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Audio: rbb24 Inforadio | 05.03.2024 | Corinne Orlowski | Quelle: imago images/Funke Foto Services

Berliner Literaturpreis für Felicitas Hoppe

Eine Zauberin über Raum und Zeit

Felicitas Hoppe wurde bereits mehrfach ausgezeichnet – darunter 2012 mit dem Georg-Büchner-Preis. In diesem Jahr wird die in Berlin lebende Autorin mit dem Berliner Literaturpreis geehrt. Die Jury würdigt sie als "geniale Lebenserfinderin". Von Corinne Orlowski

Bereits für ihren Debütroman "Picknick der Friseure" hat Felicitas Hoppe 1996 einen Preis bekommen - mit dem Preisgeld machte sie sich auf zu einer Weltreise per Frachtschiff. Seitdem ist sie eigentlich ständig unterwegs, für Stipendien, als Vortragende und als Reisende in der Welt wie in ihrer Fantasie: Sie reist in fremde Länder und in ferne Zeiten.

Mittlerweile gehört Hoppe zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen Deutschlands, und vielleicht ist sie auch die mit den meisten Auszeichnungen: darunter der renommierteste des Landes, der Georg-Büchner-Preis. Nun also der Berliner Literaturpreis, mit 30.000 Euro eine der höchstdotierten Ehrungen des Landes. Und die kam für die Autorin total überraschend.

Auszeichnung

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Seit 40 Jahren lebt sie in der Hauptstadt, und noch immer würde sie sich nicht als Berlinerin bezeichnen. Aber es sei eine besondere Ehre für sie, einen Preis zu bekommen, der aus der Stadt kommt, in der man lebt. "Es gibt ja diesen schönen Spruch: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Also das ist schon toll." Denn so ein Preis bedeutet für Hoppe immer Frischluft und Freiheit, wie sie sagt.

Fabelhaft erfunden

Geboren wurde sie 1960 in der Rattenfängerstadt Hameln. Das Weserbergland mit der Märchenstraße hat sie geprägt. So ist vielleicht auch das Fabelhafte in ihre Literatur gekommen. Hoppes Texte changieren zwischen Fiktion und Realität. Sie schreibt hochmusikalisch über Aufbruch und Heimkehr, von der Sehnsucht als Ausdruck von Vitalität oder von Sonderlingen, Verbrechern und Versagern ­- für Kinder und über ihre Kindheit.

Sie hat die Nibelungensage neu erzählt, als "deutscher Stummfilm". Und immer wieder findet das Mittelalter Einzug. Hoppe gefällt daran besonders, "dass man da mit Stoffen umgeht, die wiederholt werden. Ein Ritterroman erzählt den nächsten nach." Die Autorin glaubt, das habe mit dem Bewusstsein zu tun, dass man sich nicht dem Zwang unterwerfen müsse, zu sagen, man schaffe etwas Neues. "Ich tue, was nur Hoppe kann. Tue ich zwar, aber auch ein alter Spruch, der nicht von mir ist: Ich stehe auf den Schultern von Riesen."

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Der Berliner Literaturpreis

Als "Gedanken-Autorin" bezeichnet

Es ist das "nicht-originell-sein-wollen", das Hoppe zu einer so originellen Schriftstellerin macht. Schreibend geht sie auf ein Ziel zu, dann kommt sie ins Reflektieren und geht auf Um- oder Abwege. Deswegen wurde sie auch mal als eine "Gedanken-Autorin" bezeichnet. "Manche klinken sich dann aus beim Lesen, dann habe ich eben Pech gehabt“, sagt sie mit einem Schulterzucken.

Hoppes Fabulierkunst verbinde, so heißt es in der Begründung der Jury, "federleichten Humor mit tiefstem Ernst, wilde Fabulierlust mit scheuem Interesse an einer Welt, die es mit den Menschen häufig nicht gut meint". Am Zustand der Welt könne zwar auch ihr erfindungsreicher Realismus nichts ändern, aber "mit dem Schwung ihrer Texte, dem Takt ihrer Sprache" ermuntere sie, die Zuversicht nicht zu verlieren.

Klingt schön - aber Hoppe widerspricht dezent. Alles, was wir lesen, habe durchaus Einfluss auf unser Leben. "Es geht in uns ein und könnte unser Verhalten verändern und damit die Welt verändern." Hoppe findet es fast ein bisschen gefährlich, die Wirkmacht der Literatur zu unterschätzen. "Unsere Sinne müssen geschärft werden, gerade von diesen ganzen Parolen, von denen wir umzingelt sind. Die Literatur ist etwas komplexer."

Märchenhafte Selbstvergewisserung

Deshalb freut sich Hoppe auch besonders über die Gastprofessur an der Freien Universität, die mit dem Berliner Literaturpreis verbunden ist. Denn dort gehöre die Literatur hin, in die Arena der Universität und der Öffentlichkeit, wo sie gemeinsam diskutiert und praktiziert werde.

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Auch wenn die ihre Jahresplanung jetzt kräftig durcheinanderwirbelt. Hoppe möchte an der FU über Resonanzräume und Applaus sprechen, "über das Zweifelhafte, das im Lob liegt". Die Vorlesungen werden öffentlich zugänglich sein. Für Studierende gibt sie ein Schreibseminar. Dort hofft sie, dass es auch dazu komme, "den Rücken dahingehend zu stärken, dass man sagt, trau dir mal zu mit dir allein zu sein und zu schreiben. Und ich finde das richtig toll, einfach zu testen, wie es auf der anderen Seite aussieht."

Schön, dass durch diese Ehrung nun auch wieder jüngere Lesende das Werk dieser nahbaren Autorin und erfrischenden Fabulierkünstlerin und damit eine Form der märchenhaften Selbstvergewisserung entdecken. Denn Hoppes Texte verdeutlichen, dass der Zauber nicht in der Sache selbst liegt, sondern in der Rede davon, im beweglichen Umgang mit störrischen Fakten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.03.2024, 07:55 Uhr

Beitrag von Corinne Orlowski

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