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Audio: rbb24 Inforadio | 08.06.2024 | Hendrik Schröder | Quelle: Imago Images/Clemens Niehaus

Konzertkritik | Wanda in Berlin

Alternative-Austro-Pop-Schlager für die weiße Mittelschicht

Club statt Halle: Zur Veröffentlichung ihres neuen Albums kam die Wiener Band Wanda für ein Konzert in das Hole44 nach Neukölln. Hendrik Schröder erlebte Austro Pop mit Verve und Liebe. Aber ohne Tiefe.

Vorfreude wabert durch den kleinen Club Hole 44 an der Hermannstraße, als um kurz nach 21 Uhr eine von einer weiblichen Stimme gesungenen Akustikversion von Wandas großem Hit "Bologna" aus der Konserve aus den Boxen knallt. Dann kommt die Band auf die Bühne. Rauchend, witzelnd und jetzt schon schwitzend, stimmt in den Song ein und zündet innerhalb eines Taktes den ganzen Laden an.

Sänger Marko, der mit seiner Halbglatze und in Jeans und Jeanshemd an einen Gebrauchtwagenverkäufer aus einem Josef Hader Film erinnert, feuert die Leute noch zusätzlich an, rudert mit den Armen, reckt sein Ohr gen Menge. Noch mehr sollen sie applaudieren, noch lauter singen.

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Die Leute kommen dem zwar gerne nach, aber eher als Strohfeuer - schnell verebbt die totale Euphorie wieder und weicht einer gelassen freundlichen Stimmung. Was insofern erstaunlich ist, dass die Fans doch Wanda selten mal so nahe kommen, wie vor dieser eher kleinen Bühne. Rund 600 Leute passen in das Hole44. Für Wanda-Verhältnisse eine fast schon intime Atmosphäre.

Viel gewollt, nicht gekonnt

Wanda spielen an diesem Abend ungefähr die Playlist, die sie auch auf der laufenden Tour spielen, nur kürzer. "Bussi Baby", "1,2,3,4", "Luzia" - alles dabei. Dabei soll das doch eine Record Release Party sein und man könnte glauben, sie würden mehr als eine Handvoll der neuen Songs spielen - aber nein.

So richtig darüber ärgern wird sich aber wahrscheinlich auch niemand, denn die neue Wanda Platte "Ende nie" ist seltsam. Anders, als die fünf Alben vorher. Ernster, denn in den Songs geht es viel um den Tod des früheren Keyboarders Christian Hummer und den von Sänger Markos Vater.

Ein Album wie eine Therapie

So intensiv sollen die Songs für die Musiker sein, dass sie sich entschlossen haben, vorerst keine Interviews mehr zu dem Album zu geben. Zu schmerzhaft. Denn das Album will erstmals mehr in die Tiefe gehen, als der bisherige Alternative-Austro-Popschlager, den Wanda mit so unwiderstehlichem Wiener Schmäh und viel Verve, aber wenig Tiefgang seit zehn Jahren liefern.

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Was bis auf wenige gute Nummern wie den Opener "Bei niemand anders" aber wirkt wie halbfertig und viel gewollt, aber nicht so richtig gekonnt. Als hätten sie diese Songs unbedingt raushauen müssen. Als Therapie. Um weitermachen zu können, obwohl jetzt einer fehlt. Egal, ob sie funktionieren oder nicht.

Amore und Rockstartum

Denn live sind Wanda eine Bank und keiner geht an diesem Abend mit leerem Herzen nach Hause. Auch wenn die meisten Lieder live zwar mehr Power haben, dafür aber musikalisch deutlich an Vielschichtigkeit verlieren. Denn Amore, Liebe, steht in weißen Lettern auf der schwarzen Bassdrum. Das ist die Botschaft von Wanda. Versöhnen statt spalten, verbinden statt canceln.

Auch wenn Sänger Marko ein Angeber ist, der sein Rockstartum nur mühselig hinter Ironie verbirgt. Auch wenn es billiger Applaus ist, den sie sich vor diesem politisch ganz offensichtlich eher links-grün stehenden Publikum mit einer Anti-AfD Ansage abholen. Und sie nichts zur heimischen FPÖ sagen (um es sich zu Hause nicht mit zu vielen zu verscherzen?).

Auch wenn im letzten Drittel die Mitklatsch- und Ohohoho-Mitsingbefehle inflationär werden und klingen wie Musikantenstadl für weiße, tätowierte Mittelschichtsmenschen in Turnschuhen.

Trotzdem bleiben Wanda großartig. Weil sie alles geben. Für alle. Im Hier und Jetzt. Amore.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.24, 08:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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