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Audio: rbb24 Inforadio | 31.01.2024 | Magdalena Bienert | Quelle: transmediale/Luca Girardini

Transmediale 2024 beginnt

Du machst das großartig, Schätzchen!

Es ist bereits die 37. Ausgabe des Transmediale-Festivals. "Plattform für Digitalkultur und kritische Reflexion", lautet der Untertitel der Veranstaltung, die diesmal mit einer Art falschem Lob überschrieben ist: "You're doing amazing, sweetie". Von Magdalena Bienert

Der englischsprachige Titel dieser Transmediale ist einem Meme entlehnt, das bereits 2007 viral ging und aus dem Reality-TV Format "Keeping Up With The Kardashians" stammt. Die Buchstaben dieser Floskel, (zu deutsch: Du machst das großartig, Schätzchen!) stehen in typisch gezackter Horrorfilm-Optik auf dem Programmheft. Dieses Jahr geht's nämlich in Ausstellungen, Panels und Filmen um die grausigen und toxischen Seiten von Online-Inhalten, denen wir uns aussetzen.

Anna-Lena Panter vom Transmediale-Team beschreibt es so: "Es geht um die Beziehung zwischen Content – Consumer und Producer und Creator Sein. Das ist ja ein Spannungsverhältnis als Künstler:in, wenn man im digitalen Bereich arbeitet und den content immer vor Augen hat und gleichzeitig eingreift und Produzent dessen wird." Jede:r sei so in der Lage seine eigenen Realitäten zu schaffen, aber auch zu manipulieren und in bestimmte Richtungen zu steuern.

Gelungene Ausstellung im Kunsthaus Bethanien

Im Kunsthaus Bethanien in Kreuzberg wird die Ausstellung "this is perfect, perfect, perfect" gezeigt, dieser Titel ist auch wieder einem bekannten Meme entlehnt. Zwölf Künstler:innen beschäftigen sich hier vorranging mit Social-Media-Inhalten, wie dem Gesundheits- und Optimierungswahn, Protestkultur, Gaming oder Waffen-Verherrlichung. Sehr spannend und vielseitig: mal gelangt man durch einen riesigen silbernen Rattenkopf in ein Hotelzimmer oder sieht einer gemieteten Menschenmenge (Crowds on Demand) dabei zu, wie sie vor einem Green Screen mit leeren Schildern stumm protestieren – wogegen bleibt hier jedem Betrachter selbst überlassen.

"Video-Porn" - Wie gehen wir um mit den Zusammenbrüchen im Netz, die wir miterleben?

Der 26-jährige irische Künstler Luke van Gelderen lässt in einem Raum eine bestürzende Videoschleife aus echten Instagram-Reels und Tik Tok-Videos laufen. Die Kuratorin nennt das "Video-Porn": Menschen fahren mit dem Auto durch brennende Wälder und filmen sich dabei.

Van Gelderen hat auch Clips zusammengefügt, in denen meist junge Mädchen vor ihrer Community zusammenbrechen und weinen, weil sie dem Hass aus dem Netz nicht mehr gewachsen sind. Das macht was mit einem. Es ist auch unfassbar traurig mit anzusehen, wie ein Gamer sein ganzes Unglück herausschreit, dass er seine Streams hasst, nicht mehr schläft, nur ungesund isst und kein soziales Leben mehr hat. Er sei einfach todunglücklich, brüllt er uns ins Gesicht. Luke van Gelderen hat mit dem Sammeln solcher Videos angefangen, als er selbst an einem Punkt war, wo ihm das Surfen im Netz keinen Spaß mehr gemacht hat.

"Weil ich das Gefühl hatte, dass einfach alles zu Content gemacht wird. Ich persönlich kann damit umgehen, aber ich fing an, darüber nachzudenken, inwieweit es uns beeinflusst. Ich bin dem aus einer männlichen Perspektive nachgegangen und der Idee, dass (in social media) alles performt ist: Männlichkeit, Authentizität, selbst Gefühle."

Strike Germany sorgt für Boykott

Ein Raum im Bethanien ist leer, bis auf eine ebenfalls leere Vitrine. Die Künstlerin, die hier nicht ausstellt, ist eine von insgesamt acht, die dem Boykott-Aufruf von Strike Germany gefolgt ist. Der Aufruf wirft deutschen (öffentlichen) Kultureinrichtungen vor, das Recht auf freie Meinungsäußerung und insbesondere die Solidarität mit Palästina zu unterdrücken.

Die Transmediale wird auch durch den Bund gefördert (gerade verlängert bis 2029 gibt es jährlich 700.000 Euro für das Kunst-Festival). Die Transmediale kooperiert mit dem gleichzeitig stattfindenden CTM-Musikfestival, auch hier gab es im Vorfeld immer wieder Absagen von Artists.

Absagen sorgen für Lücken

Anna-Lena Panter und ihr Team bei der Transmediale treffen diese Absagen besonders im Film-Programm, vier Filme wurden zurückgezogen und der Film-Kurator hat sich vom Festival distanziert. Da seien natürlich "Lücken sichtbar". Durch die Kurzfristigkeit hätte man auch keinen Ersatz mehr finden können, andererseits sei das auch nicht unbedingt gewünscht gewesen, denn, so Panter: "Wir wollen die Sichtbarkeit der Künstler:innen dennoch gewährleisten und das offen kommunizieren. Das ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen und das respektieren wir. Das scheint einfach gerade der Lauf der Zeit zu sein."

Unfreiwillig ist die Transmediale mitten in eine politische Debatte geraten und setzt dabei auf Transparenz.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2024, 9:54 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

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