"NetzebandKultur"-Frühjahr in Brandenburg
Netzeband ist vor allem für seinen Theatersommer bekannt. Aber bereits jetzt bietet das kleine Dörfchen in Ostprignitz-Ruppin wieder viel Kultur mit Lesungen, Konzerten und Diskussionsrunden. Von Björn Haase-Wendt
Netzeband, das kleine Dorf mit etwa 160 Einwohner bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin), verbinden viele mit dem Theatersommer. Dann treten Schauspieler zum Beispiel mit übergroßen Masken beim Synchrontheater auf. Doch auch jetzt zur kühleren Jahreszeit bietet das Dorf viel Kultur. In der Frühjahrsspielzeit sind noch bis Anfang Juni im Rahmen von "NetzebandKultur" zahlreiche Veranstaltungen von Lesungen über Konzerte bis zu Diskussionsrunden geplant.
Der Start am vergangenen Wochenende war bereits ein großer Erfolg. Erstmals gab es in der Temnitzkirche eine Tanzveranstaltung. Bei "Netz'Dance" feierten die Besucher zu Hits der 80er und 90er-Jahre, die Party war ausverkauft. Am kommenden Wochenende dürfen dort nun die Freunde der ruhigeren Musik mit Genuß lauschen. Am 24. Februar wird in der 190 Jahre alten Kirche französische Kammermusik aufgeführt: Sabina Matthus-Bebie an der Klarinette und Yuki Inagawa am Klavier spielen Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
"Das ist alles ganz tonal und auch gefällig, teils auch nicht ganz einfach, aber Musik, die mir persönlich sehr am Herzen liegt", sagt Sabina Matthus-Bebie, die auch die künstlerische musikalische Leiterin des Fördervereins Temnitzkirche ist. Bei ihrem Konzert gibt es Werke unter anderem von Claude Debussy, Francis Paulenc und Jean Francaix zu hören.
Es sind kleine Konzerte wie dieses, die der Förderverein bis Juni plant, mit zwei bis zu maximal sechs Musikern, erklärt Sabina Matthus-Bebie. Etwa bei der "Winterreise ohne Worte" vom Duo "Im Goldrausch", das Franz Schuberts Liederzyklus "Die Winterrreise" mit Klarinette und Akkordeon am 16. März auf die Bühne bringt oder mit dem 2023 gegründeten Brandenburg-Reedquintett am 11. Mai. Dann gibt es in einer besonderen Besetzung Johann Sebastian Bachs "Die Kunst der Fuge" zu erleben: "Bei Reedquintetetten gibt es keine Querflöte und kein Horn, stattdessen gibt es Oboe, Klarinette, Saxofon und Fagott", sagt die künstlerische Leiterin.
Die sechste Spielzeit von "NetzebandKultur" steht unter dem Motto "Mensch! Natur! Kultur!". Damit schlügen die Kulturschaffenden den Bogen zur Region, erklärt der Mitorganisator Hans Machowiak: "Wir beschäftigen uns schon in Teilen mit dem, was unsere ländliche Region hier mitbringt. Das hat mit Ereignissen in der Natur oder Umweltschutz zu tun, aber auch mit Tieren."
Erstmals macht deshalb auch die Ökofilmtour in Netzeband Station. Am 13. April wird der ARD-Film "Kampf ums Klima – Scheitert die deutsche Energiewende?" gezeigt. Gerade angesichts des weiteren Ausbaus von Windkraftanlagen, immer neuen Solarparks oder der Suche nach einem Atommüll-Endlager-Standort erwartet Hans Machowiak nach dem Film eine spannende Diskussion, wie er sagt. Auch Netzeband war mal als Endlager im Gespräch. Zu Gast sind der Leiter des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land, Mario Schrumpf und Thomas Kresse, der Amtsdirektor des Amtes Temnitz.
Um die Heimat und ihrer Bedeutung geht es bereits am 17. März beim beliebten Erzählcafé. Einwohner und Gäste sind aufgerufen zu berichten, was für sie Heimat bedeutet, woran sie die Heimat festmachen und auch wie es ist, die Heimat zu verlieren. "Jeder verbindet etwas mit dem Begriff Heimat, aber man kann auch feststellen, dass der Begriff anfällig ist von bestimmten politischen Strömungen gekapert zu werden", sagt Hans Machowiak auch im Hinblick auf die anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen in Brandenburg.
In Netzeband steht aber auch das Schauspiel auf dem Programm. Im vergangenen Jahr verbrachte die Lyrikerin Ariana Emminghaus als sogenannte "Temnitzschreiberin" mehrere Monate in der Region. Am 23. März bringt sie ihr Stück "Missbildungen" auf die Bühne der Temnitzkirche. "Der Text passt von seinem Naturbezug und seiner dramaturgischen Verrücktheit so in unsere Region, dass wir gesagt haben, Ariana könntest du dir vorstellen, das Ding hier uraufführen zu lassen", erklärt Machowiak.
Für die Zuschauer gibt es witzige Dialoge etwa zwischen dem Baum und einer Schlingpflanze, aber auch eine Wolke, ein Brand und ein Tropfen kommen zu Wort. Regie führt Machowiak selbst - er verspricht einen amüsanten und spannenden Abend.
Anlässlich des 160. Geburtstags des Schriftstellers und Dramatikers Frank Wedekind bringen Machowiak und Daria Monciu dann am 25. Mai Wedekinds "Aufschrei" auf die Bühne. In der Performance-Lesung wollen sie in das Leben und sein Werk eintauchen, außerdem solle es um seine innere Zerrissenheit und den Schwierigkeiten gehen, denen er ausgesetzt war, so beschreibt es der Regisseur.
In Netzeband sind die Besucher in diesem Jahr aber erneut nicht nur Zuschauer oder Zuhörer: Zum zweiten Mal findet vom 9. auf den 10. März der 24-Stunden-Lesemarathon statt. Kinder und Erwachsene können sich beteiligen und aus ihrem Lieblingsbuch in der Kirche lesen.
Während der Veranstaltung werden auch wieder Spenden für die Kinder- und Jugendarbeit in der Temnitz-Region gesammelt. 2023 kamen so mehr als 500 Euro zusammen. Wer mitlesen will, kann sich noch bei NetzebandKultur anmelden und einen 30-minütigen Zeitslot aussuchen.
Mit dem breitgefächerten Angebot wollen die Kulturschaffenden aus Netzeband ein vielfältiges Publikum ansprechen, wie sie sagen. Dabei sei oftmals nicht klar, welche Veranstaltung wirklich der Renner ist. "Wir sind manchmal schon überrascht, wie einige Veranstaltungen besucht sind. Sachen wo wir denken das ist leichtbekömmlich, sind so gut wie leer und anderes ist plötzlich voll – das ist echt schwer zu kalkulieren", sagt Sabina Matthus-Bebie.
Damit die Besucher ins kleine Kulturdorf kommen, braucht es eben noch mehr, räumt sie ein: gutes Wetter, ein gastronomisches Angebot und keine Konkurrenzveranstaltungen für das Kulturpublikum etwa im nahegelegenen Neuruppin oder Rheinsberg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 22.02.2024, 20:10 Uhr
Beitrag von Björn Haase-Wendt
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