"Hoffentlich höre ich nach dem nächsten Song auf zu zittern"
Fünf Jahre lang war Beirut-Mastermind Zach Condon nicht aufgetreten. Die letzte Tour brach er vorzeitig ab. Zu groß war der Stress, mental und körperlich. Jetzt aber wagt er sich für ein paar Shows wieder auf die Bühne. Von Hendrik Schröder.
Nach dem ersten Lied zieht sich Zach Condon das Sakko aus und sagt: "Uff, entschuldigt bitte, ich bin geschockt. Nach so vielen Jahren ohne Konzerte. Danke, dass ihr da seid".
"Danke, dass Du da bist", ruft einer aus dem Publikum zurück und alle zusammen im quasi ausverkauften Tempodrom nehmen sie den schüchternen Künstler verbal in die Arme. Mit ihrem Juchzen und Jubeln, ihrem Applaus. Sie haben so lange gewartet auf ihn, nachdem er die letzte Tour 2019 vorzeitig abbrechen musste. Weil er Ausschlag und Panikattacken bekam, eine Kehlkopfentzündung und Depressionen.
Das lange Touren, das sei für ihn einfach Stress pur, sagt Condon. Fünf Jahre lang hatte er sich zurückgezogen. Erst in sein Dachstudio in seiner Wahlheimat in Berlin-Lichtenberg, dann in den Norden von Norwegen, in die Einsamkeit, die Dunkelheit, um dort das neue Album "Hadsel" zu schreiben.
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Und alles ohne Gitarren
Jetzt steht er wieder im Licht. Das heißt, eher in einer Art Halb-Licht, das meistens von der Seite kommt und bis auf wenige Momente nie richtig gleißend oder blitzend wird. Dazu passt das Bühnenbild: Ein Dutzend Baumgerippe ohne Blätter. Melancholisch, winterlich, nachdenklich, schwer mutet das alles an. Und das passt zur Musik von Beirut dann ja auch wunderbar. Zu neunt stehen sie auf der Bühne. Drei Streicher und Bläser, Schlagzeug, Piano, Bass. Keine Gitarre, nur ab und an mal Ukulele. Die Gitarre sei immer schon sein Feind gewesen, sagt Zach Condon gerne in Interviews, alle wollten früher immer Gitarre spielen, er interessierte sich für Flügelhörner und arabische Musik. Seine Art der Rebellion. 2006 gründete er dann Beirut und wurde mit gerade 19 eine echte Nummer in der internationalen Indieszene. Aber für das ruhelose Popstarleben war er viel zu instabil, zu sensibel. Abgebrochene Touren, Rückzug ins stille Kämmerlein, jahrelang nur komponieren, zu viel saufen, nüchtern werden und von vorne. Condons Leben war eine Achterbahn.
Jede Note selbst komponiert
Aber wenn er da jetzt so steht im Tempodrom, etwas schüchtern, verwuschelte Haare und nach 20, 30 Minuten derart in dieser opulenten Musik verschwindet, selbstvergessen singt, Trompete spielt, diese Songs, bei denen er fast alleine für fast alle Instrumente jede Note komponiert hat, dann kann man nur staunen und denken: Geiler Typ. "Hoffentlich höre ich nach dem nächsten Song auf zu zittern", hatte er anfangs noch gesagt. Jetzt scheint die ganze Aufregung vergessen und Condon wieder angekommen, wo er hingehört: In der Musik. 23 Lieder lang spielen sich Beirut ein Mal quer durch die Bandgeschichte, inklusiver einiger Coverversionen. Die Hits wie "Nantes" und "Santa Fe" sind dabei und eine Handvoll Songs vom neuen Album.
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Springen oder lauschen?
Was einen irre macht, ist aber der Hall auf manchen Plätzen. Bei den wenigen sehr lauten Passagen kommt von jedem Snareschlag kurz versetzt einer von der anderen Seite des Tempodroms zurück. Klack-Klack. Klack-Klack. das macht einen völlig wahnsinnig , wenn man anfängt darauf zu achten. Aber das quasi ausverkaufte Tempodrom feiert die Rückkehr des gestrauchelten Sohnes natürlich trotzdem zurecht. Und ganz unterschiedlich. Manche sitzen und stehen da, fast reglos, lächelnd, genießen. Andere hält es nicht auf den Sitzen, sie springen auf und tanzen zappelnd als wäre Love Parade - viel zu schnell und wild für den zurückhaltenden Beat. Aber klar, irgendwo muss sie hin, die Freude darüber, dass Beirut zurück auf der Bühne sind. Wenn auch erst mal nur für drei Konzerte in Berlin. Auch Freitag und Samstag spielen Beirut im Berliner Tempodrom. Beide Konzerte sind ausverkauft.