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Interview mit Regisseur Daniel Ris
Love, Peace und psychedelische Drogen: Das legendäre Musical "Hair" ist jetzt in Senftenberg zu sehen. Doch inwiefern passt ein Stück über die US-amerikanische 68er-Bewegung in die heutige Zeit? Ein Gespräch mit dem Regisseur Daniel Ris.
rbb: Daniel Ris, "Hair" steht seit Jahrzehnten auf Spielplänen weltweit, nun auch in Senftenberg. Wie kommt es, dass dieses Musical so einen Erfolg hat?
Daniel Ris: Die Handlung ist insofern verführerisch und attraktiv zum Zuschauen, weil sie einerseits sehr viel Sexyness hat. Es geht um Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Andererseits verhandelt das Musical ein ernstes Thema - den Vietnamkrieg und die Frage: Was für einen Lebensentwurf habe ich? Geht es um mein Vergnügen? Oder geht es darum, Verantwortung für mein Land zu übernehmen? Außerdem sind die Lieder aus dem Musical Welthits geworden. Das heißt, es gibt einen ernsten Inhalt, Hits und Sexyness. Und das ist ein gutes Rezept.
Das Musical stammt aus den 1960er-Jahren, und dennoch kommt es einem erstaunlich aktuell vor. Woran liegt das?
Die Frage, ob ich für etwas anderes als für mich und mein Wohlergehen Verantwortung übernehme - das ist eine zentrale Frage im Stück aber auch in jedem Menschenleben. Das Stück ist letzten Endes politisch. Wenn ich heute höre, dass Menschen von der Demokratie enttäuscht sind und sie deswegen diese oder jene Partei wählen, dann kann ich nur sagen: Das ist ein Missverständnis. Demokratie ist ein Auftrag. Demokratie ist keine Dienstleistung, die ich in Anspruch nehmen kann. Demokratie heißt Verantwortung übernehmen. Das Volk herrscht. Das heißt, das Volk hat die Verantwortung, wie es herrscht. Insofern finde ich, dass das Thema Verantwortung auch für die heutige Zeit sehr ansprechend ist.
Auch das Thema Krieg spielt eine große Rolle im Musical ...
Man sieht "Hair" mit anderen Augen, weil wir uns gerade in Kriegen befinden. Wir sehen im Stück, wie eine Gruppe auf die Bühne kommt und für den Frieden demonstriert. Wir belassen es in der Zeit, sie demonstrieren gegen den Vietnamkrieg. Aber in uns schwingen andere Dinge mit.
Das Tolle an dem Stück und am Theater generell ist, dass es uns auf sinnliche Weise eine Einsicht vermittelt, die wir mit dem puren Intellekt gar nicht fassen können, zu der wir gar nicht gelangen können. Man kann vor dieser historischen Folie reflektieren, was eigentlich mit unserer Gesellschaft heute los ist.
Was ist denn los mit unserer Gesellschaft?
Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der sich zwei Personen gegenüberstehen und gegenseitig voneinander sagen: 'Mit dir kann man nicht reden!" Das heißt: Ich habe meine Position und du hast deine Position, und wir können uns nicht verständigen. Das ist etwas, was wir auch heute in unserer Gesellschaft häufig sehen. Es sind zwei Menschen, jeder hat Gründe für seine Position, aber sie finden zu keinem wirklichen Gespräch.
Bei all den ernsten Themen, die das Stück behandelt, soll "Hair" auch Spaß machen. Wie gelingt Ihnen das?
Ich finde die Ausstattung ehrlich gesagt bombastisch. Das Bühnenbild versucht, die Menschen auf Drogen zu bringen, ohne dass sie Drogen nehmen müssen. Es knallt einen ganz schön weg. Und dann haben wir einen Twist bei den Kostümen. Wir holen nicht einfach die Sachen von 1970 aus dem Schrank und ziehen sie den Leuten an. Bunte Kostüme würden bei dem krass bunten Bühnenbild untergehen. Daher sind alle Kostüme beige, das ist dann ein wenig wie 'Hippie Haute Couture'.
Bei "Hair" stehen nicht nur Profis auf der Bühne, auch Mitglieder der Theatergruppe Chaotische Idealisten sind an der Produktion beteiligt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Wir haben früh versucht, uns zu vernetzen – mit allen hier in der Region, die irgendwas mit Kultur machen wollen. Ich hätte dieses Stück nicht auf den Spielplan gesetzt, wenn es nicht diesen Kontakt zu den Chaotischen Idealisten gegeben hätte. Wir sind ein kleines Schauspielhaus und machen ein riesiges Musical. Man braucht da einen 'Tribe', eine eingeschworene Gruppe, die hätte ich gar nicht besetzen können. Ohne diese Gruppe und das Vertrauen in das Können dieser Leute hätte ich das nicht machen können. Man sieht in keiner Sekunde, wer auf der Bühne Profi ist und wer nebenbei noch einen anderen Beruf ausübt. Das finde ich großartig.
Danke für das Gespräch.
Das Interview führte Steffen Prell für rbbKultur – das Magazin.
Sendung: rbbKultur - Das Magazin, 01.06.2024, 18:30 Uhr.
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