rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Audio: rbb24 Inforadio | 12.06.2024 | Bruno Dietel | Quelle: imago images/H.Arensbak

Konzertkritik | Troye Sivan in Berlin

Queerer Star mit Gefühlen für Berlin

Mit 11 Jahren das erste Mal vor der Kamera, letztes Jahr in der Serie "The Idol" von The Weeknd, mehr als 22 Milliarden Song-Streams – Troye Sivan aus Australien hat am Dienstagabend im ausverkauften Velodrom gespielt. Bruno Dietel über die Show einer queeren Ikone.

Ist das hier das Velodrom oder ein dunkler, heißer Techno-Club? Diese Frage wird im Laufe des Abends an vielen Stellen auftauchen. Schon die Aufwärm-DJ Jodie Harsh, bekannt aus der Reality-Serie "Ru Paul’s Drag Race", legt in Sachen Intensität und Schnelligkeit so vor, als sei es morgens um 3 und nicht abends kurz vor 9. Dann erscheinen Troye Sivans Tänzer, er selbst tritt aus einem roten Lichtstrahl inmitten der Bühne hervor. Die vielen tausend Troyboys und Troygirls kreischen vor Freude laut auf, wobei die Boys hier ganz eindeutig in der Überzahl sind. Troye Sivan hat sich schon 2013 öffentlich auf YouTube geoutet – das Video hat mehrere Millionen Klicks, er gilt seitdem als eines der großen queeren Vorbilder im Pop.

Oralsex-Simulation im ersten Song

Es wird sehr schnell klar, welchen Vibe Troye Sivans Show im Velodrom erzeugen soll: Der Live-Drummer ist oberkörperfrei, die Tänzer tragen obenrum selten mehr als ein Tanktop. Schon im ersten Song "Got Me Started" hält einer der Tänzer dem vor ihm knieenden Troye Sivan ein Mikrofon so ins Gesicht, als sei es sein Gemächt. Offensive Oralsex-Simulation nach wenigen Minuten - die Halle feiert die sexpositiv-provokative Geste lautstark ab. Szenenwechsel, ein ruhigerer Song - Troye Sivan in neuem Outfit, er trägt nur noch eine rote Hose und räkelt sich auf einem mit goldenem Samt bezogenen Bett. Egal wie weit hinten man steht, alle können ihm dabei zusehen - auf drei Videowänden wird es durch die Kamera nochmal sehr, sehr nah rangeholt.

Konzertkritik | Waldbühne

Dua Lipas nasse Open-Air-Disco

Dua Lipa eröffnet ihre Tournee in der Berliner Waldbühne und liefert Musik, Outfits und... Verwirrung? Warum radikaler Pop-Optimismus mehr als Performance braucht. Von Jule Lippick

Nehmt Euch jemanden mit nach Hause!

Guckt nach links und rechts, schaut, wie "hot" die Menschen neben Euch sind - Troye Sivan will, dass hier möglichst niemand allein nach Hause gehen muss. Es geht bei seiner Show um Körperlichkeit und Sex, das sagt und zeigt er ganz offen: Troye und seine Tänzer an einer Stange, Troye Sivan und ein Tänzer gemeinsam auf einem Stuhl und später Troye Sivan und der Tänzer wild rumknutschend.

Sivans Musik hat einen warmen Synthie-Pop als Grundsound, der so häufig durch stampfend-schnelle Bässe getrieben wird, dass es sich schon sehr nach verschwitzter Clubatmosphäre anfühlt. Troye Sivan schwitzt von Anfang an und traut es sich aber kaum zu erzählen, das würde doch in der härtesten Stadt der Welt nicht gelten.

Viele Outfit-Wechsel und reduziertes Bühnenbild

Das ist die Show, die er immer machen wollte, sagt Troye Sivan über seine Tour zum aktuellen Album "Something To Give Each Other". Selbst bei den Songs über seinen Ex habe er live den größten Spaß, gesteht er grinsend. Das Bühnenbild ist angenehm reduziert, hinter den zwei Live-Musikern, dem Drummer und einer Musikerin, die so ziemlich alles von Synthie bis Bass spielt, stehen zwei Gerüste, in denen hin und wieder die Tänzer auftauchen. Für Sivan ist das Tanzen ein Novum: Erst im vergangenen Jahr hat er sich zum ersten Mal überhaupt an Choreographien herangetraut. Das sieht man nicht, im Gegenteil - Troye Sivan ist die Freude an dieser für ihn neuen Ausdrucksform auf der Bühne inmitten der hervorragenden Tänzer anzumerken. Auch sonst setzt er auf die großen Effekte einer durchinszenierten Popshow: Mehrfach wechselt er seine Outfits, mal steht er da in transparentem Weiß, dann im schwarzen Korsett oder auch mit einer blauen Hose mit großen Löchern im Schritt.

Ein Song für Berlin

Das Finale ist der Song "Rush" - das Video ist in Berlin entstanden. Zu sehen ist eine queere Sommerparty mit viel nackter Haut, viel Geknutsche und hellem Bier aus – ausgerechnet – Bayern, im Morgengrauen läuft er im Video über die Warschauer Brücke. Der Song und die Zeit in Berlin hätten sein Leben verändert, sagt Troye Sivan im Velodrom - er war für das Video auf der Suche nach echter Party und wo man die finde, das sei ja wohl klar. "Das ist Euer Song, Berlin", ruft Troye - als Dank gibt es "Rush" gleich zwei Mal hintereinander. Sogar der Original-Cast aus dem Musikvideo steht auf einmal auf der Bühne und tanzt mit. Nach nur 1 Stunde und 20 Minuten ist dieses queere Spektakel auch schon wieder vorbei. Dabei wirkt Troye Sivan so, als würde er hier nur ungern aufhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.06.2024, 06:50 Uhr

Beitrag von Bruno Dietel

Artikel im mobilen Angebot lesen