Parties, Musik- und Kultur-Events
Im August 1973 erfand ein New Yorker DJ den Hip-Hop-Beat. Im "HQforty4" in Friedrichshain wird der 50. Geburtstag der Musikrichtung gefeiert, die auch Berlin verändert hat. Mit 50 Wochen Party, Musik- und Kulturveranstaltungen. Von Marvin Wenzel
Unter der Decke hängt noch ein gelber Toyota-Sportwagen, aus den Lautsprechern dröhnen Oldschool-Hip-Hop-Beats aus den Neunzigerjahren: Die "HQforty4 - The Hip-Hop-Headquarters" verwandeln ein leerstehendes Autohaus im Friedrichshain in einen Kulturort. In den nächsten 50 Wochen wird hier der 50. Geburtstag des Hip-Hop gefeiert. Unter anderem mit Live-Konzerten, Ausstellungen, Diskussionsrunden und Breakdance-Workshops.
An diesem Samstagnachmittag macht sich der Berliner Tänzer und Choreograf Raphael Moussa Hillebrand im oberen Teil der 8.800 Quadratmeter großen Fläche warm für seinen Auftritt am Abend. Dort hängen bunte Gemälde, die zu seinem knalligen Outfit passen - Mali-Fußballtrikot und gemusterte Tanzhose. Hillebrand dehnt sich und übt ein paar Breakdance-Moves, bei denen er sich innerhalb von einer Sekunde am Boden mehrfach um die eigene Achse dreht und anschließend wie schwerelos in die Luft springt.
In einer Stunde beginnt seine Show. Dann möchte er seine schwindelerregenden Tanzschritte zeigen und sein Publikum zu einer "Cypher" animieren. "Das ist im Hip-Hop-Slang eine Gruppe von Leuten, die zusammen im Kreis tanzen", sagt er und bewegt dabei seine Hände rhythmisch vor seinem Gesicht. "Wir werden uns Energie hin- und herschieben und den Beat durch unseren Körper fließen lassen."
Hillebrand lernte das Breakdancen Ende der Neunzigerjahre in Berliner Jugendzentren. Sein Herz schlug von Anfang an für die Subkultur, die sich neben Rap-Musik und DJing auch um Graffiti, BMX und Tanzkunst dreht. Er sagt: "Berlin ist in Deutschland die Hauptstadt des Hip-Hop." Durch die in Westberlin stationierten amerikanischen Soldaten seien bereits in den Achtziger Jahren Hip-Hop-Platten und Clubs in die Stadt gekommen. Das habe schon damals das Aufkommen einer jungen Hip-Hop-Szene möglich gemacht.
Zu den Wurzeln der Musikrichtung hat Kuratorin Jordanis Kifle eine kleine Ausstellung zusammengestellt, die die Besucher mitnimmt ins New York der Siebzigerjahre. Dort entstand die Musikrichtung im August 1973. Kifle steht vor einem Bild von einem roten Backsteinhaus und sagt: "Hier sehen wir das Haus 1520 Sedgwick Avenue in der Bronx. Das ist der Geburtsort von Hip-Hop."
In dem Backsteinhaus schmeißt der amerikanisch-jamaikanische DJ Kool Herc damals eine Geburtstagsparty für seine Schwester. Er legt Vinylplatten auf und mischt sie so ab, dass ihre Schlagzeugsolos einen durchgehenden Beat ergeben. Diesen Rhythmus würden heute die meisten Menschen mit Hip-Hop in Verbindung bringen. Für Kifle Grund genug, um das 50-jährige Jubiläum dieses Ereignisses in Ehren zu halten und den Eingang des Gebäudes nachbauen zu lassen. Vor dem steht sie und sagt: "Das Erlebnis soll immersiv sein!"
Hip-Hop veränderte in den letzten 50 Jahren die internationale Kulturszene und auch Berlin, wie kaum eine andere Musikrichtung. Kifle sagt: "Berlin hat in den Zweitausendern übernommen: Damals natürlich mit Aggro Berlin. Das war kommerziell das erste Mal, dass Berlin so richtig auf der Karte war."
Zu dem Jahrzehnt, in dem das Hip-Hop-Label Aggro Berlin rund um Sido und Fler mit harten Straßenrap erfolgreich wurde und wenig später Peter Fox mit seinem ikonischen Album "Stadtaffe" Hip-Hop wohnzimmertauglich machte, ist in der Ausstellung nur wenig zu sehen. Die Bilder, Platten-Cover und Texte konzentrieren sich auf die Blockbuster der amerikanischen Hip-Hop-Geschichte. Zu sehen sind Aufnahmen von US-Gruppen wie dem Wu-Tang Clan und Cypress Hill. Die Ausstellung soll in den nächsten Wochen aber noch erweitert werden und dann etwas mehr Berlin-Bezug bekommen.
Die ehemalige Autohalle ist gegen 18 Uhr voll. Rund 2.000 Gäste sind laut Schätzungen von Kifle für das kostenfreie Angebot in die Stralauer Allee 44 gekommen. Sie trinken Heißgetränke im "Cypher Cafe". Einer Bar, die mit dem Konterfei von Rapper Jay Z geschmückt ist. Zudem gibt es eine kulinarische Ecke, in der Streetfood-Gerichte aus Ghana angeboten werden. Mittlerweile ist auch die Tanzfläche vor dem DJ-Pult gut gefüllt, auf der Breakdancer Raphael Moussa Hillebrand nun seinen Auftritt hat.
Während er mit großen Schritten auf die Bühne läuft, sagt er grinsend: "Ich bin nur ein bisschen aufgeregt, ich freue mich so sehr auf die Crowd!" Zunächst präsentiert er dem Publikum seine Drehungen, Sprünge und Formationen. Zeitweise verlagert er sein gesamtes Körpergewicht nur auf einen Arm. Nach einigen Minuten schnappt er sich ein Mikrofon und sagt: "Jetzt seid ihr dran: Stellt euch bitte alle in einen Kreis!" Der Breakdancer macht ein paar Tanzschritte vor und fängt an zu klatschen. Die Menge macht ihm nach. Dann sagt er: "Und jetzt alle Freestyle: Zeigt eure coolsten Tricks oder macht einfach das, was euer Nebenmann macht." Gesagt, getan. Das Publikum wird zu einer tanzenden Menge. Kinder, Erwachsene und Jugendliche strömen durcheinander und führen sich gegenseitig ihre Lieblings-Tanzschritte vor. Hillebrands Breakdance-Show zeigt, wie verbindend die Musikrichtung sein kann. Die vereinende Kraft des Hip-Hop.
Beitrag von Marvin Wenzel
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