Ausstellung im Potsdamer Landtag
Erben sind oft überfordert mit Kunstnachlässen und behandeln diese nicht sachgerecht. Ein Verein in Brandenburg fürchtet deswegen um kulturelle Schätze aus der Region. Eine Ausstellung im Landtag soll auf das Problem aufmerksam machen. Von Torsten Sydow
Ein Marmor-Torso mit rauer Oberfläche, Installationen aus glänzendem Edelstahl und knallbunte Malereien auf mehreren Quadratmetern Leinwand – so sehen die Kunstwerke von Werner Stötzer, Philipp Schack und Christian Roehl auf den weißen Fluren des Landtagsgebäude in Potsdam aus. Aus privaten Nachlässen in Alt Langsow, Falkenberg (beide Märkisch-Oderland) und Stahnsdorf wurden sie herantransportiert, um wieder mal einer breiten Öffentlichkeit gezeigt werden zu können.
Einen noch weiteren Weg aus dem Nachlassquartier im uckermärkischen Suckow hatten die Plastiken von Heinz Worner. Der 1910 geborene Worner absolvierte eine Steinbildhauer-Lehrer, wurde 1931 KPD-Mitglied, emigrierte nach Großbritannien und kam nach Kriegsende in die DDR.
Die Büste eines jungen Mannes mit einem traditionellen Tuch über der Brust fällt unter Worners Ausstellungsstücken besonders auf, sagt Ausstellungskuratorin Liane Burkhardt. "Das ist die Büste eines jungen Mannes aus Ghana. Aus verschiedenen afrikanischen Ländern wurden in der DDR junge Menschen ausgebildet. In dieser Zeit entstand von Heinz Worner diese Gipsarbeit. Mit der Zeit ist sie schon geschunden", sagt die Kuratorin und streicht über die braune Büste.
Der Verein Private Kunstnachlässe im Land Brandenburg e.V. sei froh, dass eine Enkelin Worners an sie herangetreten war, so Burkhardt. Sie berichtet vom Eindruck, dass von Generation zu Generation für die Erben der Künstlerinnen und Künstler der Bezug und die Verbindlichkeit zu Gemälden und Plastiken verlorengehen.
Erben kämen an Grenzen. Mal würden Graphiken vorbildlich in speziellen Schränken aufbewahrt, woanders wird die Situation von Nachlässen als prekär beschrieben. So drohten kulturelles Gedächtnis und auch Identität einer Region zum Teil verloren zu gehen. Von rund 150 privaten Künstlernachlässen zwischen Prignitz und Lausitz müsse ausgegangen werden. Darum sei es an der Zeit, ein Kernbestandsdepot mit Werken dieser Künstler im Land Brandenburg anzulegen, sagt die Kunsthistorikerin Burkhardt.
Wichtig sei, "diese Perlen aus der privaten Hand in die öffentliche Hand zu geben, damit langfristiges Bewahren über die Enkelgenerationen hinaus möglich wird". Brandenburg müsse die Werte seines Landes schützen, fordert Burkhardt. Kernbestand bedeutet aus Sicht des Vereins Private Kunstnachlässe im Land Brandenburg, rund 5 bis 10 Prozent des Nachlasses beziehungsweise Werksbestandes werden von einer Fachjury auf Grund hoher ästhetischer Qualität ausgesucht und gesichert.
Ein Anfang für ein regionales kulturelles Gedächtnis ist vor mehr als zehn Jahren gemacht worden. Liane Burkhardt und Thomas Kumlehn bauten eine Datenbank mit tausenden Fotos und weiteren Angaben auf. Heute umfasst sie den Nachlass von 30 Künstlerinnen und Künstlern, die in Brandenburg gelebt haben. Doch das genüge nicht, die besten Werke müssten auch greifbar sein. Sie müssten präsentiert werden und an ihnen müsse geforscht werden können, so Burkhardt.
Ob es zwei oder drei dezentrale oder nur ein Kernbestandsdepot für regionale Kunst in Brandenburg geben soll, sei nebensächlich, sagt Burkhardt. Eine sachgerechte Aufbewahrung sei entscheidend und als "Sahnehäubchen" wären zwei Schaudepot-Räume für Begegnungen mit der Kunst vergangener Jahrzehnte wünschenswert.
Im Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur wird die Arbeit des Vereins Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg geschätzt, versichert Staatssekretär Tobias Dünow. "Kein Foto, kein Video ersetzt jemals das konkrete Kunstwerk, die Installation, das Bild, die Plastik", sagt Dünow. Es gebe in Brandenburg das Landesmuseum für Moderne Kunst, das Nachlässe erwerbe, aber kein Archiv für weitere Sammlungen. Ganz kurzfristig werde ein Kernbestandsdepot in Brandenburg nicht realisiert werden können, gesteht der Staatssekretär ein, aber die Debatte sei wichtig und der Verein werde seit Jahren finanziell vom Ministerium unterstützt.
"(K)ein Kernbestandsdepot für Künstlernachlässe im Land Brandenburg" – das ist der Titel der Jahresausstellung im Landtag, die bis zum 20. Dezember dieses Jahres werktags zwischen 8 und 18 Uhr zum Besuch einlädt. Am (K)ein wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Dadurch könnten das, was Liane Burkhardt "Perlen" nennt, verlorengehen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2024, 13:54 Uhr
Beitrag von Torsten Sydow
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