Audio: Antenne Brandenburg | 11.01.2024 | Eva Kirchner-Rätsch | Quelle: Tony Schönberg/rbb
31. Burgschreiber
Ex-Punk Henryk Gericke schreibt in Beeskow über Berlin der 1990er-Jahre
In den Wendejahren brüllte Henryk Gericke seine Wut in einer Punkband hinaus. Aus kurzen Texten wurde Lyrik. Jetzt hat der Berliner - mittlerweile Romanautor - die Stelle als Burgschreiber in Beeskow angetreten.
Ein neuer Burgschreiber residiert seit wenigen Tagen auf der Burg Beeskow (Oder-Spree). Der Berliner Henryk Gericke ist der mittlerweile 31. Autor, der das Amt innehat, und beerbt damit seine Vorgängerin Franziska Hauser.
Gericke hatte die Jury im vergangenen Herbst mit mehreren Leseproben und einem Motivationsschreiben überzeugt. Als Begründung nannte das Gremium mit Kulturvertretern des Kreises und der Stadt unter anderem das spannende Zusammenspiel aus seinem biografischen Hintergrund in der Ost-Berliner Punkszene und seinem begonnenen Romanprojekt.
Nun lebt und arbeitet Henryk Gericke für fünf Monate in Beeskow. Ihm stehen dort ein Förderstipendium in Höhe von 5.000 Euro sowie freier Wohn- und Arbeitsraum zur Verfügung: in einer Burgschreiber-Wohnung, mit Blick auf den historischen Burghof auf der einen Seite und auf die mittelalterliche Stadt auf der anderen Seite. "Das hier ist eigentlich eine Vollkomfort-Burg", sagte der 59-Jährige dazu.
"Ob man sich jetzt schon eingelebt hat, kann man eigentlich erst später beurteilen, wenn man den Ort ein bisschen besser kennengelernt hat", bilanzierte Gericke die ersten Tage. "Aber ich bin da guter Hoffnung." Sein erster Eindruck sei, dass es sich in Beeskow gut aushalten lasse. "Ohne mich ranschleimen zu müssen, - also als Burgschschleimer - finde ich den Ort sehr sympathisch." Es seien sogar beste Voraussetzungen, um einen gesunden Abstand von der Großstadt Berlin zu gewinnen.
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Neues Buch über den Prenzlauer Berg der 90er
Ein Abstand, so die Hoffnung des Autors, der Kreativität fördert und für Ruhe sorgt, denn die braucht Henryk Gericke für sein Romanprojekt, an dem er in Beeskow arbeiten möchte. "Das hat viel mit meiner Geschichte im Prenzlauer Berg zu tun, weniger mit meiner Geschichte in der DDR. Es geht um einen Mann, der aus einer akuten Notsituation heraus nicht weiß, wo er bleiben soll. Er bekommt das Angebot, in eine verlassene Werkstatt zu ziehen, wie es in den 90er Jahren im Prenzlauer Berg und Ostberlin überall anzutreffen war."
Die 1990er Jahre seien für ihn eine prägende Zeit gewesen, in der er fast ausschließlich Gedichte geschrieben habe, erzählt Gericke. Seit 2004 beschäftigt sich der Ur-Berliner mit der Aufarbeitung und Dokumentation der Gegen- und Subkultur der DDR - auch weil er selbst Teil dieser Szene war: In den 1980er Jahren gründete er die Punkband "The Leistungsleichen", engagierte sich politisch und war Herausgeber mehrere Underground-Zeitschriften.
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Eine Entwicklung vom Punker zum Lyriker und Autoren - das sei für ihn kein Widerspruch, sagt Gericke. Im Gegenteil: "Für die Band, in der ich gesungen oder eher geschrien habe, habe ich auch die Texte geschrieben. Das war eigentlich der Anfang meines Schreibens. Das waren minimalistische Texte, die teilweise nur aus einem Satz bestanden, den ich gebrüllt habe - in steter Wiederholung und Empörung natürlich. Die waren aber wirklich echt und ich will da jetzt keine Witze drüber machen." Über den Umweg der Musik sei er dann zur Lyrik gekommen. Eine Zeit, die er genossen und in der er, - wie er selbst sagt - das "Punk-Sein" ausgelebt hat.
Aus dem Kiez in die Kleinstadt
Inzwischen schlägt Gericke leisere Töne an. Er organsiert und kuratiert in seinem Lieblingskiez Prenzlauer Berg Ausstellungen, schreibt Bücher und Texte. Sein aktueller Roman ist in Arbeit. Das erste Kapitel will er bei seiner Antrittslesung am 13. Januar auf der Burg Beeskow zu Gehör bringen.
Und dann sind da auch die Beeskower, denen er gern begegnen möchte, weil sich die Kleinstadt auch so ein bisschen wie sein Kiez anfühlt, sagt der 59-Jährige. "Man nimmt immer dieselben Straßen. Irgendwann grüßt man die Leute, die man kennt. Ich glaube, es wird gar keine riesigen Unterschiede geben. Aber mal sehen."