Interview | Kino-Doku "Teaches of Peaches"
Vor 24 Jahren brachte Peaches ihr Debütalbum "The Teaches of Peaches" auf einem Berliner Label heraus. Mit "Fuck-You"-Attitüde präsentierte die kanadische Musikerin eine neue Art von Elektroclash. Am Donnerstag kommt eine Doku über sie ins Kino.
rbb|24: Peaches, im Film sieht man nicht nur Archivaufnahmen aus Ihrer frühen 90er-Jahre Zeit in Berlin mit Chilly Gonzales , man sieht vor allem auch Bilder Ihrer letzten Tour. Es ist ein Unterschied, ob Frau sich mit 23 oder mit 57 oben ohne auf eine Bühne stellt. Sie haben an Ihren Körper offensichtlich keinen Chirurgen, kein Silikon und keinen „Personal Trainer“ herangelassen. Wo nehmen Sie den Mut her, sich in aller Altersschönheit oben ohne zu zeigen?
Peaches: Ich finde, als ältere Frau seine Brüste zu zeigen ist ein Statement. Wenn man jung ist, ist es leicht seine frischen Brüstchen herzuzeigen, da erfüllen sie ja noch das Ideal. Aber im Alter ist das etwas anderes, da irritiert man viele Menschen mit der Wahrheit. Dann komme ich: Ihr wollt das nicht sehen? Pech. Ich will aber alles raushängen lassen, ist mir doch egal was ihr denkt.
Lange bevor der gesellschaftliche Mainstream über Geschlechterrollen diskutierte, haben Sie schon das Patriarchat ad absurdum geführt und feministische Botschaften in Songs verpackt. In Ihren Texten spiegelten Sie Machosprüche, auf der Bühne zeigten sie männliche Posen und Dildos, dazu Ihre Achsel- und Schambehaarung. Woher kommt diese Lust zu provozieren?
Ich provoziere nicht um des Provozierens willen. Ich habe diese Plattform und nutze sie, um meine Botschaften unters Volk zu bringen. Ich wollte Missstände aufzeigen, denn damals wurde alles nur aus einem männlichen Blick heraus betrachtet, das Patriarchat machte die Regeln und bestimmte wie eine Frau zu sein hatte und was erlaubt war und was nicht. Nicht nur ich stellte das in Frage und bin jetzt froh, dass sich die Perspektive Richtung Offenheit geändert hat.
Wo nehmen Sie die Stärke her, Ihr Ding allen Anfeindungen zum Trotz durchzuziehen?
Das ist eine gute Frage. Ich denke die Stärke kam beim Machen, sie ist mit der Zeit gewachsen. Verstehen Sie, was ich meine? Ich hatte sie nicht von Anfang an, ich war auch ein eher frustriertes, verwirrtes Kind, das viele Fragen hatte, ich war nicht so selbstbewusst. Aber ich finde, man hat als Künstler die Verantwortung, alles, was einem wirklich wichtig ist, zu sagen und zu zeigen. Und ich habe das Glück, ein eigenes Publikum gefunden zu haben, das mich unterstützt. Die Leute lassen mich sagen, was ich sagen will und verstehen mich. Diese Verbindung zum Publikum zu spüren, macht mich frei und gibt mir Kraft.
Es ist sehr rührend, im Film Ihre Anfänge in Toronto zu sehen, als Sie mit Kindern singen und sie auf der Gitarre begleiten. Schon damals hatten Sie den Schalk im Nacken, kam das bei den Eltern gut an?
Ich war keine offizielle Musiklehrerin, ich hatte nur einen Hilfsjob im Kindergarten. Wo ich mich schrecklich langweilte, die Kinder übrigens auch. So kam ich auf die Idee mit dem ungewöhnlichen Spaß-Performance-Musikprogramm, bei dem ich versuchte, nicht lehrerhaft zu sein und ihnen zu sagen, was sie machen sollten, sondern ihre eigene Schaffenskraft herauszukitzeln. Die Eltern fanden das so gut, dass ich am Ende an neun verschiedenen Einrichtungen in Toronto unterrichtete und auch noch privat gebucht wurde, für Feiern in Partykellern.
Auf Ihrem letzten Album "Rub" von 2015 war das Lied "Vaginoplasty". Kann man das als sehr frühes Bodypositivity-Statement verstehen, also dem Mut, zu seinem Körper zu stehen und ihn zu schätzen, so wie er ist?
Ja, ich hatte eine Doku über Schamlippen-OPs bei jungen Frauen gesehen und daraufhin den Song geschrieben. Ich konnte nicht fassen, dass sich die Frauen an heraushängenden Schamlippen stören. Wieso wollen sie eine "perfekte" Vagina? Für wen, den männlichen Blick? Wieso lassen sich Frauen von der Pornoindustrie einreden, dass sie nicht perfekt sind? Das ist doch traurig. Ich will, dass wir alle zu unserem Körper stehen können, deshalb gehe ich als gutes Beispiel voran: "I keep it nasty".
Das Album ist neun Jahre alt, eine lange Wartezeit für Ihr Publikum.
Gute Nachrichten: Ich arbeite gerade an dem Nachfolger und denke, das neue Album wird noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Caspary
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.05.2024, 17:55 Uhr
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