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Audio: rbb24 Inforadio | 22.05.2024 | Hendrik Schröder | Quelle: picture alliance/PIC ONE/P.Sander-Bauermann

Konzertkritik | Future Islands im Tempodrom

Wie Hamlet, nur als Konzert

Die Band Future Islands spielt Musik zum Tanzen und Träumen. Mit Keyboards und Bass. Dass jeder Song gleich klingt, war bei ihrem Auftritt im Berliner Tempodrom völlig egal. Von Hendrik Schröder

Inszenierung ist alles, gerade am Anfang eines Rockkonzertes: Durch eine Art orientalischen Torbogen kommen die Musiker der Band Future Islands um Punkt 21 Uhr auf die Bühne des Berliner Tempodroms geschritten. Strahlend weißes Licht scheint von hinten - es umrahmt ihre Silhouetten. Wie hernieder gefahrene Gottheiten sehen sie aus. Allen voran Sänger Sam Herring, der im Laufe des Abends noch die absolute Hauptrolle spielen und sich das Publikum - etwas zugespitzt - regelrecht unterwerfen soll. Für Außenstehende könnte das alles also durchaus wirken wie ein okkultes Ritual bei dem ein paar tausend nicht mehr ganz junge (aber jung gekleidete) Menschen in Turnschuhen einem Typen huldigen, der nicht nur Sänger, sondern auch Performer, Leidender und Erlöser zugleich ist.

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Theaterstück oder Livekonzert?

Nach dem furiosen Intro sieht es auf der Bühne allerdings etwas sehr überinszeniert aus. Der Keyboarder klettert auf den Torbogen - von nun an thront und spielt er in mehr als 2,5 Meter Höhe. Warum auch immer!? Denn das sieht, mit Verlaub, total behämmert aus. Und der Effekt ist, dass die Musiker rein räumlich gar nichts mehr miteinander zu tun haben. Der Bassist steht so weit an der Seite, dass er auf den ersten Blick gar nicht aussieht, als würde er zur Band gehören. Und der Drummer sitzt seitlich zum Publikum und spielt so präzise und stoisch, als habe er mechanische Teile in seinen Gliedmaßen verbaut und ansonsten mit der Szenerie nicht viel zu tun. Man hat gar nicht das Gefühl, dass da eine Band, eine Gang, eine Einheit performt. Es sieht mehr aus wie ein Theaterstück mit Musik.

Schmerz, Trauer und Abgrund

Während all dem turnt, rennt und kugelt Sänger Sam allerdings über die Bühne wie ein ernsthaft Wahnsinniger und mit Unterhaltungswert für drei. Schwarze enge Jeans, schwarzes enges Shirt, ergrauende Haare - alles an ihm klebt vor Schweiß. Und zwar schon nach zwei Minuten. Er rudert mit den Armen, schmeißt sich zu Boden. Er brüllt und zetert, er fleht und stolpert. Und wer in sein Gesicht schaut dabei, aus nächster Nähe, bekommt es mit der Angst, so viel Schmerz, Trauer und Abgrund ballt sich darin. Von dem könnte Lars Eidingers Hamlet sich noch was abschauen, so krass überperformt Sam Herring an diesem Abend im Berliner Tempodrom. Als sei es das letzte Mal, dass ihm irgendjemand zuhören würde.

Drahtseilakt der Emotionen

Und da Future Islands' Sound nunmal sehr dreamy und keyboardlastig ist, meistens aber einen ordentlich marschierenden Midtempo Beat hat, ist das alles auch absolut Tanzbein-kompatibel. So einen Sound macht ja sonst niemand. So verträumt, aber ballernd. So schräg, aber trotzdem massentauglich. So intensiv. Sam Herring liebt diesen Drahtseilakt auf den Amplituden der Emotionen. Dass alle Songs aller sieben bisherigen Alben, wenn man gerade nicht auf die toll poetischen Texte hört, mehr oder weniger gleich klingen (ja, natürlich nicht exakt gleich, aber seien wir ehrlich, schon sehr, sehr ähnlich), ist dabei nicht schlimm. Dadurch bekommt es was hypnotisches, regelrecht reinziehendes. Trotzdem: Nach einer Stunde ist der Abend quasi auserzählt und es passiert nichts mehr. Man hat Herrings Posen verstanden, es gibt keine echten Höhepunkte (bis auf "ancient water" am Ende vielleicht), keine Tiefpunkte. Das liegt vielleicht auch an dem je nach Standort maximal mittelmäßigen Sound an diesem Abend. Sei es drum. Die US-amerikanische Band Future Islands ist trotz der Abnutzungseffekte immer noch spannender, intensiver und sehenswerter als die meisten anderen Bands.

Sendung: Sendung: rbb24 Inforadio, 22.05.2024, 8 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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