"The Dark Rooms Vertical": Ausstellung an geheimen Ort in Berlin
Licht aus: In der ersten Soloausstellung von Boris Acket ist alles dunkel, nur die Kunstwerke leuchten. Der niederländische Installationskünstler inszeniert mit Licht und Sound Naturspektakel – und möchte die Besucher:innen für die "echte" Natur gewinnen. Von Marvin Wenzel
Ein tosendes Meer, das sich in einen blitzenden Wolkenhimmel verwandelt: In der Ausstellung "The Dark Rooms Vertical" schwebt eine riesige Stoffplane wenige Meter über dem Boden einer leerstehenden Industriehalle. Die Plane bewegt sich ruhig und schimmert bläulich. Unter ihr liegen Besucher:innen auf Yogamatten, zu hören ist ein sphärisches Rauschen. Dann wird die Plane von einem blitzenden weißen Licht angestrahlt und bewegt sich schnell auf und ab – so als ob ein kleiner Sturm über sie fegen würde. Aus den Lautsprechern donnert es. Willkommen in der Gewitterwolke!
Zumindest in der künstlichen Gewitterwolke: Der niederländische Künstler und Komponist Boris Acket hat die Installation "Hydrosfeer" kreiert, die von 49 kleinen Motoren in Bewegung gebracht wird. Die Installation ist eins der neun Kunstwerke seiner ersten Solo-Ausstellung, in der er Naturphänomene beeindruckend in Szene setzt.
Acket steht in einem anderen Raum vor einer schwebenden silbernen Folie. Sie reflektiert das Licht von einem Scheinwerfer, sodass auf dem Boden ein Muster entsteht. Es erinnert an Sonnenstrahlen auf einer Wasseroberfläche. Der Künstler zeigt auf die sich bewegenden Lichtstrahlen und sagt: "Mich fasziniert unser Verhältnis zur Natur." Durch moderne Technologien und Onlinemedien würden die meisten Menschen - vor allem die in Großstädten leben, wie wir Berliner - Natur fast nur über ihre Abbildungen wahrnehmen. Zum Beispiel durch Videos auf Social-Media-Kanälen.
Mit seinen Installationen möchte der Künstler Besucher:innen für die Schönheit von Naturspektakeln begeistern. "Ich hoffe, dass Menschen durch die künstlichen Naturphänomene lernen, etwas mehr auf die Einzigartigkeit der Natur zu achten", sagt er. "Schön wäre es, wenn sie sich dann auch mit der echten Natur etwas mehr verbunden fühlen." Das wäre der Fall, wenn sie nach dem Besuch etwas mehr die Geräusche von Wind und raschelnden Baumkronen bewundern würden.
Ab dem 26. April ist die Ausstellung zwei Wochen lang in Berlin zu sehen. Der Ort ist geheim, die Besucher:innen bekommen ihn zwei Tage vor dem Besuch mitgeteilt. Auf der Website versteckt sich nur der Hinweis: Es handle sich um ein Haus mit sechs dunklen Stockwerken.
In der geheimen Location möchte Acket die Besucher mitnehmen auf eine Reise um die Welt. Schließlich seien die Werke an neun verschiedenen Orten entstanden, dazu zählen unter anderem Städte wie Mexico City, Sydney und New York.
Bevor es losgeht, betreten die Gäste das geheime Gebäude über eine schwarze Schleuse und bekommen eine Einweisung. Dunkle Kleidung ist erwünscht, alle Fenster sind abgedunkelt. Für die Besucher:innen geht es aber nicht in einen Berliner Technoclub – die düstere Atmosphäre soll ihre Sinne von "chaotischen Alltags-Eindrücken reinigen", wie es in dem Begleittext zur Ausstellung steht. In einem der ersten Räume schimmert nur das Licht einer Glühbirne, die Stimme von Boris Acket erklingt: "Für mich ist die Dunkelheit eine Einladung, nicht alles zu wissen, und die Grenzen meiner eigenen Wahrnehmung zu akzeptieren."
Die Schwärze lenkt die komplette Aufmerksamkeit auf die hypnotischen Installationen, die als einzige beleuchtet sind – eine Idee vom Berliner Künstler-Paar Sven und Clara Sauer, die die Ausstellung kuratiert haben. Seit acht Jahren veranstalten sie Licht- und Sound-Ausstellungen an geheimen Orten. Erst im vergangenen Jahr organisierten sie die Ausstellung "Himmel unter Berlin".
Clara Sauer steht vor dem Eingang des Gebäudes und erzählt, dass sie vor einigen Jahren beim Gallery Weekend in Berlin gesehen habe, dass sich die meisten Menschen gar nicht für die Kunst interessiert hätten, sondern "mit Prosecco draußen standen und Selfies machten." Um den Fokus wieder auf die Werke zu richten, hätten sie den Besucher:innen das Licht nehmen müssen. Sie sagt: "Die Dunkelheit hilft, die Sinne zu schärfen." Man sei mehr bei sich und fühle sich auch freier.
Fotografieren ist in "The Dark Rooms" aber erlaubt. Das bietet sich bei den bildstarken Installationen durchaus an. Die Besucher:innen können durch blitzende Gänge laufen. Sehen, wie sich weißes Licht auf einer Wasseroberfläche in farbige Strahlen verwandelt, und den Klang der Sonne hören.
In der Ausstellung ist alles einmalig: Wie in der Natur ist auch auf den sechs dunklen Stockwerken alles miteinander verbunden. Boris Acket hat eine Software entwickelt, die die neun Installationen miteinander agieren lässt. "Die Technik generiert Bewegungen, Töne und Licht", sagt der Künstler. "Die Installationen kommunizieren so und bewegen sich jedes Mal anders." Er habe nur beschränkt Kontrolle über sie. So wie auch über die echte Natur.
Mit einem Ticketpreis von rund 35 Euro ist "The Dark Rooms Vertical" etwas teurer als andere Ausstellungen. Trotzdem ist ein Besuch lohnenswert: Durch die Dunkelheit und die visuell beeindruckenden Installationen vergisst man die Zeit und kann sich etwa anderthalb Stunden von den Lichtern und Klanglandschaften unterhalten lassen, ohne dass einem langweilig wird. Die Räume bieten hervorragende Fotomotive. Zudem können die Besucher:innen viel über die Natur lernen. Und vielleicht achten sie danach ja auch in der echten Natur etwas mehr auf ihre Schönheit.
Beitrag von Marvin Wenzel
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