. Aber ich wurde oft gefragt." Auf eine Rolle sei er aber stolz, sagt Blixa Bargeld: auf die des Psycho-Gurus in Christian Froschs Film "Die Totale Therapie" (1996). "Der Film war gut", sagt Bargeld und lacht. "Der Dreh war so lustig."

Überhaupt lacht Blixa Bargeld an seinem Esstisch viel. Er wirkt aufgeräumt und voller Tatendrang: "Ich habe gerade ein neues Neubauten-Album vollendet, habe neue Songs mit Teho Teardo aufgenommen und bereits vier Songs mit meiner Schweizer Band Kiku." In seinem Jubiläumsjahr dürfte Blixa also noch mehrere Alben veröffentlichen. Im März singt er beim skandinavischen Projekt Flammenwerfer im Malmöer Konserthus, im Herbst kommt die Europatour der Einstürzenden Neubauten. Zur Ruhe setzen geht anders.

Will er mit 65 denn nicht mal kürzer treten? "Nein", sagt Blixa Bargeld. "Wenn ich das Gefühl hätte, da ist schon alles erledigt, dann wäre das nicht förderlich für meine innere Balance. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit allem fertig bin. Ich muss da immer noch was machen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2024, 09:55 Uhr

Beitrag von Anja Caspary

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