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Audio: rbb24 Inforadio | 25.06.2024 | Jakob Bauer | Quelle: dpa/PIC ONE/Christian Behring

Konzertkritik | Juanes in der Uber Eats Music Hall

Nächster Halt: Berlin Bogotá

Mit dem Song "La Camisa Negra" hatte der kolumbianische Sänger Juanes 2004 seinen internationalen Durchbruch. Seine letzten Alben blieben in Deutschland eher unter dem Radar. Am Montagabend stand Juanes in Berlin auf der Bühne. Von Jakob Bauer

Wer an diesem Abend die Uber Eats Music Hall betritt, verlässt mal eben für zwei Stunden Berlin. Die gewohnten Umgangssprachen bei solchen Konzerten, Deutsch oder Englisch, hört man hier kaum. Spanisch ist die Sprache der Wahl. Viele Zuschauer sind in kolumbianische Flaggen gehüllt oder schwenken sie freudig. Das hier ist offensichtlich kein normales Konzert. Das ist eine Art Familientreffen der lateinamerikanischen Community. Denn er ist da: Juanes. Und er hat seine Hits und eine fast schon liebevolle Show mitgebracht.

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Rocker, Softie und feuriger Lover zugleich

Oberflächlich betrachtet erfüllt Juanes erstmal alle Vorstellungen eines Latino-Stars. Ärmellose Jacke, glatte, seidige Haare bis zu den Schultern, Tattoos auf den Armen, einnehmendes Lächeln. Er ist eine Mischung aus Rocker, Softie, feurigem Lover und Schwiegermamas Liebling - auch wenn der Bart langsam ergraut. Aber Juanes ist eben nicht nur Klischee. Der Kolumbianer ist in Medellín aufgewachsen, zur Hochzeit des Drogenkrieges von Pablo Escobar. Zu der Zeit als es in der Stadt die weltweit höchste Mordtate gab. Juanes' Cousin und ein Freund wurden im Bürgerkrieg ermordet und er setzt sich seitdem gegen Gewalt und Ungleichheit in Kolumbien ein – auch in seiner Musik. Sein Frühwerk war geprägt von den Themen Verlust und Gewalt, außerhalb seiner Musik hat sich Juanes vor allem dem Kampf gegen Landminen verschrieben. Er hat eine eigene Stiftung gegründet und ist 2007 beim Friedens-Nobelpreis aufgetreten.

Und deswegen funktioniert das hier auch so gut: Juanes ist gleichzeitig Popstar, leidenschaftlicher Liebessänger und Aktivist, der das Trauma einer Generation medial und künstlerisch zwar nicht in den Mittelpunkt stellt, aber doch immer wieder thematisiert. Einer Generation, die in Teilen wahrscheinlich in der Music Hall vor Ort ist. Das kriegt man in Deutschland sonst halt nicht so mit. An diesem Abend allerdings spürt man im Raum eine Suche nach Gemeinschaft und man hört die Melancholie immer wieder in der Musik. Aber eben auch das Vorantreibende, den Optimismus, das "Weitermachen!". Egal ob es um die Liebe geht. Oder um die Politik. Zumal man viele der enttäuschten, wütenden, ja fast aggressiven Herz-Schmerz-Songs von Juanes auch auf beides beziehen kann. Auf zerstörte Beziehungen zu Menschen sowie zu Gesellschaften, Politikern, Staaten.

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Konzert als Community-Meeting

Und trotz hunderttausender Latin-Grammys und Millionen verkaufter Platten bleibt Juanes total nahbar. Er sieht die kolumbianischen Flaggen, fragt, woher die Leute denn alle so kämen? Sie kommen aus Mexiko, Kolumbien, Bolivien und Chile. Und auch ein Mensch aus Kalifornien hat sich reingeschmuggelt. Juanes weiß also genau, dass das hier auch eine Art Community-Meeting ist. Er kommt immer wieder ins Plaudern, unterhält das Publikum, stellt Verbindung her. Aber halt nur auf Spanisch. Er schwingt sich in die Menge, umarmt dort die Menschen und singt einen Song – aber halt nur auf Spanisch. Aber selbst wenn man kein Wort versteht, diese Gemeinschaft und Freude, die sich da aufbauen, wärmen auch das Kartoffelherz.

Und dann gibt es natürlich auch noch die Musik: Juanes verbindet lateinamerikanische Stile mit Rock und Pop. Zuletzt hat er da eine richtige Musik-Forschung draus gemacht - auch wieder eine tolle Sache: Für sein Album "Más Futuro Que Pasado" hat Juanes kolumbianische, mexikanische, dominikanische und amerikanische Musiker versammelt, traditionelle Musikstile wie Cumbia und Vallenato mit moderner Musik gemischt. Die Band hat ordentlich Wumms, Juanes kommt trotz der vielen Songs nie außer Atem und feuert ein paar wirklich rasiermesserscharfe Licks aus seiner Gitarre. Es schwankt immer schön zwischen sexy und schmalzig, allerdings sind ein paar Songs doch sehr geschliffener Radio-Pop und gerade die so wichtige Percussion-Sektion und der Bass, der hier alles schön pumpend schwer machen müsste, sind ein bisschen leise.

Aber wenn Juanes dann am Ende einen Hit nach dem anderen raushaut, noch zwei begeisterte Fans auf die Bühne holt und die Halle sich textsicher – in akzentfreiem Spanisch, versteht sich – in den Rausch singt, dann kann man hier eigentlich nur noch fett grinsend dabeistehen. Und sich vielleicht doch mal für den Spanischkurs und die Studienreise nach Lateinamerika anmelden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.2024, 6 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

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