Berliner Autorin gewinnt britischen Literaturpreis
Mit Jenny Erpenbeck gewinnt eine der bedeutendsten Vertreterinnen der deutschen Gegenwartsliteratur den renommierten International Booker Prize. Den Preis teilt sich die Autorin aus Ostberlin mit Michael Hofmann, der ihr Werk ins Englische übersetzte.
Die Berliner Schriftstellerin und Opern-Regisseurin Jenny Erpenbeck hat den renommierten International Booker Prize gewonnen. Die Auszeichnung erhielt die 57-Jährige am Dienstagabend für ihren Roman "Kairos", der sich um eine Amour fou - eine vertrackte und verhängnisvolle Liebschaft - in den letzten Jahren der DDR dreht. Den Preis teilt sich die Autorin aus Ostberlin mit Michael Hofmann, der ihr Werk ins Englische übersetzte.
Mit dem britischen Booker Prize international wird alljährlich ein fremdsprachiger Roman ausgezeichnet, der ins Englische übersetzt und im Vereinigten Königreich oder Irland verlegt wurde. Er gilt als Pendant zum Booker Prize für englischsprachige Literatur und ist mit 50.000 Pfund (rund 57.000 Euro) dotiert. Das Preisgeld wird zu gleichen Teilen zwischen dem Autor und dem Übersetzer aufgeteilt.
Mit "Kairos" setzte sich Erpenbeck gegen Werke von fünf anderen Finalisten durch, die aus 149 eingereichten Romanen ausgewählt worden waren. Die kanadische Autorin und Radiomoderatorin Eleanor Wachtel, die der fünfköpfigen Jury vorstand, erklärte, Erpenbecks Roman sei "eine reichhaltig strukturierte Beschwörung einer quälenden Liebesaffäre, der Verstrickung von persönlichen und nationalen Wandlungen".
Erpenbeck gelinge in dem Roman die verschlungene Verbindung aus persönlichem und nationalem Wandel, lobte die Jury. Die Entscheidung sei mit überraschender Einstimmigkeit getroffen worden, so Jury-Vorsitzende Eleanor Wachtel. Übersetzer Hofmann habe es vermocht, "die Eloquenz und Exzentrizität von Erpenbecks Schreibstil, den Rhythmus ihrer Sätze und die Weite ihres emotionalen Vokabulars" einzufangen.
Der Roman handelt von der Beziehung zwischen einer jungen Studentin und einem älteren Schriftsteller. Dabei spielt die Handlung von "Kairos während der letzten Tagen der DDR, in der Zeit bis zum Fall der Maiser. Erpenbeck sagte dem rbb vor Kurzem: "Es geht in 'Kairos' auch nicht nur um Ost-West. Es ist eine Liebesgeschichte, es geht um Missbrauch."
"Wie die DDR beginnt (das Buch) mit Optimismus und Zutrauen, dann zerbröckelt es so furchtbar", erklärte Wachtel. Sie würdigte auch die Übersetzung durch Hofmann. Seine Arbeit fange die "Eloquenz und Exzentrizitäten" von Erpenbecks Prosa ein.
Erpenbeck wurde 1967 im damaligen Ostberlin geboren. Nach einem Studium der Theaterwissenschaft und der Musiktheater-Regie arbeitete sie als Regisseurin. 1999 erschien ihr erster Roman "Geschichte vom alten Kind". Für ihren Roman "Gehen, ging, gegangen" (2015) erhielt sie verschiedene Literaturpreise. Ihre Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
Michael Hofmann hat eigene Bücher als Lyriker und Essayist veröffentlicht. Außerdem übersetzte er in den vergangenen Jahren die Autoren Franz Kafka, Joseph Roth und Hans Fallada ins Englische. Im Moment arbeitet er nach Angaben des International Booker Prize an einer neuen Übersetzung von Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz".
Sendung: Radioeins, 22.05.2024, 9:02 Uhr
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